Ihr Lieben, die Kinder von Claudia Manakas sind schon groß, sie ist uns also einen Schritt voraus und kann uns einen kleinen Blick in die zukunft gewähren. Uns hat sie erzählt, wie sich das so anfühlt nach all den Jahren der intensiven Zeit mit den Kindern zu Hause – und wenn dann alle ausgeflogen sind. Heute arbeitet sie als Elternberaterin für eine achtsame und bewusste Elternschaft.
Liebe Claudia, du bist 55 Jahre alt und hast drei Söhne, 31, 28 und 25 Jahre alt: Verrat uns Frauen mit jüngeren Kindern doch bitte mal: Hört das mit der großen Sorge um die eigenen Kinder irgendwann auf?
Oh, da muss ich erstmal schmunzeln, denn die Frage zeigt, dass die Sorge um die Kinder wirklich ein gewichtiges Feld in der Erziehung ist. Tja, ob diese Sorgen irgendwann aufhören, liegt wirklich daran, ob wir lernen loszulassen – die Kinder und die Sorgen um die Kinder.
Aus Erfahrung kann ich sagen: Jeder Entwicklung-Step macht uns Eltern stolz und wehmütig zugleich. Einerseits freuen wir uns über die Unabhängigkeit, andererseits erkennen wir, wie schwierig es ist, die Kinder in die eigene Verantwortung zu entlassen.
Wie klappt das Loslassen denn bei Dir?
Inzwischen klappt das gut. Obwohl ich zugeben muss, dass ich mir ab und zu ganz schön auf die Zunge beißen muss, wenn ich glaube, dass sich einer meiner Söhne in die falsche Richtung bewegt. Ich glaube, das Loslassen bleibt für Mütter eine lebenslange Übung. Wenn man echtes Vertrauen in sein Kind hat, erleichtert es die Sache.
Erzählt ihr als Familie oft von früher – und lacht über witzige Anekdoten oder Fotos?
Oh ja! Das macht so viel Spaß und oft erfahre ich da auch noch Neues – und bin froh, dass ich damals nicht davon wusste 🙂
Außerdem sprechen wir manchmal auch über Situationen von früher – und wie die Kinder sie erlebt haben und wie wir Eltern. Das ist sehr interessant, denn des zeigt, wie unterschiedlich die gleiche Situation von Kindern und Erwachsenen wahrgenommen wurde. Auch im Nachhinein kann so übrigens noch gegenseitiges Verständnis aufgebaut werden.
Verklärt sich am Ende wirklich vieles und man denkt: Hach, als sie noch klein waren, das war schön…?
Ich habe Freundinnen, die das so empfinden. Ich fühle das ehrlich gesagt nicht so. Ich finde es schon wirklich toll, dass meine Kinder nun erwachsen sind und ich nicht mehr verantwortlich. Ich genieße es schon sehr, wieder unabhängig zu sein und über mich und meine Zeit weitgehend selbst entscheiden zu können.
Ich genieße es sehr, erwachsene Kinder zu haben, mit denen ich mich austauschen kann, zu sehen und mitzuerleben, wie sie sich entwickelt haben und weiter entwickeln und für was sie sich begeistern.
Also gar keine Wehmut?
Nein, eigentlich nicht. Dazu vielleicht noch eine veranschaulichende Geschichte:
Mein mittlerer und mein ältester Sohn sind fast zeitgleich zu Hause ausgezogen. Als sie weg waren, bin ich in ihre Zimmer und musste erst einmal fürchterlich weinen. Ich wusste: Jetzt ist etwas zu Ende und das war sehr traurig.
Aber schon wenige Tage später erkannte ich auch die Vorteile des Auszuges: Keine Wäscheberge mehr, weniger Essen kochen, weniger Chaos, weniger Lautstärke 🙂
Du bist zertifizierte Elternbegleiterin. Die Sorgen der Mütter von heute: Sind das andere als die, die du und deine Müttergeneration früher hatte?
Das ist eine interessante und sehr weitreichende Frage. Ja und Nein, würde ich antworten.
Ich sehe hier zwei Bereiche: Erziehung ist ja einerseits geprägt durch die Persönlichkeit der jeweiligen Eltern, also durch deren Vorstellungen, Haltung, Erwartungen, die Kultur, Moral. Zeitgleich wird sie jedoch immer auch von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung beeinflusst, die unter Umständen die Erziehung entscheidend mitbestimmt.
Was Eure und meine Müttergeneration eint: Wir woll(t)en es besser machen als unsere Eltern.
Was jede Generation unterscheidet ist: Die Lebensrealität.
Wie war Eure Lebensrealität?
Ich kam Mitte der 60er Jahre zur Welt. Meine Eltern, die beide während des Krieges geboren und aufgewachsen sind, waren dementsprechend traumatisiert. Eltern dieser Generation waren mit ihrer eigenen Geschichte schon überfordert. Das gesamtgesellschaftliche, legitime Erziehungsmittel war damals körperliche Gewalt und Demütigung.
Dadurch erklären sich die Schwerpunkte in der Erziehung meiner Generation. Wir wollten: Kindern mit Respekt und Wertschätzung begegnen, Kinder gewaltfrei erziehen, Vertrauen schaffen und Freiheit und Selbstbestimmung.
Mein erstes Kind kam 1989 auf die Welt, das Jahr des Mauerfalls. In meiner Generation gab es vielerlei politische und gesellschaftliche Umbrüche. Erziehung war ein Teil davon. Wir haben uns insgesamt für Veränderung engagiert, haben uns jedoch nicht auf dieselbe Weise persönlich unter Druck gesetzt, wie ich es heute bei vielen Müttern erlebe.
Wo erlebst du uns unter Druck?
Die jetzige Generation hat durch die Entwicklung des Internets und die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse mehr theoretisches Wissen zur Verfügung. Ich erlebe jedoch, dass die Gesamtbelastung, der Druck, der auf Eltern lastet und die (eigenen) Erwartungen und Ansprüche, das Leben von vielen Eltern mehr belastet als früher.
Durch die PISA Studien zum Beispiel gab es viele Ängste rund um das Thema Bildung. Eltern spürten den Druck, die Kinder von Beginn an richtig zu fördern und da ja nichts falsch zu machen.
Auch die sozialen Medien sind heute eine Herausforderung, die es früher schlicht nicht gab. Viele sind davon überfordert, all die Vergleiche aber auch durch Themen wie Cybermobbing.
Zudem begegnen mir viele Mütter, die ständig weit über ihre eigenen Grenzen hinaus gehen und dadurch in große Not geraten und sich erst sehr spät Hilfe holen. Dieses „über die eigenen Grenzen hinaus gehen“ hat meiner Erfahrung nach enorm zugenommen. Ich erlebe, dass es sehr vielen Eltern schwer fällt, ihrem Kind etwas abzuschlagen, klar zu sein und sich dabei wohl zu fühlen. Mütter übernehmen auch heutzutage noch immer den Hauptanteil der Erziehungsaufgaben – zusätzlich zu ihren Jobs und dem Haushalt.
Müttern wird auch noch immer ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie ihr Kind in Fremdbetreuung abgeben. Das Jonglieren mit Jobs, Kita & Schule wird schnell zu einer enormen logistischen Anstrengung, die es permanent in Balance zu halten gilt
Ein sehr wichtiges persönliches Thema ist also meiner Erfahrung nach unbedingt die „Selbstfürsorge“ für Mütter:
Nun habt ihr eure Freiheiten nach dem Auszug der Kinder ja wirklich genutzt. Vor zwei Jahren habt ihr – dein Mann und du – alle Zelte abgebrochen, die sicheren Jobs gekündigt und seid um die Welt gereist. Wie kamt ihr auf die Idee?
Das war schon seit Längerem ein Traum von uns. Und plötzlich musste wir erleben, dass Freunde in unserem Alter erkrankten und starben. Da wurde uns klar, dass wir diesen Traum nicht weiter verschieben wollen.
Wir sind beide sehr offen für neue Herausforderungen und waren bereit unser Leben noch einmal völlig auf den Kopf zu stellen und uns in Unsicherheit zu begeben. Das klingt aufregend, aber einige haben uns dafür auch für verrückt erklärt. Wir wollten aber aus dem sicheren, sehr bequemen Trott heraus und das Leben noch einmal anders auskosten.
Entsprach diese Reise denn dann euren – vermutlich ziemlich hohen – Erwartungen?
Ich habe mich darüber mit meinem Mann ausgetauscht. Wir hatten seltsamerweise beide keine Erwartungen, was die Reise an sich betraf. Wir freuten uns einfach auf viel Natur und Zeit. Und auf eine Menge an frei verfügbarer Zeit, ohne Verpflichtungen.
Deshalb haben wir die Reise auch day by day entschieden, haben keine Pläne gemacht. Wir wussten am Morgen nicht, wo wir am Abend sein werden. Darauf haben wir uns eingelassen und das war sehr befreiend.
Wir waren fast immer in einer unbeschreiblich wilden, atemberaubenden Natur (wir waren u.a. lange in Kanada, Australien und Alaska) Durch die Stille, die Präsenz und die fehlenden Verpflichtungen, bekommt das Leben einen anderen Rhythmus. Das ermöglicht, dass eigene Fragen in einer Tiefe bearbeitet werden, die im Alltag so nie möglich war. Es gibt kein Ausweichen, weil es keine Ablenkung gibt.
Nun seid ihr zurück. Was habt ihr an Erfahrung mitgebracht und wie schmeckt euch der alte, neue Alltag?
Wir haben uns noch während der Reise dagegen entschieden in unser altes Leben zurück zu kehren. Wir haben im Ausland so viele Menschen getroffen, die immer wieder große Veränderungen und Wagnisse in ihrem Leben zugelassen haben, dass ich darüber ebenfalls den Mut fand, mich noch mit 54 Jahren selbstständig zu machen. Mein Mann war schon immer selbstständig, hat aber ebenfalls in einer ganz neuen Branche begonnen. Mit 58 Jahren. Ja, manchmal erschrecken wir über unseren Mut, aber es fühlt sich wirklich gut an.
Ihr mögt mehr über Claudia Manakas erfahren? Dann schaut gern mal hier vorbei: www.mariaclaudiamanakas.de und www.instagram.com/kinderhochdrei.de/
2 comments
Danke für das inspirierende Interview! Mich hätte noch interessiert, wie das Paar die Reise finanziert hat und wie sie nun jetzt leben. Sind die Kinder mit der Ausbildung schon durch?
Schön daran ist, dass sie noch so jung ist und ihre Kinder schon so wirklich erwachsen. Allerdings weiß ich nicht, ob die heutige Realität so aussieht: Sehr viele bekommen ihre Kinder heute deutlich später, was bedeutet, dass man auch deutlich (ca. 7 bis 10 Jahre) älter ist, wenn das letzte Kind eventuell auszieht, viele ziehen während der Coronakrise nun auch wieder im Elternhaus ein….Ich will sagen: Hier sieht man den Vorteil der frühen Geburt: Man ist, wenn die Kinder aus dem Haus sind, selbst noch sehr viel fitter und auch oft gesünder und kann nochmals durchstarten. Bei den Erstgeborenen, die ca. mit Mitte Dreißig kommen und dann vielleicht noch ein Kind oder zwei hinterher, ist man bei Auszug des letzten Kindes (gerade Jungs bleiben ja auch deutlich länger zu Hause wohnen) fast schon zu alt oder hat auch schon körperliche Einschränkungen. Nicht immer, aber oft…..