Weltall ist nur was für Männer? Astronautin Insa Thiele-Eich über Gleichberechtigung im Weltall

Astronaut

Foto: Benjamin Schulze.

Ihr Lieben, heute haben wir Dr. Insa Thiele-Eich zu Gast. Die Dreifachmutter, die frecherweise nicht mal 40 ist, hat mit uns bereits über Homeschooling und Klimawandel gesprochen und darüber, wie überrascht sie ist, dass es überhaupt noch möglich ist, die erste deutsche Frau im All zu sein.

Nun macht sie grad nicht nur Karriere auf TicToc, wo Jugendliche sie bejubeln, sie hat nun auch – zusammen mit ihrere Astranautinnen-Anwärterinnen-Kollegin (richtig gegendert?!) – ein Kinderbuch geschrieben. Damit nicht weiterhin jedes Weltall-Buch männlich dominiert ist…

Liebe Insa, zusammen mit deiner Kollegin Suzanna Randall befindest du dich im Astronautinnen-Training, euren Pilotenschein habt ihr bereits in der Tasche, was trainiert ihr grad aktuell?

2020 waren wir unter anderem in der Zentrifuge und haben dort simuliert, welche Kräfte bei einem Raketenstart auf den Körper wirken. Durch die vielen abgesagten Veranstaltungen hatten wir auch genug Zeit, um den theoretischen Teil unseres Trainings abzuschließen, so dass wir Ende November das Basistraining abgeschlossen haben. Dieses Jahr soll es zum Höhlentraining gehen, frei nach dem Motto: Bevor es nach oben geht, gehts erstmal nach unten!

Astronautin
Foto: Markus M. Gloger/Space Affairs

Elf deutsche Männer waren bisher im Weltall. Jetzt ist endlich eine Frau an der Reihe, findet ihr. Warum, was würde uns das vor allem auch wissenschaftlich bringen, endlich eine deutsche Frau ins All schicken zu können?

Wir werden unter anderem das Verhalten des weiblichen Körpers in der Schwerelosigkeit erforschen. Einen Gender Gap gibt es in der Medizin auch im All, und da die Daten international nicht geteilt werden, liegen in Europa entsprechend kaum Datensätze zu Frauen vor. Dabei gibt es interessante Unterschiede: man hat beobachtet, dass ca. 30% der Astronauten signifikante Änderungen der Sehkraft verzeichnet – bei Astronautinnen tritt dieser Effekt scheinbar nicht auf. Ziel ist es, den Körper hinsichtlich der Sehorgane, aber auch mit Bezug auf das Gleichgewichtssystems und die Hormone zu untersuchen: wir hoffen, dass wir aus diesen Experimenten Erkenntnisse für die Medizin auf der Erde gewinnen können.

Abgesehen davon haben astronautische Missionen immer auch einen sehr großen kulturellen und symbolischen Charakter: das hat man ja bei Alexander Gerst schon gesehen. Ganz klar möchten wir mit der Mission also Kinder für die Welt der Luft- und Raumfahrt begeistern! Wir finden, in dieser Hinsicht würde eine Frau dem Männerteam der deutschen Astronauten ganz gut tun – und wenn die erste geflogen ist, kann auch die zweite, dritte usw. fliegen. Jungen und Mädchen zu zeigen, dass Frauen in der Welt der Naturwissenschaften genauso zu Hause sind wie Männer ist also ein wichtiger Bestandteil unserer Mission.

Du hast selbst drei Kinder im Alter zwischen 2 und 10, was finden sie am spannendsten, wenn es um deine Astronautinnen-Ambitionen geht?

Ich habe sie öfter zum Flugtraining mitgenommen, und was finden sie am spannendsten? Den Süßigkeitenautomaten für hungrige Pilot:innen. Tauchtraining in Marseille? Das Highlight ist Kirschkernspucken mit meiner Chefin und die streunende Katze auf dem Trainingsgelände. Aber: das ist auch gut so, ich bin ja in erster Linie ihre Mama.

Astronautin

Gerade die Große kriegt aber auch mit, wie manchmal bei Social Media mit mir als Frau und Mutter umgegangen wird, das sind dann Diskussionen auf einem ganz anderen Niveau. Mich macht das traurig, ihr zu erklären wieso es so viele Menschen gibt, die Frauen und besonders Mütter permanent kritisieren. Aber auch das hat etwas Positives, sie nimmt mich mit meinen feministischen Bestrebungen gerne auf den Arm.

Letztens hat sie mir ganz nebenbei erzählt, dass ihre Lehrerin gesagt hat, den Zettel sollen doch bitte die Mütter unterschreiben. Die Väter hätten ja alle so viel auf der Arbeit zu tun, und die Mütter seien ja eh zu Hause. Ich stand schon kurz vor der Explosion („Mama, sieh das doch positiv, sie weiß halt, dass ihr Euch in echt viel mehr kümmert!“), da musste sie lachen. War natürlich nur ein Scherz.

Dein Vater war selbst früher im All, was findet denn er am spannendsten an deinem Training und an deiner Ambition, die erste deutsche Frau im All zu werden?

Beim Training selbst hat sich gar nicht so viel verändert – es ist total schön, teilweise sogar mit den gleichen Trainern zu arbeiten, die auch ihn begleitet haben und Ähnliches zu erleben wie er. Gleichzeitig bin ich aber bei einem kommerziellen Raumfahrtunternehmen, das gab es damals noch gar nicht: wir tauschen uns viel dazu aus, was die Welt der Raumfahrt in Zukunft so bringen kann und wird, und sind beide international mit anderen zu diesem Thema vernetzt. Mit dem eigenen Vater so zusammen zu arbeiten ist definitiv spannend!

Zurück zu den Kindern, zusammen mit Suzanna Randall hast du nun ein Buch für Erstlesende ab 7 Jahren geschrieben, um was geht es euch da und was erwartet uns darin?

Unser Weg ins Weltall“ ist der 1. Band einer Reihe, die uns bei unserem Flug ins All begleiten soll. Wir erzählen, wieso wir als Kinder Astronautin werden wollten, wie das Auswahlverfahren war, und was uns im Training bisher erwartet hat. Hinten gibt es noch ein paar liebevoll vorbereitete Rätsel zum Buch, die – ich verspreche es! – mindestens 30 Minuten Pause für die Eltern kaufen. Es wurde von Petra Eimer total wunderbar illustriert, und wir sind wirklich stolz auf unser Buch-Baby. Nummer 2 ist schon unterwegs!

Ist das auch eine feministische Aufgabe für euch, kleinen Mädchen ein Vorbild im MINT-Bereich zu sein? Ihnen zu zeigen, dass sie alles werden können, wenn sie nur wollen?

Tatsächlich kam die Anfrage von Oetinger aus genau diesem Grund: ein Weltraumbuch mit Frauen auf dem Cover. Es gibt zwar einige Weltraum-Buchreihen für Kinder, in denen in späteren Bänden auch Mädchen eine Rolle spielen, aber die Cover sind schon sehr jungslastig – teilweise fehlen Frauen in den Büchern komplett. Insofern haben wir uns total über die Möglichkeit gefreut, hier nachzubessern. Mir ist es total wichtig, dass Kinder wissen, dass „Astronaut:in“ kein geschlechterspezifischer Beruf ist.

Auch bei TicToc feierst du als @insainsall unglaubliche Erfolge, da erklärst du kindgerecht Themen wie Sexismus… weil dir z.B. in der Schwangerschaft mit dem dritten Kind unterstellt wurde, deine Gehirnleistung wäre kleiner geworden…

Bei TikTok erzähle ich von unserem Training, aber habe auch angefangen von den etwas befremdlicheren Situationen zu berichten. Tatsächlich überrascht es mich oft selbst, welchen Vorurteilen man so begegnen kann. So auch der eine Herr (oberes Management, großes Unternehmen), der mir während der dritten Schwangerschaft erklärte, dass ich gar nicht mehr trainieren könne, denn bei Frauen würde der IQ während jeder Schwangerschaft deutlich abnehmen.

Die Studie, aus der er diese Erkenntnis hatte, haben wir aber leider online gar nicht mehr wiedergefunden, und er hat sich sogar hinterher per Mail nochmal entschuldigt. Nur: wieviele seiner Kolleginnen durften das schon ausbaden?

Foto: Manfred H. Vogel

Was war denn dein Traumberuf als Kind. Und von welchen Berufen träumen deine Kids?

Mein erster Berufswunsch als Kind war „Hausfrau und Mutter“, ich erinnere mich noch genau, dass ich das immer in die Poesiealben meiner Freund:innen geschrieben habe. Leider musste ich feststellen, dass mir für „Hausfrau“ ein paar Kernkompetenzen fehlen – deshalb bin ich jetzt glückliche Meteorologin. Dass ich Mutter sein darf, macht mich aber (meistens 😉) sehr dankbar. Astronautin kam erst viel später dazu.

Meine Kinder wollen – gerade kurz gefragt – Reitlehrerin und Tierärztin werden. Wobei meine Älteste aber auch schon seufzend festgestellt hat, dass sowohl Opa als auch Mama die Erstgeborenen in der Familie sind, und es da scheinbar eine gewisse Tradition gibt. Ich hoffe aber sehr, dass mein Mann und ich es schaffen, unsere Kinder frei von solchen Erwartungen großzuziehen!  


1 comment

  1. Es ist frustrierend zu sehen, sie viel Vorurteile immer noch da sind. In der WhatsApp Gruppe der Klasse meines Sohnes scheine ich der einzige Mann zu sein und Kunden muss ich ständig erklären, dass ich vormittags nur stark eingeschränkt zur Verfügung stehe, weil logischerweise Home Schooling halt nicht mal ebenso nebenbei geht.

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