Vom Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben – was ich in den letzten Monaten über mich selbst gelernt habe

Dieses Jahr hat es in sich. Blödes Corona, blöder Lockdown, blödes Homeschooling, blöde Reisewarnung, blöder R-Wert, blödes 2020.

Ja, so ist die Stimmung bei uns an manchen Tagen. Und immer wieder fragen wir uns – oder werden wir gefragt – was wir aus diesem Jahr an Erkenntnissen mitnehmen.

Bei mir stellt sich dieses Jahr heraus, wie schwer ich ich damit tue, die Kontrolle abzugeben. Dabei dachte ich bisher gar nicht, dass ich so ein Kontroll-Freak bin, fand mich eigentlich recht spontan und gechillt.

Um ehrlich zu sein, stimmt das nicht so ganz. Das Schwerste an dieser Zeit ist für mich die Unsicherheit. Wie geht alles weiter? Was darf ich wann noch? Ist diese Reise noch möglich? Sind die Kinder dann noch in der Schule?

Immer wieder habe ich in diesem Jahr Pläne verwerfen müssen, konnte meine Geschwister nicht sehen, mein heiß ersehntes Yoga-Wochenende nicht antreten, unser Dänemark-Urlaub musste zweimal abgesagt werden, eine Taufe konnte nicht stattfinden, ebensowenig wie mein Abitreffen und viele viele berufliche Termine.

Klar, das sind alles keine Dinge, die lebensnotwendig sind, aber sie halten uns psychisch gesund. Weil wir Kontakt zu anderen Menschen brauchen, weil wir von Zusammentreffen zehren, weil sie uns stark machen und uns Halt geben.

Ich fand es besonders schwer, nichts daran ändern zu können. Wir Mütter sind ja gewöhnt, immer agieren zu können, Lösungen zu finden. Dieses „Du musst es nur richtig wollen, dann klappt das auch“ kennen ja viele von uns. Wir sind es gewohnt, jeden Tag so viele verschiedene Dinge zu organisieren, zu planen, zu schaffen.

Doch diesmal war es anders. Wir sind gezwungen, unser Leben den äußeren Umständen anzupassen und haben ganz viel eben NICHT selbst in der Hand.

Ich tue mich unheimlich schwer damit, diese Kontrolle loszulassen. Zu sagen: Es kommt, wie es kommt und ich kann nichts daran ändern.

Vielleicht ist das meine Erkenntnis des Jahres und mein Learning. Loslassen. Nicht immer alles beeinflussen wollen.

Und jetzt interessiert mich: Was habt Ihr in den letzten Monaten gelernt über Euch selbst gelernt?


9 comments

  1. Ich verstehe dich! Mir fällt es auch schwer mit der Ungewissheit umzugehen. Auf der Arbeit habe ich kein Problem mit Ungewissheit, aber bei der Familie ist das irgendwie anders. Außerdem ist mir in dieser Zeit auch so stark aufgefallen wie stark der Stress bei vielen Frauen eher zur Stutenbissigkeit führt als dazu, sich gegenseitig zu unterstützen. Ich hatte dazu im April mal gebloggt, als die Kitas schlossen – und da wurde dann auch nochmal ordentlich draufgehauen, obwohl es mir ja darum ging dass wir uns unterstützen müssen… Denn wie Du sagst: Mütter sind es gewohnt alle Bälle in der Luft zu halten, für alles eine Lösung parat zu haben. Hier gab es diese Lösung nicht, umso wichtiger sich unter die Arme zu greifen.

    Viele Grüße,
    Katharina (von https://www.windelnundworkouts.de)

  2. Wir sitzen da alle im gleichen Boot. Diese Machtlosigkeit macht mich fertig. Besonders jetzt, wo es wieder von vorne losgeht.
    Leider habe ich gelernt dass mein Akku nicht mehr der alte ist. Das Aufladen funktioniert nicht mehr so gut – aber ich funktionierte auch im roten Bereich noch.
    Aber ich habe auch gelernt dass es immer weiter geht. Auch rückblickend zur ersten Welle hat alles geklappt: Homeschooling 2. u d 5. Klasse) und das Kindergartenkind zu Hause. Trotzdem noch arbeiten. Das alles haben wir gemeinsam gemeistert. Und es gibt so unendlich viele schöne Dinge auch in dieser Zeit. Wir sind viel spazieren und wandern gegangen. Haben mehr Zeit zusammen verbracht. Wir haben gut gegessen – gemeinsam gekocht und gebacken. Und mit diesen Sachen im Hinterkopf werden wir auch die nächsten Monate meistern. Da bin ich mir sicher.
    Denn: Am Ende ist alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende 😉

  3. Alle deine Beschreibungen sprechen mir aus der Seele. Danke! Hoffentlich ist der Spuk bald vorbei und ein einigermaßen normales Leben wieder möglich. Gutes Durchhalten

  4. Genau das habe ich gelernt, nein erfahren, denn gewusst hatte ich es schon (doch jetzt kam zu diesem theoretischen Wissen ein erlebtes Wissen hinzu) : das morgen ist ungewiss, das war es schon immer und wird es immer sein. Es gibt eigentlich nur das Jetzt. Und Corona hat mir diese spirituelle Sicht der Dinge so klar gezeigt wie kaum etwas bisher. Ich kann Pläne machen, wie ich will, ich kann mir Sorgen machen oder mich in Fantasien ergehen, was kommen mag – es führt mich alles weg aus dem Moment. Hier und jetzt zu sein, Schritt für Schritt zu gehen, mich nicht an ein festes Bild von morgen Klammern, sondern offen sein für das was kommt.

    Ganz konkret in Leben mit meinen Kindern: Und es fällt mir tatsächlich leichter die Tage zu genießen (okay wenigstens stundenweise 😉), wenn ich nun wegen dem Husten eines Kindes zuhause bleiben muss und mein kompletter Zeitplan in sich zusammenfällt …

  5. Gelernt habe ich wie verdammt schnell ich ausrasten kann, wenn es nie Pause gibt und wie sehr ich Pausen brauche. Auch wenn es nur 10 Minuten Ruhe sind.
    Und wie egal der Gesellschaft die Kinder und deren Eltern sind. Hier wurden im Frühjahr massive Schäden angerichtet, an denen wir mit den Kindern (4 und 5) immer noch arbeiten. Es wird dann gern unter den Teppich gekehrt, welcher Vertrauensverlust hier geschehen ist und welche Langzeitschäden die Kinder nun davon tragen.
    Positives kann ich der Zeit nichts abgewinnen… in vielen Köpfen hat immer noch kein Umdenken stattgefunden, dass wir unsere Welt nur einmal haben.

  6. Wie gut es tut, keine Termine am Abend oder Nachmittag zu haben. Die Natur noch mehr zu genießen. Komplett zu entschleunigen. Dass weniger wirklich oft mehr ist. Hatte aber auch großes Glück, dass ich noch keine Schulkinder habe und Job gut einteilen kann.

  7. Oh ja toll geschrieben das alles ging mir und geht mir auch so.
    Und immer die Angst im Nacken wenn meine Tochter aus der Schule kommt hat sie sich vielleicht angesteckt und ja es ist alles so unwichtig Hauptsache alle sind gesund.
    Traurig hat mich gemacht auf wieviel die Kinder verzichten müssen in Bezug auf Abschied Grundschule und Anfang in einer neuen Schule alles ganz schön schwer…… Am Ende bleibt dann da die Hoffnung das die Kinder das alles gut überstehen auch Psychisch, das alle gesund bleiben das alles irgendwann wieder normaler wird… Ganz wie vorher wird es nicht… Und die große Hoffnung das niemand stirbt den man kennt…. Und me time zu vernachlässigen macht krank das habe ich gelernt.

  8. Gelernt sehr vieles! Glücklich aber nicht mit den Umständen dieser harten „Schule“ … :

    -es ist egal ob mein Kind verschiedene Socken trägt, Hauptsache gesund.
    -es ist egal wie gut und schnell meine Tochter das 1×1 lernt, wir sind gesund.
    -es ist egal wann der Boden das letzte Mal geputzt wurde, denn wir sind gesund
    -meinen alten Papa für 3 Stunden mit Abstand zu sehen war das schönste Geschenk des Sommers.

    Und das wichtigsten Erkenntnisse (bisher) :
    -Egal was passiert ist, egal wie schlimm es uns traf.
    Ich bin eine Löwin und die nächste Zeit schaffen wir auch noch
    Und
    Was unvorstellbar wichtig sind wirkliche Freundschaften! Nicht nur bei den Kindern, auch bei uns Erwachsenen

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