Liebe Ute, im letzten Jahr hast Du uns von Deiner Familiensituation berichtet. Dein Mann war für 24 Monate in Haft. Er sollte im Januar 2019 entlassen werden. Jetzt hast du uns erzählt, dass er bereits an Weihnachten wieder bei Euch war. Wie kam es dazu und wie war der Tag, als er entlassen wurde?
Durch "Freistellungstage", die sich mein Mann durch die Arbeit verdient hatte, und die Umstände, dass zwischen den Jahren keine Entlassungen stattfinden, durfte er einige Tage vor Weihnachten bereits nach Hause kommen.
Da der genaue Tag erst einen Tag vor Entlassung feststand, und es die letzte Schulwoche war, haben wir den Kindern nichts gesagt. Mein Mann und ich hatten beschlossen, dass er mit dem Zug kommt und wir ihn vom Bahnhof abholen. Ein neutraler Ort, wo Ankommen, Verabschieden und Begrüßen hingehört. Wir dachten, die Kinder könnten mit einer langen Autofahrt, wenn sie ihn mit abgeholt hätten, überfordert sein. Und wir wollten sie auch nicht bei Oma warten lassen, wenn ich ihn alleine abgeholt hätte.
Ich habe die Kinder mittags von Schule und Kindergarten abgeholt und ihnen gesagt, dass wir bald zum Bahnhof fahren und den Papa holen. So konnten sie sich noch darauf vorbereiten, mussten aber nicht den ganzen Morgen in der Schule mit diesem Wissen ausharren.
Es war ein sehr schönes Begrüßen! Wir sind anschließend nach Hause gefahren, haben etwas gegessen und Papa kurz die wichtigsten Veränderungen im Haus gezeigt. Dann war allerdings Alltag mit Hausaufgaben und Nachmittagsaktivitäten der Kinder dran, das hatte sich mein Mann so gewünscht. Abends gab es ein Wunschessen, Papa war beim Vorlesen dabei und es war friedlich und harmonisch, ein bisschen kitschig.
Du hattest ja die Befürchtung, dass das Gefängnis deinen Mann verändert haben könnte, weil er zum Beispiel lärmempfindlicher ist und einen ganz anderen Tagesablauf hat. Wie ist es nun – wie hat er sich wirklich verändert?
Mein Mann konnte sich relativ schnell wieder an alles gewöhnen. Er hatte ja auch im Gefängnis einen festen Tagesablauf und hat versucht, sich an unsere Schlafenszeiten zu halten, so dass die Umstellung gar nicht so groß war. Er sagte, der Lärm der Kinder sei für ihn viel angenehmer und schöner als all die Geräusche im Gefängnis, wie das regelmäßige Drehen der Überwachungskameras, das Surren der Belüftung oder das Gebrüll der anderen Häftlinge.
Wie sind die Kinder damit umgegangen, dass der Papa wieder da ist?
Die Kinder haben den Papa sofort wieder als Familienmitglied in alles einbezogen, er hat Fahrten zur Schule übernommen, die Freizeitaktivitäten begleitet, war und ist ganz viel da. Er hat sich immer wieder einzeln mit den Kindern beschäftigt, so dass jeder seine Kuschel- und Sonderzeiten hatte.
Ihr hattet ja auch vor, eine Paarberatung aufzusuchen. Habt Ihr das gemacht und was lernt Ihr dort?
Wir haben eine gute Beratung gefunden, in der wir Probleme ansprechen und gemeinsam lösen. Wir haben gelernt, dass es schon hilft, etwas auszusprechen und nicht für sich zu behalten. Die Anwendung fällt mir noch etwas schwer, aber wir sind auf einem guten Weg.
Mich hat in unserem letzten Gespräch sehr beeindruckt, dass du keinerlei Wut auf deinen Mann verspürst. Du hast gesagt, Wut würde Dir nichts bringen, weil du diese Wut ja nicht kanalisieren könntest. Wie sieht es jetzt damit aus?
Wut hat sich nach wie vor nicht wirklich entwickelt, aber ich merke schon, dass ich bei Streit "Jetzt lass mir meine Meinung, ich habe doch so viel durchgemacht!" denke. Aber wir sprechen dann darüber und dann stelle ich fest, dass ich eben auch nicht immer recht habe. Das Wichtigste ist wirklich: Reden, reden, reden!
Du hast monatelang alles allein geregelt – fällt es dir nun leicht, wieder Verantwortung abzugeben?
Das war anfangs tatsächlich schwer. Wir haben um Kompetenzen gerungen und ich habe mich auch schnell angegriffen gefühlt, wenn er sich "eingemischt" hat. Aber auch das hat sich relativ schnell wieder eingespielt. Das Einzige, was ich bis jetzt komplett übernommen habe, ist das Thema Finanzen. Und das klappt super.
Spürt Ihr irgendwelche Vorbehalte Deinem Mann gegenüber aus Eurem Umfeld?
Fast gar nicht. Unser direktes Umfeld hat sich sehr gefreut, dass er wieder da ist. Sie haben erlebt, wie glücklich die Kinder sind und auch, dass ich viel entspannter bin und die Verantwortung für alles nicht mehr so auf mir lastet. Natürlich gab es Menschen, die meinen Mann beiseite genommen haben und ihm sagten, dass sein Verhalten damals nicht korrekt war und er seine Familie in ziemlichen Schlamassel gebracht hat. Aber diese Personen hatten ja recht.
Was ist für dich das Schönste daran, dass Dein Mann wieder bei Euch ist?
Ich fühle mich wieder vollständig! Mein Mann ist die Liebe meines Lebens. In den zwei Jahren Haft habe ich den Austausch mit ihm so sehr vermisst. Wir haben unzählige Briefe geschrieben, aber das ist nicht dasselbe, als wenn man persönlich miteinander spricht. Seit mein Mann entlassen ist, schreibt er mir ständig Whatsapp Nachrichten – einfach, weil er es genießt, dass es möglich ist und dass er mir wieder sagen kann, was er gerade erlebt und macht. Das ist ein so schönes Gefühl.
Ich bin auch so froh, dass meine Kinder das Ganze so gut verarbeiten. Einige Menschen hatten mich gewarnt, die Kinder könnten mit ihrem Vater fremdeln, wir hatten uns auch darauf vorbereitet. Aber dem war nicht so und das freut mich.
Wisst Ihr schon, wie es beruflich für Deinen Mann weiter geht?
Ich bin stolz und überglücklich, dass mein Mann seit Anfang April wieder arbeitet. Er hat eine Stelle gefunden, die anders ist als das, was er vorher gemacht hat. Zwar in seinem Bereich, aber quasi ein Seitenwechsel. Er hat es bewusst gemacht, um nicht so weiter zu machen, wie er aufgehört hat. Er will einen Neuanfang.
Was wünschst Du Dir für 2019?
Dass unsere finanzielle Lage weiterhin aufwärts geht. Und dass wir uns einfach genießen. Wir sind endlich zur Ruhe gekommen und einfach nur zufrieden.
HIER ist der Link zu dem ersten Interview mit UTE
Foto: Pixabay
4 comments
Danke
für die Offenheit, finde eure Geschichte spannend und es ist mutig, darüber zu berichten.
Ich wünsche Euch alles Gute und dass ihr wieder/weiterhin gut zusammenwächst.
… so ein Quatsch Anja,
… so ein Quatsch Anja,
er hat einen Fehler gemacht und dafür wurde er bestraft.
Wenn seine Familie ihm verzeihen kann find ich das sehr schön und vorbildlich.
nein
dieser mann wurde zu 2 jahren (!) haft verurteilt. da kann man nicht mehr von einem „fehler“ sprechen. er hat eine sehr schwere straftat begangen!
keine toleranz für kriminalität
also bei kriminalität hört die toleranz für mich auf. wenn mein partner zu einer haftstrafe verurteilt werden würde, dann würde ich mich sofort trennen. das geht einfach gar nicht. und für kinder kann so jemand absolut kein vorbild sein.