Trauer über die zweite Fehlgeburt: Wie ich als Single versuche, Mama zu werden

Ihr Lieben, wir kennen Tomma schon lange persönlich, sie führt eine PR-Agentur in Hamburg, ist erfolgreich selbstständig und hat durch ihre Kunden viel mit Familienthemen zu tun. Sie ist Stammgast auf der jährlichen Blogfamilia-Konferenz, die Lisa mitorganisiert. Ihre Familienplanung verläuft etwas anderes als bei anderen – denn nachdem Mr. Right noch fehlt, möchte sie versuchen als Single Mama werden. Nun hat sie nach einer Fehlgeburt im Februar eine weitere Fehlgeburt erlebt.

Liebe Tomma, Du hattest vor Kurzem eine zweite Fehlgeburt. Kannst Du uns von diesem Moment erzählen, als klar war, dass diese Schwangerschaft vorbei ist? 

Den Moment werde ich nicht vergessen. Aufgrund meiner ersten Fehlgeburt begleiteten mich ab Tag 1 der zweiten Schwangerschaft zahlreiche Sorgen. Die Tatsache, dass etwas passieren könnte, war einfach noch zu präsent in meinem Kopf und vor allem in meinem Herzen. Doch seit ich das erste Mal den Herzschlag meiner Tochter gehört hatte, waren die negativen Gedanken deutlich stiller. Kamen sie, versuchte ich sie beiseite zu schieben.

Meine Ärztin und ich kennen uns seit vielen Jahren. Sie kennt meinen großen Kinderwunsch, den außergewöhnlichen und steinigen Weg dorthin und so war es ungewohnt, dass sie eine Weile nichts sagte, als sie auf den Monitor schaute. Es war wahrscheinlich nur ein kurzer Augenblick, doch mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Und in dem Moment, in dem ich sagte, dass sie so still sei, schaute sie mich an und sagte leise: „Es tut mir so leid, Frau Rabach, aber ich kann den Herzschlag nicht mehr sehen.“

Wir wussten beide, was dieser Satz bedeutete. Und ihr Blick bedurfte keiner weiteren Worte. Kurze Zeit später kam ein zweiter Arzt, um den Herzstillstand meiner Tochter zu bestätigen. Da sich ihre Größe verdoppelt hatte, gehe ich davon aus, dass ihr Herz noch nicht lange still stand und erinnerte mich an den Vortag und daran, dass ich das erste Mal Beschwerden hatte.

Wie hat die Ärztin reagiert?

Ich habe das große Glück, dass ich eine unglaublich einfühlsame und verständnisvolle Ärztin habe. Wir saßen noch eine ganze Weile im Untersuchungsraum. Sie beantwortete mit einer Engelsgeduld meine Fragen und hörte zu, als ich weinend zusammenbrach und die Welt nicht mehr verstand. Sie hob das letzte Ultraschallbild für mich auf, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, ob ich es mir jemals anschauen wollen würde. Mein Kind mit stillstehendem Herzen.

Vor allem die Entscheidung zu treffen, wie es nun weitergeht, schien mir in dem Augenblick unmöglich. Eine OP? Auf die Natur vertrauen? Medikamente, die den Vorgang beschleunigen würden? Die Möglichkeit, das „Material“ zu untersuchen, um so vielleicht die Chance auf eine Antwort zu bekommen, warum das Herz nicht mehr schlug?

Wie ging es dann weiter?

Ich bekam Zeit, einen eigenen Raum und rief meine Freundin an, die mich kurze Zeit später abholte und erst einmal fest in den Arm nahm. Als die Tränen fürs Erste getrocknet waren, ging ich nach Hause, sagte meine Termine für die nächsten zwei Tage ab (so gut es denn ging), informierte Freunde und meine Familie, die sich mit mir gefreut und alle Daumen gedrückt hatten und war froh, als meine Eltern bei mir eintrafen.

Noch am Abend entschied ich mich für die OP, die am nächsten Vormittag stattfand. 24 Stunden nach der Nachricht, dass das Herz meiner Tochter aufgehört hatte zu schlagen.

Du hast im Februar bereits ein Kind verloren. Hast du dich dieses Mal überhaupt getraut, dich über die Schwangerschaft zu freuen oder wie belastet hast Du die letzten Wochen erlebt?

Zu Beginn der Schwangerschaft fiel es mir in der Tat sehr schwer, die Freude zuzulassen. Zu groß war meine Angst, dass wieder etwas passieren würde. Gleichzeitig fühlte ich mich genau deshalb schlecht und machte mir Vorwürfe. Doch nach dem ersten Herzschlag, war es vorbei mit meiner Schutzmauer. Und ganz ehrlich: Ich konnte die Freude vielleicht verstecken, aber dennoch steckte sie ja in mir. Und sie wuchs von Tag zu Tag. Und ich wurde peu a peu zuversichtlicher.

Freunde, die von der Nachricht bereits wussten, freuten sich so sehr mit mir, dass auch meine Freude immer mehr zum Vorschein kam. Der Gedanke, bald zu Zweit zu sein wurde immer realer, erste Pläne schossen durch den Kopf, die gesetzliche Vormundschaft war für den Fall der Fälle geregelt, eine Hebamme gefunden und der Patenonkel hatte auf meine Frage, ob er die Patenschaft übernehmen mag, umgehend „ja“ gesagt.

Tatsächlich war ich bis zur letzten Autofahrt gen Ärztin positiv gestimmt. Und endlich kamen die Gefühle, die ich bei der ersten Schwangerschaft erlebt und in der zweiten so vermisst hatte: ein großer Stolz auf das kleine Wesen in meinem Bauch, Vorfreude auf die gemeinsame Zeit und die Zuversicht, dass mich so schnell nichts umhauen könnte.

Was hat Dir nach deiner ersten Fehlgeburt Kraft gegeben und was hast du getan, wenn die Trauer dich übermannt hat?

Ich hatte das große Glück, nach meiner ersten Fehlgeburt ein paar Tage frei zu haben. Ich hatte aufgrund meines bevorstehenden Geburtstages der Tradition halber schon im Vorfeld ein paar Tage am Meer mit Freunden und Familie gebucht.

Die kurze Auszeit, die Unterstützung meiner Lieben, aber vor allem der offene Umgang damit haben mir sehr geholfen. Denn dadurch habe ich von vielen anderen erfahren, dass sie ähnliches durchgemacht hatten und wie sie damit umgegangen sind. Und: Dass es okay war, wie ich mich fühlte und was ich dachte.

Wer oder was hat dir noch geholfen?

Auch meine Ärztin, die mir zur Seite stand, war eine große Hilfe. Da damals nicht klar war, ob es eine Eileiterschwangerschaft ist, hatte ich mich dafür entschieden, der Natur zu vertrauen, die Schwangerschaft final zu beenden. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass meine Werte Achterbahn fahren würden und es mehrere Wochen dauern sollte, bis die Blutung einsetzte und mit dem Rückgang der Werte auch die Schwangerschaft offiziell zu Ende war.

Die Zeit war ein reiner Nervenkrieg, so dass ich anfing, mich relativ schnell abzulenken. Zu laut waren die Gedanken, wie lange es dauern würde, bis ich Abschied nehmen könnte, ob es im Fall einer Eileiterschwangerschaft für mich gefährlich werden würde, ob ich etwas falsch gemacht hatte, wie schmerzhaft der Moment des Endes sein würde. Körperlich und psychisch.

Wie bist du mit der Trauer umgegangen?

Ich habe versucht, die Trauer nicht zuzulassen, damit sie mich eben nicht, wie in den ersten Tagen, weiter übermannt. Ich hab mich mit Arbeit abgelenkt, so gut es ging. Und meine Trauer nach einer Weile für mich behalten. Ein Weg, den ich im Nachhinein nur bedingt empfehlen kann und dieses Mal versuche, anders anzugehen. Die Traurigkeit zuzulassen, Tränen freien Lauf zu lassen und sich Zeit zu geben …

Mit Freunden zu sprechen, Hilfe anzunehmen, Austausch mit Frauen, aber auch Männern, die das Gleiche erlebt haben, Sport, und das zu tun, was einem gut tut – all das in einem guten Mix mit Ablenkung hilft, um die traumatische Erfahrung zu verarbeiten. Doch das war und ist wahnsinnig schwer.

Gerade als Selbständige in Projekthochphasen, ist es schwer, sich ausreichend Zeit zu nehmen und bewusst mit dem Verlust auseinanderzusetzen oder Umarmungen von Freuden zuzulassen oder einzufordern, da eben kein Partner zuhause ist, der die Trauer mit dir teilt.

Was hilft Dir gerade durch die Trauer?

Was mir in diesem Fall geholfen hat, ist die OP. So sehr ich am Anfang davor Angst hatte, dass es sich anfühlt, als würde man mir mein Kind „rausreißen“ und auch, als würde ich selbst das Ende bestimmen, so sehr fühlte ich in all der Traurigkeit auch eine Art Erleichterung.

Weil ich schneller Abschied nehmen konnte als beim ersten Mal. Weil ich nicht wochenlang ein totes Lebewesen in mir trug. Weil ich mich neben der Trauer nicht auch noch mit der Angst auseinandersetzen musste, ob gesundheitlich für mich alles gut geht oder es gar zu Komplikationen kommen würde, die eine Erfüllung meines Kinderwunsches zunichte machen könnten.

Und weil ich das "Glück" habe, eine Antwort auf mein „Warum?“ zu haben. Meine Tochter hatte eine Trisomie, die dazu führt, dass sie die Schwangerschaft definitiv nicht überlebt hätte. Der Herzstillstand hätte also auch noch viel später kommen können.

Du hast dir nach deiner zweiten Fehlgeburt ein Tattoo stechen lassen…

Ja, das keltische Symbol für Mutter und Kind, verbunden mit einem Punkt in der Körpermitte für mein erstes Kind und den Originalherzschlag seiner/ihrer kleinen Schwester. Beide fest in meinen Armen. Verbunden durch das Zeichen der Unendlichkeit und zwei Vögeln, die frei sind und fliegen. Gemeinsam. Auf dass sie zusammen als Geschwister die Welt erobern. Wo auch immer sie nun sind.

Dadurch sind die beiden nun für immer sichtbar unter meiner Haut – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Zeichen für mich, dass sie fest zu meinem Leben gehören. Ein Zeichen und Narben, zu denen ich stehe. Mein Blick geht mit jedem Tag mehr in Richtung der Vögel und damit zu dem Gedanken, dass meine Kids nun irgendwo anders sind und dort zusammen jede Menge Unfug treiben. Wie es Geschwister eben tun. Und genau dieser Gedanke lässt mich lächeln. Mal mit, mal ohne Tränen.

Du hast momentan keinen Partner, daher hast du dich entschieden, deinen Kinderwunsch alleine zu verwirklichen. Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Die meisten kennen meinen Kinderwunsch, der seit über 15 Jahren immer lauter wird. Irgendwann kommt der Moment, in dem eine Frau entscheiden muss, ob sie ohne Kinder leben möchte und welchen Preis sie bereit ist im Zweifel dafür zu bezahlen.

Einige in meinem Umfeld können die Entscheidung verstehen und finden es mutig. Manche finden es großartig, dass ich so für meinen Traum kämpfe und auch ungewöhnliche und sicherlich auch steinige Wege dafür in Kauf nehme. Andere empfinden es als nicht umsetzbar, von Beginn an alleinerziehend und dazu noch selbständig (und auch gesundheitlich nicht immer fit) zu sein.

Manche können nicht verstehen, warum ich nicht noch warte oder finden es egoistisch, alleine ein Kind auf die Welt zu bringen. Wiederum andere machen sich Sorgen, ob ich all das wuppe. Und dann gibt es noch diejenigen, die mich fragen, warum ich nicht „einfach“ – ooops – schwanger werde.

Was für mich von Bedeutung ist: Diejenigen, die mir am Herzen liegen, unterstützen mich. Unabhängig davon, ob sie die Entscheidung nachvollziehen können oder nicht. Und ich weiß, sie wären auch bedingungslos für mein Kind/meine Kinder da. Und das ist alles, was zählt.

Welche Möglichkeiten gibt es für Frauen, die alleine sind, schwanger zu werden?  

Wie in fast allen Lebenslagen führen auch beim Kinderwunsch viele Wege nach Rom. Welcher Weg der richtige ist, ist sehr individuell und sicherlich keine „mal eben so“ getroffene Entscheidung. Ich habe über alle Optionen nachgedacht, mich informiert und verschiedene Beratungsangebote in Anspruch genommen.

Ich hab die unterschiedlichsten Wege für mich durchgespielt und immer wieder überdacht. Über mehrere Jahre. Denn klar ist: Plan A war ein anderer. Und klar ist auch: Diesen Plan zu verändern, braucht sehr viel Zeit. Welcher Weg für mich persönlich ausschied, war der, ohne Zustimmung des Vaters „einfach so“ schwanger zu werden.

Welche Überlegungen gab es noch?

Die Option, mich als Pflegemutter einzusetzen, kam für mich aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Es gibt die Möglichkeit, sich für eine Adoption zu bewerben. Die Chancen dafür sind als Single in meinem Alter nicht sehr groß, aber möglich. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe eines Spenders schwanger zu werden. Ob anonym oder mit der Möglichkeit für das Kind, den Vater nach 16 Jahren kennenzulernen. Unter bestimmten Voraussetzungen auch früher.

Wählt man den Weg über eine Samenbank erhalten Frauen vorab zahlreiche Informationen über den potenziellen Vater, die je nach Bank variieren: Abseits gesundheitlicher Daten des Spenders und seiner Familie, gibt es einen handschriftlichen Brief des Spenders, ein Interview als Audio-Datei, die Beschreibung der äußeren Erscheinung, ein Baby- oder Kinderbild, eine Charakteranalyse, Angaben über Hobbys, Einstellungen, Zukunftspläne…

Die Ausführlichkeit hat mich überrascht. Für die Frauen, denen es wichtig ist, den Vater persönlich zu kennen, gibt es das Modell des Co-Parentings. Also gemeinsam mit dem Papa das Kind großzuziehen, ohne dass Vater und Mutter ein Paar sind.

Egal ob Adoption, Spende oder Co-Parenting – für jede Option gibt es unterschiedliche Beratungsstellen, Plattformen und Ärzte, die Frauen auf ihrem Weg unterstützen. Wichtig zu wissen ist sicherlich, dass sich die Möglichkeiten von Bundesland zu Bundesland oder von Arzt zu Arzt unterscheiden können.

Du bist beruflich sehr erfolgreich, hast eine eigene PR-Agentur, die viele Familienthemen betreut. Ist dieses berufliche Umfeld für dich nun besonders schwer?

Das ist tatsächlich sehr tagesformabhängig. Auf der einen Seite ist es hilfreich, weil die Themen Baby, Kind und Familie für mich seit Jahren beruflich zum Alltag dazu gehören. Es gibt aber auch Tage, an denen mir das besonders schwer fällt. Die gab es aber auch schon, als ich zwar noch nicht schwanger war, es aber gern gewesen wäre.

Jetzt kommen an diesen Tagen die Gedanken an den Verlust hinzu. An „guten schlechten“ Tagen schaffe ich es, die Gedanken ins Positive zu lenken und anstelle der Traurigkeit auch den Stolz und die Freude zuzulassen, die ich empfunden habe.

Du sprichst sehr offen über deinen Kinderwunsch und nun auch über die Fehlgeburten, weil du findest, dass Fehlgeburten immer noch ein Tabuthema sind. Warum reden so wenige Frauen darüber, wenn doch klar ist, dass so viele Frauen das Gleiche durchmachen?

Die Frage ist schwer zu beantworten. Denn ich kann definitiv nicht für andere Frauen sprechen. Es ist ein unglaublich persönliches Thema. Ein intimes Thema. Sicherlich spielt für einige Frauen auch der Gedanke eine Rolle, was beruflich passiert, wenn der Arbeitgeber von der konkreten Familienplanung erfährt.

Spricht man es einmal aus, können neugierige und lieb gemeinte Fragen von Freunden ungewollt schnell Druck erzeugen. Und zu noch mehr Trauer führen, wenn es wieder nicht geklappt hat. Es ist wie ein unausgesprochenes Gesetz, dass man darüber einfach nicht spricht. Und eines, das auch von den Medien zum Teil unterstützt wird. Schließlich spricht man in den ersten zwölf Wochen besser nicht über die Schwangerschaft – falls es schief geht.

Das ist aber nicht dein Weg…

Über das größte Glück der Welt nicht sprechen, weil es vielleicht nicht klappt? Und damit auch einen unglaublich großen Schmerz für sich behalten müssen? Es sind vielleicht auch die Schuldfragen, die man sich als Frau stellt. Und die Angst vor der Reaktion der anderen.

Es gibt viele Gedanken von Freunden und Bekannten, die unfassbar lieb gemeint und doch wie ein zusätzlicher Stich ins Herz sind und nicht selten noch mehr Selbstzweifel auslösen. Denn so sehr ich solche Sprüche auch ablehne: Eine Fehlgeburt und ihre in der Tat traumatische Auswirkung kann man tatsächlich erst verstehen, wenn man sie selbst erlebt hat. Ich kann mir vorstellen, dass viele Frauen auch deshalb schweigen. Oder man selbst fühlt sich befangen, weil man nicht möchte, dass sich das Gegenüber schlecht fühlt.

Hat deine Offenheit auch Schattenseiten?

Dass ich mich bewusst dafür entschieden habe, offen und sogar öffentlich damit umzugehen, heißt nicht, dass es mir leicht fällt. Gerade, weil ich als Single noch einmal mehr Angriffsfläche biete. So sehr meine engsten Freunde zu mir halten, es gibt auch Freunde, die mir sagten, dass sie unsicher seien, ob sie so offen damit umgehen würden. Und Freunde, die sich klar gegen eine Veröffentlichung meiner Erfahrungen aussprechen.

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob und wie offen ich damit umgehe. Auch beim zweiten Mal. Es ist wahrlich keine Erfahrung, die ich gern teile. Ich weiß aber, wie wertvoll es ist, zu hören, dass du mit deinen Gefühlen und Gedanken eben nicht alleine bist. Dass es für viele Frauen ein traumatisches Erlebnis ist.

Wünscht du dir da ein Umdenken?

Ich wünsche mir, dass Fehlgeburten eben kein Tabu mehr sind. Dass keine Frau mehr Angst haben muss, ihre Gedanken offen zu äußern und dass sie sich vor allem mit ihrer Trauer nicht verstecken muss. Und dass sich jeder sehr gut überlegt, wem er die Frage stellt: „Bist du schwanger?“

Für mich war die Veröffentlichung auch eine Art Befreiungsschlag. Durch meinen Job werde ich seit Jahren sehr häufig gefragt, ob ich Kinder habe. Durch Lebensmittelunverträglichkeiten und meine im Bereich der kulinarischen Genüsse leider nicht vorhandene Disziplin, habe ich oft einen angeschwollenen Bauch. Auch der lässt viele eine Schwangerschaft vermuten. Ein wunder Punkt, gerade bei Kinderwunsch oder kurz nach der Fehlgeburt. Daher ist es mein großer Wunsch neben der Enttabuisierung, dass wir uns bewusst darüber werden, wen wir fragen …

Gibt es für dich persönlich eine Grenze, wann du mit dem Kinderwunsch abschließen willst, wenn es nicht klappt?

Puh, das ist eine wahrlich schwere Frage. Eine Frage, die mir auch von Beratungsstellen im Vorfeld gestellt wurde und auf die ich aktuell noch keine konkrete Antwort habe. Klar ist, dass es eines Tages zu spät sein wird und klar ist auch, dass die beiden Verluste ein großes Stück Leichtigkeit genommen haben. Doch seit ich denken kann, kann ich mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen.

Solange ich die Kraft habe und daran glaube, eine gute Mutter sein zu können und vor allem solange meine Gesundheit es zulässt und Ärzte mir Mut zusprechen, noch nicht aufzugeben, solange werde ich an meinem Traum festhalten.

Gleichzeitig versuche ich, den Druck bewusst rauszunehmen und die Frage hinten anzustellen. Die Fehlgeburten haben ziemliche Narben hinterlassen. Sie haben Zweifel hervorgebracht und meine Angst vergrößert, dass es nicht klappen wird. Nun müssen sich mein Körper, aber auch mein Herz erst einmal erholen. Dann erst werde ich mir die Frage stellen, ob und wann ich einen neuen Versuch wage, oder ob ich wirklich bereit bin, meinen größten Traum aufzugeben.

Foto: Melanie Leisten, Rainer Jensen

 


20 comments

  1. #DANKE
    Heute mag ich danke sagen. Euch, liebe StadtLandMamas, für das Interview und damit den Anstoß, über das Thema zu sprechen. Und ein großes Dankeschön an eure Leser! Danke für eure Kommentare, eure lieben Worte und Erfahrungen. Danke, fürs darüber reden! Ich bin immer wieder erschrocken, wie viele Frauen sehr ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Und es ist erschreckend und gleichzeitig „erleichternd“, dass die eigenen Gedanken „normal“ sind. Dass die Trauer okay ist. Dass es eine Weile braucht, all das zu verarbeiten. In vier Wochen wäre der Geburtstermin meines ersten Kindes. Ein erneuter Stich ins Herz. Umso schöner zu wissen, dass es Menschen gibt, die nicht darüber schweigen, sondern aus der Tabuzone treten. Danke! >3

  2. Das könnte auch meine
    Das könnte auch meine Geschichte sein. Single, zwei Fehlgeburten. Nur dass bei mir nach der zweiten Fehlgeburt und einer leider verpfuschten Ausschabung und einer Woche Krankenhaus klar war: IVF ist der einzige Weg. Meine Ärztin war ehrlich genug, zu sagen, dass bei meiner Vorgeschichte trotz meines noch gar nicht so hohen Alters die Chancen gerade mal 10% waren. Nach Trauerphase bin ich dann den für viele so bösen Weg der Eizellspende gegangen. Ich habe nun eine vierjährige Tochter und es wird in wenigen Monaten ein Geschwisterchen folgen. Auch Ihnen das Beste für Ihren Weg!

    1. Alles Liebe
      Das klingt nach einem schweren Weg. Umso mehr danke ich dir für deine Offenheit. Gerade als Singlefrau. Ich freu mich sehr, dass bald ein Geschwisterchen folgt und wünsche euch nur das Beste! Danke fürs Teilen deiner Erfahrungen, die zeigen, was für eine starke Frau du bist!

  3. Hoffnung
    Eine Freundin hat mal zu mir gesagt: „Gib niemals einen Traum auf, wenn du jeden Tag daran denken musst!“ Leider hatte ich in 4 Jahren Kinderwunschbehandlung 3 Fehlgeburten, eine späte mit stiller Geburt. Ich kenne den Schmerz, ich weiß wie sehr jede neuangekündigte Schwangerschaft im Freundeskreis weh tut, ich weiß wie hoffnungslos sich manche Tage anfühlen… ich habe mich aber immer wieder aufgerafft und von meinen Freunden und meiner Familie ermutigen lassen weiter zu machen… zum Glück, denn jetzt habe ich zwei wunderbare Kinder und alles fühlt sich nur noch wie ein böser Traum an…. außer ich lese oder höre so etwas von anderen Frauen… dann leide ich wieder ein bisschen mit. Wenn es dein größter Wunsch ist kämpfe weiter und gib nicht auf!

    1. Deine Freundin …
      … hat Recht. Es tut mir leid, was du durchmachen musstest. Und ich freue mich umso mehr, dass du nicht aufgegeben hast! Für dich und euch! Und weil so schöne Nachrichten wie deine und die der anderen Kommentare Mut machen, weiter für meinen Traum zu kämpfen. Danke.

  4. Liebe Tomma…
    …ich habe Dein Interview gelesen und eine Gänsehaut bekommen, da Du im Prinzip meine Geschichte erlebt hast. Ich hatte zwei Fehlgeburten, in relativ kurzem Zeitraum hintereinander und auch ich hatte bei der zweiten Schwangerschaft so unendliche Angst, dass ich das Kind wieder verlieren könnte und konnte mich erst ein bisschen freuen, als ich den Herzschlag auf dem Ultraschall gesehen hatte, da wir bei der ersten SS nie so weit gekommen waren und meine Ärztin mir sagte, dass das ein sehr gutes Zeichen sei. Bei der nächsten Kontrolluntersuchung dann jedoch der Schock: Kein Herzschlag mehr zu sehen und eine Welt brach für mich zusammen. Auch ich entschied mich für eine OP, da meine erste SS nach der Fehlgeburt einen ziemlich dramatischen Verlauf genommen hatte. Den wollte ich auf keinen Fall wieder riskieren. Nach der OP fühlte ich jedoch nur noch Leere, unendliche Trauer und noch größere Zweifel, ob ich denn überhaupt noch ein Kind bekommen und v.a. austragen würde können. (Wir ließen das zweite Kind untersuchen. Es stellte sich heraus, dass eine Triploidie, also ein dreifacher Chromosomensatz vorlag. Unser Sohn wäre nie lebensfähig gewesen..)
    Was mir damals sehr geholfen hat, war das Gespräch mit meiner Hebamme, die sich später meiner angenommen hat. Ich weiß nicht, ob es Dir genauso hilft, wie mir aber ich möchte Dir unbedingt weitergeben, was SIE mir gesagt hat zum Thema Fehlgeburt: Sie meinte zu mir, dass Frau sich ihren Körper wie als Haus vorstellen solle. Man „richtet das Haus“ her, um einen Gast zu empfangen, trinkt z.B. keinen Alkohol, macht Sport, ernährt sich gesund etc…und dann ist es so weit, der „Gast“ zieht ein. Man freut sich sehr darüber, hat aber nicht in der Hand, ob der Gast bleiben will oder früher geht, als man sich ursprünglich evtl. darauf eingestellt hatte. Und wenn dem so sei, dass der Gast wieder geht, so soll man sich dessen gewiss sein, dass es für ihn (noch) nicht an der Zeit war, um auf die Welt zu kommen, da es u.U. wichtig für diese Kinder sei, zeitgleich mit anderen Menschen auf die Welt zu kommen, um in deren Leben etwas bewirken zu können/Einfluss zu nehmen und im Gegenzug auch etwas von diesen „Altersgenossen“ zu empfangen.
    Ich weiß, dass das etwas esoterisch klingt aber mich hat der Gedanke sehr getröstet, dass es noch nicht die Zeit für meine Kinder war, geboren zu werden und dass ich den Grund dafür zwar nie erfahren würde, ich aber dankbar war, dass sie da waren und ich eine Zeit lang mit ihnen sein durfte.

    Liebe Tomma, ich bin mittlerweile Mama von zwei wunderbaren Söhnen, die recht dicht aufeinander nach ca. einem Jahr (der erste natürlich..) nach der zweiten FG geboren wurden. Ich möchte Dir unbedingt Mut zusprechen, an deinem Traum fest zu halten, denn Dein Körper KANN Kinder bekommen und ich wünsche Dir von Herzen, dass Du die dunklen Stunden der Trauer irgendwann hinter Dir lassen kannst, denn das wird so kommen, das versichere ich Dir. Der Schmerz wird weniger werden, ich rede aus eigener Erfahrung! Meine beiden ersten Kinder waren da, sie werden immer ein Teil von mir sein und ich bin dankbar, dass ich ihre Mutter sein durfte, wenn auch nur für kurze Zeit. Ich bin mir sicher, dass Du Deinen Weg gehen wirst und ich wünsche Dir so sehr, dass Du das Geschenkt erhältst, „guter Hoffnung“ im wahrsten Sinne sein zu dürfen.
    Alles Liebe für Dich
    Barbara

    1. Dankbar
      Danke für deine Offenheit. Wahnsinn, wie sehr sich unsere Erfahrungen ähneln. Ich danke dir sehr für den Mutzuspruch. Esoterisch hin oder her – ich denke ähnlich wie deine Hebamme. Die Trauer ist deshalb nicht kleiner. Und dich bin ich mir sicher, all das wird seine Gründe haben. Euch nur das Beste!

  5. Mut
    Liebe Tomma, danke für das tolle Interview und deine Offenheit. Mir ging es vor 2,5 Jahren genau wie Dir. Der Herzschlag gibt einem soviel Sicherheit das man sich natürlich einfach freut. Das Loch das sich nach dem Verlust bei mir auftat war riesig.
    Weil ich meine Trauer schon nach kurzer Zeit nicht mehr so raushängen lassen wollte habe ich sie ebenfalls vor mir hergeschoben und nur in besonderen und einsamen Momenten zugelassen. 1,5 Jahre hat es gedauert bis ich mich getraut hab wieder an ein Baby zu denken. Und jetzt liegt die kleine Wutz hier neben mir und schlummert und macht mich glücklich. Das wünsche ich dir von ganzen Herzen auch. Bleibt dran und bleib zuversichtlich. Liebe Grüße, Lisa

    1. #DANKE
      Danke für deine Zeilen. Und was für schöne Nachrichten bei dir! Ja, mir geht es ähnlich. Auch wenn ich öffentlich darüber gesprochen habe. Die Trauer zuzulassen ist noch immer sehr schwer. Für Außenstehende ist es nach kurzer Zeit kein Thema mehr. Dass es leider sehr lange dauert, bis der Schmerz weniger wird, das ist sicherlich schwer zu verstehen. Umso mehr danke ich dir für deine Nachricht.

  6. Einfach nur wow bei so viel Offenheit!
    Ich bewundere dich und war zu Tränen gerührt als ich deine Geschichte lesen durfte! Von ♥️ wünsche ich Dir starke Frau, die ganz offen, ehrlich & unverblümt mit diesem Thema umgeht, ein Ende, welches für dich in deinem Leben in Ordnung ist. Ich wünsche dir viel Kraft bei dem Erholen deines Herzes & deines Körpers! Danke für den tiefen Einblick in deine Welt!
    Wünsche dir alles Glück der Welt!

    1. Ich danke dir …
      … für die lieben Worte. Ich freu mich sehr über jede Rückmeldung, weil es ein Zeichen ist, dass wir endlich über das Thema Fehlgeburt sprechen. Vor allem aber tut es natürlich gut, Zuspruch wie deinen zu lesen. Danke! Und alles Liebe für dich.

  7. Du bist eine beeindruckende und wundervolle Frau!
    Deine Geschichte hat mich zu Tränen gerührt! Du bist eine starke und sehr beeindruckende Frau! Mit deiner Geschichte hilfst du anderen Frauen und schärfst das Bewusstsein für Dinge wie Dankbarkeit. Ich hoffe du gibst deinen Traum nie auf. Du wärst eine großartige Mutter, dessen bin ich mir sicher.
    Alles Liebe für dich!

    1. Wow!
      Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten kann. Ich bin ein wenig sprachlos bei solch einem Kommentar. #danke. Von Herzen. Es freut mich wirklich sehr, wenn auch nur eine andere dadurch offener sein kann.

  8. Alles hat einen Sinn!
    Früher dachte ich nur bullshit wenn mir jemand nach einem Schicksalsschlag sagte :alles hat einen Sinn.

    Mittlerweile sehe ich es aber genau so!
    Nach zwei Sternenkinder wurden wir von unseren Zwillingen überrascht! Wir wollten eine Pause und nicht mehr über das Thema nachdenken… Und auf einmal waren sie da ❤️ ich wünsche dir auch dein happy end und hoffe du hast ganz bald dein Glück im Arm ❤️

    1. Danke dir …
      für deine lieben Worte. Ich glaube fest daran, dass am Ende alles zu etwas führt. Ob es Sinn ergibt, da bin ich mir bei manchen Schicksalsschlägen anderer Menschen nicht sicher. In meinem Fall hilft es sehr, den Grund zu kennen. So wird es verständlich und deutlich leichter zu akzeptieren. Und ja, somit hat es auch einen Sinn.

      Euch und den Zwillingen alles erdenklich Liebe!

  9. Danke
    für das tolle, aufrichtige Interview! Ich wünsche Dir ganz, ganz viel Kraft und Glück, dass Dein Kinderwunsch sich bald erfüllt! Ich finde es toll, wie offen Du mit dem Thema umgehst und finde es sehr wichtig, dass Fehlgeburten enttabuisiert werden. Danke für Deinen Mut!

    1. Danke, …
      …. für deinen lieben Kommentar, Sou. Und deine Wünsche. Wenn nur eine Frau sich nun mehr traut, dann war es das definitiv wert, sich aus der Komfortzone zu trauen. Danke.

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