Prof. Dr. Silvia Schneider: „Ein Viertel der Klein- und Vorschulkinder wurde durch den Lockdown ängstlicher und verhaltensauffälliger“

Ängstliches Kind

Foto: pixabay

Ihr Lieben, das war ein wirklich seltsames Jahr für uns alle, oder? Für uns, aber auch für die Kinder hat sich so viel verändert. Über Wochen keine Schule, keine Hobbys, kaum Freunde. Und ein neuer Lockdown steht ja praktisch schon vor der Tür…. Wir Eltern haben alle in dieser Zeit unser Bestes gegeben, um die Kinder aufzufangen und ihnen Stabilität mitzugeben. Und dennoch: Spurlos geht 2020 an keinem vorbei. Wir haben mit der renommierten Kinderpsychologin Prof. Dr. Silvia Schneider genau darüber gesprochen. Vielen Dank für das tolle Interview!

Frau Prof. Dr. Silvia Schneider, Sie sind Kinderpsychologin und Leiterin der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie am Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit (FBZ) der Universität Bochum. Sie beschäftigen sich derzeit unter Hochdruck mit den Auswirkungen von Corona auf Kinder und Jugendliche. Können Sie sagen, wie es ihnen geht?

Die Kinder sind natürlich auch von den Umständen rund um Corona betroffen. Eine Studie, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Sabine Seehagen an der Ruhr-Universität durchgeführt habe, zeigt, dass schon die ganz Kleinen von den Corona-Maßnahmen betroffen sind.

Wir haben in einer Online-Studie die Befindlichkeit von Kind und Eltern während des ersten Lockdowns erhoben. Hier zeigte sich, dass laut Bericht der Mütter etwa ein Viertel der Klein- und Vorschulkinder als ängstlicher und verhaltensauffälliger erlebt wurde. Interessant daran ist jedoch, dass sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Befindlichkeit der Eltern und der Kinder zeigte. Dies kennen wir auch aus anderen Studien und zeigt, wie sehr elterliche Stimmung und Stimmung von Kindern zusammenhängen.

Sie vermuten für dieses Jahr leider auch einen Anstieg von physischer wie psychischer Gewalt gegen Kinder und psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche. Wie kommen Sie darauf und was schlussfolgern Sie hieraus? 

Hierzu liegen Berichte aus China und auch Australien vor. Demnach scheint es insbesondere bei länger anhaltenden Quarantänezeiten zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt zu kommen. Fakt ist jedoch, dass die Zahlen aus Deutschland noch keinen Anstieg von Gewalt abbilden lassen. Das ist natürlich sehr beruhigend. Gleichzeitig sollten wir jedoch vorsichtig und darauf vorbereitet sein, dass mit zunehmend längerer Zeit, in der wir nur eingeschränkt soziale Kontakte haben können, es doch zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt bei Kindern kommen kann.

Um Eltern und Kindern besser durch die schwierigen Corona-Zeiten zu helfen sind Sie derzeit dabei, das Projekt „Familien unter Druck“ an den Start zu bringen. Worum geht es dabei genau?

Wir möchten den Eltern kurz und knapp alltagsnahe Hilfestellungen für schwierige Situationen mit Kindern geben. Insbesondere in Zeiten, in denen sich unsere Kinder nur eingeschränkt bewegen und im Austausch mit anderen Kindern sein können. Unsere Hilfsangebote basieren auf langjährigen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu positivem elterlichem Erziehungsverhalten.

Mit Ihrem Projekt möchten Sie also Eltern Hilfe geben, sich und ihre Kinder zu stärken, um gemeinsam die schwierigen Zeiten zu meistern. Dafür haben Sie zusammen mit einigen KollegInnen eine Kooperation mit dem renommierten King’s College aus London an den Start gebracht – bei dem zwölf kurze Videos für Erziehungshilfen in der Krise entstanden sind. Erzählen Sie mal, worum es dabei geht.

Es geht letztendlich um klassische Situationen, in denen es zu Hause eskalieren kann. Die Kinder toben oder rasten aus und wir wissen nicht weiter. Wie kann ich Grenzen setzen und mein Kind dabei unterstützen, positives Verhalten zu zeigen? Aber es geht auch darum zu zeigen was ich tun kann, wenn mein Kind ängstlich ist oder schlechte Gefühle hat.  

Ziel ist es, mit dem Projekt möglichst viele Familien aus unterschiedlichen Milieus zu erreichen. Kooperationspartner für die Kampagne ist das Deutsche Kinderhilfswerk

Welche prominenten SprecherInnen konnten Sie für das Projekt gewinnen?

Wir haben tolle prominente Sprecher:innen und Eltern aus unterschiedlichsten Bereichen gewinnen können wie z.B. Ralph Caspers, Collies Ulmen Fernandez, Klaas Heufer-Umlauf, Oana Nechiti, Jörg Pilawa und viele andere. Ich finde es toll, dass sie alle spontan zugesagt haben und dieses Projekt unentgeltlich unterstützen!

Welchen Wunsch verbinden Sie mit den Videos, die ohnline gestellt wurden?

Wir wünschen uns sehr, dass wir gestressten Eltern alltagsnahe Tipps geben können, damit sie diese anspruchsvolle und für uns alle herausfordernde Corona-Zeit bewältigen können. 

Was wünschen Sie Familien in Zeiten der Krise ganz besonders?

Ich wünsche allen Familien, dass sie gestärkt aus dieser schwierigen Phase rauskommen. Denn in jeder Krise steckt auch eine Chance! Und liebe Eltern traut Euren Kindern was zu!

Mehr Infos unter: https://www.familienunterdruck.de


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