Man wächst mit seinen Aufgaben! Über die steile Lernkurve mit Kindern

An dem Tag, an dem wir mit unserer ersten Tochter aus dem Krankenhaus entlassen werden sollten, war ich kurz davor, mich am Bett festzukrallen. Ich wollte nicht gehen, ich wollte nicht aus meiner geschützten Wochenbett-Stations-Blase nach Hause. Wieso dachten eigentlich alle um uns herum, dass wir für dieses Baby sorgen könnten? Nie zuvor waren wir für ein kleines Wesen veranwtortlich gewesen. Was, wenn wir das zuHause nicht packen? Was, wenn wir nicht verstehen, was dieses Baby von uns will? 

Ein paar Wochen später konnte ich über meine Gedanken von damals nur noch lächeln. Natürlich hatten wir uns zu Hause eingegroovt, natürlich hatten wir Schritt für Schritt heraus gefunden, was unser Baby wollte und brauchte. Wir waren in unsere neue Aufgabe reingewachsen. Wir waren nicht perfekt, aber wir kriegten es hin, dass alle den Tag überlebten und dabei sogar noch glücklich waren – das war doch schon mal ein riesen Erfolg. 

Kurz vor der Geburt meines zweiten Kindes dann wieder diese Gedanken? Wie soll ich ein Baby stillen und gleichzeitig für ein Kleinkind da sein? Wie soll ich beide Kinder ins Bett bringen? Wie soll ich meine Tochter aus der Kita abholen, wenn diese Uhrzeit voll den Schlaf des Babys reinfällt. Und wer hatte überhaupt diese absurde Idee, ein zweites Kind zu bekommen – gerade jetzt, wo mit dem ersten alles so prima läuft? 

Ein paar Wochen später war ich zwar unheimlich müde und auch oft an meiner Grenze – aber ich merkte: Das geht alles irgendwie. Ich kann das Baby stillen und gleichzeitig dem Kleinkind vorlesen. Die Große kriegt keinen Schaden davon, wenn sie Ipad gucken darf, während ich das Baby ins Bett bringe. Wir hatten uns wieder eingegroovt, wir waren wieder nicht perfekt – aber wir überlebten und waren dabei ganz schön happy. 

Bei Kind Nummer 3 war es dann wieder ganz ähnlich. DREI Kinder? Wie sollen wir die alle groß kriegen, wie sollen wir denen allen gerecht werden? Wie schaffe ich, den Flötenunterricht mit den Stillzeiten zu kombinieren? Wie soll ich mit drei Kindern je wieder arbeiten? Wie soll ich die Krankheitswellen überstehen? Wie sollen wir bei drei Kindern noch Paarzeit haben? Wie soll das bitte alles gehen?

Ein paar Wochen später war ich zwar wieder unheimlich müde, ich habe auch manchmal geheult, aber auch diesmal klappte es irgendwie. Und zwar nicht, weil ich Superkräfte habe oder eine Horde Nannys – nein, weil wir uns gemeinsam durchwurschelten, ich ab und zu Hilfe von Freunden annahm und mir selbst die Erlaubnis gab, dass 80 Prozent auch oft reichen. Ich machte Abstriche, improvisierte, stellte meine Bedürfnisse eine Weile lang hinten an – um dann ganz bewusst Auszeiten einzufordern. 

Auf das Leben mit einem Kind und eventuell auch mit mehreren kann einen keiner vorbereiten. Es gibt keinen Masterplan, kein Rezept, wie es funktioniert (Wenn ich es hätte, würde ich es teuer vermarkten und würde mit meiner Family in Südfrankreich leben.) Ich glaube, man muss sich einfach nur Zeit geben, in seine neuen Aufgaben reinzuwachsen. Es muss nicht von Anfang an perfekt laufen, auch später nicht – weil wir alle nicht perfekt sind. 

Was anfangs noch unlösbar erschien, wird irgendwann machbar – weil wir Routine darin bekommen und weil wir uns alle zurück ruckeln. Man wächst mit seinen Aufgaben – ich finde, der Spruch passt so gut. Ich wuppe jeden Tag mehr als ich kurz nach der Geburt meiner ersten Tochter dachte, dass ich wuppen könnte. Klar, einiges geht schief. Manchmal sogar viel. Dann müssen wir uns schütteln und das abhaken – meist ist es nämlich kein Weltuntergang. Und das nächste Mal versuchen wir es eben nochmal. 

Warum ich diesen Text schreibe? Weil um mich herum bald einige Geburten anstehen und die Mamas ängstlich sind, ob sie das alles schaffen. Denen möchte ich sagen: Du musst gar nicht alles schaffen. Und vorallem nicht von Anfang an. Jeden Tag ein kleines Stückchen ist schon toll – vertrau auf Dich und es wird schon werden. Morgen ist ein neuer Tag. Was heute nicht klappt, klappt vielleicht morgen. Oder übermorgen. Stress dich nicht. Du bist die beste Mutter für dein Kind! 

 

Foto: Leni Moretti 


1 comment

  1. Toll geschrieben
    Liebe Katharina,
    Danke für den tollen Text! So ist es. Ich miss gestehen, ich hatte die sorgen nur zum Teil vor der Geburt des kleinen. Ich hoffte einfach, es geht schon irgendwie und ich habe immer die Sicherheit Großeltern – einmal im Haus, einmal 2km entfernt mit Rentner-Opas. Das ist also ein ziemlicher Luxus. Dennoch ist es oft anstrengend und morgens im Kindergarten sind wir auch mal nach 9 Uhr. Aber es geht – wir geben eben nicht 100% und hetzen nicht der Uhr hinter her.

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