Interview zum Thema Frühchen: Unser viertes Kind wog bei seiner Geburt 755 Gramm

Liebe Katharina, erzähl doch erstmal, wer alles zu Deiner Familie gehört. 

Also zu uns gehören mein Mann Mario (33),  ich (31), unsere gemeinsamen Kinder Lena (9), Elias (6), Pauline (4),  der kleine Jonathan (6 Monate) und unser Hund Aleksa (12) 

Euer viertes Kind Jonathan ist ein Frühchen. 

Genau. Jonathan kam in der 29. Schwangerschaftswoche, genau 28+2, zur Welt – mit einem Gewicht von 755g und einer Größe von 33,5cm. 

Wie war die Schwangerschaft verlaufen, gab es Anzeichen für eine Frühgeburt?

Diese Schwangerschaft war eigentlich komplett anders als meine anderen Schwangerschaften. Ich hatte davor nie Probleme, die zwei Mittleren sind sogar zu Hause geboren. In der vierten Schwangerscchaft hatte ich bereits in der 6. Woche Probleme. Ich hatte Blutungen aufgrund eines Hämatoms und musste für eine Woche ins Krankenhaus. Zum Glück blieb unser Baby. Allerdings litt ich – wie bei den anderen Schwangerschaften auch – unter starker Übelkeit. Ich hatte wieder eine Hausgeburtshebamme und alles war zunächst wieder gut.

Ich habe mich auch diesmal wieder für ein Organscreening entschieden. Das war am 27.12.2017. Der Arzt war sehr einfühlsam und hat mich über 2 Stunden untersucht. Jonathan hatte einige Auffälligkeiten, unteranderem waren seine Röhrenknochen viel zu kurz. Der Arzt schickte mich weiter in ein Krankenhaus nach Wien. Dann nahmen die Untersuchungen ihren Lauf. Ich war plötzlich in einer Spirale der Pränataldiagnostik, es wurden ein Herzfehler und Auffälligkeiten der Plazenta und Nabelschnur festgestellt.

Es folgten Punktionen, MRTs und unzählige Ultraschalluntersuchungen. Zum Glück ergaben die Untersuchungen keinerlei Chromosomstörungen. Zu diesem Zeitpunkt gingen die  Ärzte  davon aus, dass mit der Plazenta etwas nicht stimmt und das die Ursache für Jonathans Probleme ist. Wöchentlich saß ich mehrere Stunden im Warteraum des Krankenhauses, um die Versorgung meines Kindes zu überprüfen. Er war schlecht versorgt und viel zu klein, aber noch ging es ihm einigermaßen gut. Ich bekam Blutverdünner und das schien zu helfen. Dennoch war uns klar, dass er zu früh auf die Welt kommen wird und mit Kaiserschnitt geholt werden muss. Daher haben wir auch schon unsere Kinder darauf vorbereitet, dass es diesmal anders laufen wird und haben uns darum gekümmert, wer in dieser Zeit die Betreeung der Großen übernehmen kann. 

Wie ging es dann weiter?

Plötzlich ging es mir nicht mehr gut. Ich hatte sehr viel Wasser und einen hohen Blutdruck.  Ich packte meine Tasche und fuhr ins Krankenhaus. Es wurden Untersuchungen gemacht und schnell war klar – es ist Präeklampsie. Ich wurde aufgenommen, bekam Medikamente – unter anderem die Lungenreife und wurde eng kontrolliert. Aber es wurde nicht besser, im Gegenteil. Ich bekam Oberbauchschmerzen, Herzrasen und hatte ein Flimmern vor den Augen. Mein Blutdruck war mittlerweile bei 220 / 120. Nachdem meine Werte immer schlechter wurden, haben sie Jonathan am 15.2 aufgrund des HELLP – Syndroms per Sectio geholt.

In welchem Zustand hast Du Deinen Sohn dann das erste Mal auf der Frühchen-Station gesehen?

Ich musste aufgrund meines Zustandes länger im Aufwachraum bleiben, aber man hat uns relativ schnell danach informiert, dass es Jonathan den Umständen entsprechend gut geht. Mein Mann konnte anschließend zu ihm und hat mir dann auch erste Bilder gezeigt. Als ich auf mein Zimmer durfte, fuhren sie mit mir an der Intensivstation vorbei und ich durfte Jonathan das erste Mal sehen, ja sogar halten. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Er atmete selbstständig mit einer Atemunterstützung mittels CPAP (Infant Flow) mit stets relativ wenig Sauerstoff.

Wie ging es Dir gefühlsmäßig?

Diee ersten Stunden war ich voller Freude, es gab so viele positive Nachrichten. Jonathan war schwerer, als alle angenommen hatten und atmete sehr gut. Ich kam dann auf mein Zimmer und begann sofort mit dem Abpumpen, weil ich auf jeden Fall stillen wollte. Am nächsten Tag dann der erste Schock. Jonathan hatte eine Infektion und bekam Antibiotika. Ich hatte große Angst um mein Kind. Am schlimmsten empfand ich diese Dauernervösität. Ein jeder Anruf, ein jedes Klingeln und seis nur das Piepsen der Tankanzeige im Auto, alles erinnerte mich an die piepsenden Geräte bei Jonathans Bett. Ich hatte ständig Angst schlechte Neuigkeiten zu erfahren oder einen Anruf von der Intensivstation zu bekommen. Diese Unsicherheit ist sehr belastend. Ich wollte hören, dass mein Kind über den Berg ist, doch stattdessen hörte ich immer wieder: „ jetzt geht es ihm gut, aber wies in einer Stunde ist, wissen wir nicht.“

Wie hat Jonathan sich entwickelt?

Die ersten drei Wochen gings steil Berg auf. Es ging ihm sogar so gut, dass er von der Intensivstation auf die IMC-Station (das ist die Normalstation ohne Intensivversorgung) gekommen ist.  Doch plötzlich ging es ihm sehr schlecht. Er wurde zurück auf die Intensivstation verlegt, intubiert und sediert. Jonathan hatte eine Nekrotisierende Enterokolitis (NEC, das ist eine entzündliche Erkrankung der Darmschleimhaut bei dem Gewebe absterben kann) und aufgrund dessen auch eine Sepsis, da sein Darm perforiert ist. Das heißt, er hatte drei Löcher im Darm, die vier Wochen später operativ entfernt wurden. Er musste insgesamt 13 Wochen im Krankenhaus bleiben, die letzten drei Wochen war ich mit ihm stationär aufgenommen, um das Stillen zu üben.  Bis auf diese Komplikation und der ein oder anderen Infektionen ging es ihm wirklich gut und er konnte ohne Sauerstoff und Monitor, jedoch mit Magensonde entlassen werden

Woraus hast Du in dieser Zeit Kraft geschöpft?

Ganz viel aus Gesprächen mit betroffenen Eltern und meiner besten Freundin. Ein wichtiger Aspekt war auch, dass die Betreuung unserer anderen Kinder selbstverständlich durch unsere Familie immer gewährleistet war. Aber vor allem haben mir meine Kinder immer wieder die Kraft gegeben, denn sie haben immer an ihren Bruder geglaubt und ihn sehnlichst erwartet. Und dann gab da immer diese besonderen Momente mit Jonathan. Ich weiß noch, als ich das erste Mal stillen durfte – da bin ich im Anschluss mit einem riesengroßen  Lächeln im Gesicht quer durchs Krankenhaus gelaufen, um mir zur Feier des Tages Schokolade zu gönnen. Denn so Sachen wie Essen oder Trinken bleiben in dieser Zeit fast komplett auf der Strecke. 

Wie habt Ihr als Paar diese schwere Zeit gemeistert?

Für  zwischenmenschliche Beziehung ist in dieser Zeit natürlich kaum Kraft und Zeit, aber auch wenns komisch klingt: Es hat uns sehr zusammen geschweißt. Der einzige Mensch, der genau weiß wie es mir ging, ist mein Mann.

Wie geht es Jonathan heute?

Es geht ihm sehr gut. Er entwickelt sich seinem korrigierten Alter entsprechend völlig in der Norm und verzaubert uns alle mit seinem Lächeln. Er ist ein sehr entspanntes, zufriedenes Baby. Wir machen aufgrund seiner Frühgeburt Physiotherapie und sein Gewicht ist immer unter genauer Beobachtung, da er recht schleppend zunimmt. Er wiegt gerade mal so viel wie mein mittlerer Sohn bei seiner Geburt, aber wir stillen mittlerweile voll und darauf bin ich sehr stolz.

Wie kann man Frühchen-Eltern als Außenstehender helfen?

Ich weiß, dass viele nicht wussten, wie sie mit uns umgehen sollen. Das ist ok und kann auch ruhig ausgesprochen werden. Freunde von mir sagten:  „Hey, ich hab keine Ahnung was ich sagen oder tun soll, ich hab keine Ahnung was du brauchst. Aber ich möchte Dir helfen“ Das war mir immer das Allerliebste.

Ach ja und bitte gratuliert den Eltern! Egal wie früh ein Baby geboren wird, unter welchen Umständen oder wie kritisch es um das Kind steht. Dieses Kind wurde trotzdem geboren, diese Menschen sind gerade Eltern geworden. Auch ein 500g Baby soll in dieser Welt Willkommen geheißen werden!

 

 


2 comments

  1. Ich kenne das auf und ab
    Ich war ungeplant schwanger mit Zwillingen. Es war eine an sich unkomplizierte ss, aber dann bekam ich morgens rückenschmerzen. In der 28. Woche (27+3) mit zwillingen bestimmt nicht ungewöhnlich, aber mein Gefühl sagte mir anderes. Also ab ins kh, von dort ins nächste kh und abends waren die beiden auf der welt.
    Darauf folgten viele aufs und abs, man kann sich kaum vorstellen, was der alltag auf einer frühchenstation für einen bedeutet.
    Stark, dass du davon berichtest!
    Und ja: es darf unbedingt gratuliert werden! Es sind unsere kinder und wir lieben sie, wir haben sie geboren! Nur eben früher als gedacht.
    Auch wenn man sätze hört wie: darf man die schon anfassen?
    Oder
    Sie sehen ja gar nicht aus wie richtige babys.
    Für mich waren sie meine babys, und sind es noch (obwohl sie bald 5 werden ;))

  2. Llebe Katharina, ich wünsche
    Llebe Katharina, ich wünsche dir und deiner Familie alles Liebe. Ich freue mich mit euch, dass es Jonathan geschafft hat und dass es ihm gut geht! Er lächelt soo schön:)

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