Frühchen: „Für uns war es ein Alptraum, unser Baby mitten in der Pandemie zu bekommen“

Frühchen

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Ihr Lieben, Sabrina, 37, bekam mitten in der Coronazeit ihr zweites Kind – und alles lief anders als erwartet. Ihren Rückblick aufs letzte Jahr bezeichnet sie gar als Alptraum.

Was ist passiert? Zusammen mit ihrem Mann, 39, und dem sechsjährigen gemeinsamen Sohn hatten sie sich auf das neue Baby gefreut. Sie hatten sich extra eine Entbindungsklinik ausgesucht, in der sie nach der Geburt in einem Familienzimmer genug Zeit und Ruhe gehabt hätten, das neue Familienmitglied kennenzulernen. Der Papa, der große Bruder, die Mama und das Baby. 

Mitten in der Pandemie kam die Tochter als Frühchen zur Welt

Doch dann kam das kleine Töchterchen am 13.7.2020 zehn Wochen zu früh zur Welt. Die Geburt war ein Notkaiserschnitt, der Papa durfte nicht mit in den OP. Sabrina erzählt: „Ich habe Milena im OP zum ersten Mal schreien gehört. Es war ein so schönes Gefühl!“ Doch dann sah sie nur noch, wie ihre Kleine an zig Kabel geschlossen und in den Inkubator gelegt wurde. „Sie war so zerbrechlich, so zierlich und klein“, erzählt die Mama.

Nach der Geburt durfte ihr Mann noch ganze 20 Minuten bei ihr bleiben, bis 1.21 Uhr, dann musste er gehen. Milena kam auf die Intensivstation. „Ich blieb allein zurück, in meinem Zimmer. Ohne mein Baby, ohne meine Familie.“ Sabrina kämpft. Hält durch. Für sich. Für ihre kleine Familie.

Der Papa durfte das Baby nur 45 Minuten pro Tag sehen

Jeden Tag durfte der Papa sie und ihre Kleine pandemiebedingt zwischen 14 und 18 Uhr nur für 45 Minuten besuchen. Erst am dritten Tag durften sie ihr Baby zum ersten Mal känguruen. Mit Maske, aber immerhin – mit Körperkontakt.

In den ganzen ersten acht Wochen durften sowohl Mama als auch Papa ihre kleine Tochter nur mit Maske sehen. Sabrina sagt: „Ich fühl mich da um die Zeit beraubt. Durch die Maske war ja kein Kuss möglich oder Ähnliches.“

Die Geschwister lernen sich erst 8 Wochen nach der Geburt kennen

Der große Bruder durfte seine kleine Schwester bis zur Entlassung nicht kennenlernen. „Er durfte sie nicht einmal für eine Minuten sehen, nicht einmal aus der Ferne. Uns blieb nur, ihm Fotos zu zeigen.“ Dabei hätte er sich doch immer so an alle Vorgaben gehalten mit Desinfektionsmittel, Abstand und Hände waschen. Es reichte nicht und so verpasste er die ersten zwei Monate im Leben seiner kleinen Schwester. Er hat gelitten. „Jeden Tag hat unser Sohn geweint, weil er Milena so gern einmal sehen wollte.“

Sabrina hat von anderen Kliniken gehört, in denen das Besuchsrecht etwas liberaler gehandhabt wurde. Hier habe hatte sie keine Chance, sagt sie. „Ich bin echt froh, dass unsere Tochter noch ein Baby ist und von all dem nichts mitbekommt.“

Happy End zu Hause: Die Familie ist vereint

Milenas Start ins Leben als Frühchen war schwer. Mittlerweile entwickelt sich die Kleine aber richtig gut. Die Familie konnte sich nach dem Krankenhausaufenthalt endlich kennenlernen und zusammenwachsen. „Wir sind froh, endlich komplett zu sein“, sagt Sabrina, „und der große Bruder liebt seine Schwester über alles.“ Vielleicht sogar noch etwas mehr, weil er sie erst so spät kennenlernen durfte. Die Sehnsucht in dieser Zeit war einfach zu groß.


5 comments

  1. Ich kann die Gedanken so gut nachvollziehen. Meine Kinder sind inzwischen 8 und 5, aber beide Frühchen. 1x 9 Wochen zu früh, 1×6 Wochen zu früh. Und wir hatten das Krankenhaus (es gibt bei uns zwei mit gleichwertiger Versorgung für Frühchen) für Kind 2 damals ausgewählt, weil eine Frühgeburt wahrscheinlich war und in dem gewählten Krankenhaus Geschwister jederzeit besuchen durften. Masken waren nicht erforderlich, nur bei einer Erkältung, Herpes o.ä.. Das ist also ohne Pandemie immer vom Krankenhaus abhängig. Und trotzdem haben wir uns entschieden, bei Kind 2 mit Monitorüberwachung früher nach Hause zu gehen, weil die Zeit im Krankenhaus allen so viel abverlangt hat. Bei Kind 1 war etwas leichter, weil man voll für das Frühchen da sein konnte und nicht wegen eines Geschwisterkindes zusätzlich zerrissen war. Insofern kann ich durchaus nachvollziehen, dass diese Situation in Coronazeiten furchtbar schwer ist. Es erfordert schon in normalen Zeiten unheimlich viel Kraft!Alles Gute daher für die Zeit zu Hause.

  2. Hallo,
    Ich habe lange überlegt, ob ich hier etwas schreiben soll. Ich möchte nicht, dass es falsch rüber kommt. Zunächst möchte ich euch zu deiner Kleiner gratulieren. Die Zeit, die ihr durchgemacht habt, ist sehr hart. Aber auch ohne Corona wäre es im Krankenhaus ähnlich verlaufen. Mein Kind kam lange vor Corona 16 Wochen zu früh auf die Welt und so schnell, dass der Vater nicht dabei war und sich um das Geschwisterkind kümmern musste. Nach 2 Tagen durfte ich unser Baby das erste mal sehen und nach 5 Tagen berühren. Vorher lies es der Gesundheitszustand nicht zu. Die Intensivstation durfte nur Einzeln und mit Mundschutz betreten werden, denn dort liegen viele extrem Infektgegährdete Babys. Vor Grippeviren und Multiresistenten Keimen hatten Alle soviel Angst wie vor dem Corona-Virus.Geschwisterkinder durften nur zu sterbenden Babys um sie ein Mal zu sehen.
    Durch die Betreuung des Geschwisterkindes und unsere Arbeit konnte immer einer lange bleiben und der Andere Abends nochmal kurz schauen. Unser Baby lag ca. 8 Monate auf der Intensivstation, bevor es auf die Normalstation umziehen konnte. Auch dort waren Geschwisterkinder wegen der Infektgefahr nicht erwünscht und für 2 Elternteile die Zimmer zu klein.
    Die Babyzeit stellt man sich anders vor und man hadert lange damit. Aber es geht ums überleben und man wird leider nicht gefragt.
    Ich hoffe, du kannst irgendwann deinen Frieden mit der Zeit finden. Alles Gute.

  3. Liebe Sabrina,
    Alles alles Liebe und Gute für dich und deine kleine Familie! Dein Bericht hat mich sehr berührt, vor allem fühle ich mit eurem großen Sohn.
    Ich habe selber zwei Kinder mit ähnlichem Altersabstand, der kleine Bruder ist im Februar 2020 noch vor der Pandemie zur Welt gekommen. Wir hatten diesbezüglich viel Glück.
    Und obwohl wir alle mit den Auswirkungen der Pandemie kämpfen, finde ich es für die Kinder immer noch am schwersten. Ihnen wird noch soviel mehr geraubt als uns Erwachsenen, erst Recht in eurem Fall. Monatelang das kleine Geschwisterchen nicht sehen zu dürfen, bricht mir schon beim Gedanken daran das Herz.
    Ich freu mich für euch, dass ihr endlich vereint seid 😊
    Ich hoffe einfach, dass unsere Kinder bald wieder eine unbeschwerte Kindheit genießen können, ohne dauernd das Gefühl haben zu müssen, eine Gefahr für andere zu sein… Diese Last ist für Kinder einfach zu groß.

    Alles Gute,
    Verena

    1. Toller Kommentar, Verena!
      Ich sehe das ganz genauso. Meine Tochter ist vergangenen Sommer eingeschult worden, also nun in der ersten Klasse und ich finde es auch vollkommen unverhältnismäßig, was den Kindern zugemutet und an Unbeschwertheit genommen wird.

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