Familien Update von Melli: Unser neues Leben mit einem Pflegekind

Ihr Lieben, wenn wir am Wochenende über Facebook Artikel aus dem Archiv posten, kommt von Euch öfter mal die Nachfrage: "Wie geht es der Familie heute? Wie ging es weiter?" Heute gibt es genau so eine "Update-Geschichte". Melli ist alleinerziehende Mutter und wollte gerne noch ein Pflegekind aufnehmen. Vor etwa einem Jahr haben wir mit Ihr darüber gesprochen (HIER gibt es das ganze Interview). Nun lebt seit Oktober tatsächlich ein kleiner Junge bei Melli und ihrer Tochter – wie das ihr Leben verändert hat, erzählt sie hier: 

Liebe Melli, erzähl doch mal von dem Tag, an dem Dein Pflegesohn zu Euch kam…

Wenn ich an diesen Tag denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Aber ich muss zunächst etwas ausholen. Im Februar 2018 habe ich ja die Anerkennung zur Pflegemutter bekommen und danach hieß es warten, warten und nochmals warten. Es war eine furchtbare Zeit, in der man irgendwie auch nichts richtig planen kann.  Ich hatte bei jeder Urlaubsplanung oder wenn ich Konzertkarten vorbestellen wollte, im Hinterkopf: Was mache ich denn, wenn das Baby dann schon da ist? 

Und dann an einem Donnerstagnachmittag, um kurz nach 14 Uhr, klingelte mein Handy. Ich dachte erst: Oh je, das ist sicher der Schulhort, wahrscheinlich ist meine Tochter krank geworden. Doch es war eine freundliche Frau vom Kinderpflegedienst. Als ich das realisierte, ging es in meinem Kopf rund. Wir vereinbarten einen Termin für die nächste Woche – und das wurde die längste Woche meines Lebens.

Was hast Du denn bei dem Termin über das Baby erfahren?

Ein Kindervorschlag ist anonym und man bekommt nur das Geschlecht und ungefähre Alter gesagt. Bei uns hieß das: Ein männlicher Säugling, geboren im Sommer 2018. Außerdem habe ich natürlich was zum Hintergrund des Babys erfahren. Der Junge ist nicht das erste Kind seiner Mama, die anderen Geschwister leben allerdings auch nicht bei ihr. Sie hat leider ein Drogenproblem und ist psychisch krank. Sie hat ihn freiwillig in Pflege gegeben, möchte derzeit keinen Kontakt. 

Dann bekam ich Bedenkzeit, ob dieses Baby zu uns passten könnte – ich wusste sehr schnell, dass wir das Baby kennen lernen möchten und so traf ich den Jungen schon am nächsten Tag. In den Vorbereitungskursen hört man immer wieder von einem Funken, der überspringt, wenn die Chemie stimmt. Und so war es auch. Der Kleine lächelte mich an,  dieses Gefühl vergesse ich nie wieder. Es war Liebe auf den ersten Blick. Zwei Tage später, starteten wir mit der Anbahnung und nach 2 Wochen zog der junge Mann bei uns ein.

Was ist denn, wenn die leibliche Mutter plötzlich doch Kontakt möchte?

Momentan siehr es nicht danach aus, aber natürlich ist es möglich. Wenn sie Kontakt wünscht, müssen aber einige Auflagen ihrerseits erfüllt werden. In diese Prozedur bin ich nicht eingebunden, darum kümmert sich der Vormund des Kleinen.

Hast Du manchmal Angst, dass der Kleine Euch wieder verlassen muss? 

Mein Pflegesohn wurde als sichere Dauerpflege vermittelt. Der Vormund sieht momentan keine Chance auf eine Rückführung zur leiblichen Mutter – aber klar, es gibt immer einen kleinen Prozentsatz, dass dies passieren könnte. Ich würde mir für ihn wünschen, dass er seine leibliche Mutter irgendwann kennen lernt und ein guter Kontakt entsteht. Ob das jemals passieren wird, kann ich nicht sagen. 

Deine leibliche Tochter ist 8 – und plötzlich ist da wieder ein Säugling…

Ja, die Umstellung vom Leben mit einer sehr selbständigen 8 – ährigen zu einem Familienleben mit zwei Kindern, davon ist einer erst 4 Monate alt, ist natürlich gewaltig. Aber wir haben es geschafft, innerhalb von knapp 3 Wochen alles zu organisieren, was ein kleiner Junge so braucht. Außerdem habe ich alles mit meinem Arbeitgeber besprochen und bin jetzt erstmal ein Jahr in Elternzeit. 

Wie hat sich Euer Leben verändert?

Jetzt nach fast einem halben Jahr mit ihm kann ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen, wie es ohne ihn war. Meine Tochter liebt ihren Bruder abgöttisch und sagt immer wieder, dass er unsere Familie komplett gemacht hat. Sie liest ihm vor,  beschäftigt sich gern mit ihm nach der Schule. Sie ist charakterlich nochmal reifer geworden, seitdem er da ist.

Auch in meiner Familie ist der Kleine ohne Vorbehalte aufgenommen worden und ist jetzt der Enkelsohn, den meine Eltern bisher nie hatten. Alle Leute aus unserem Freundeskreis haben sich für uns gefreut und unterstützen uns immer gern. 

Wie entwickelt sich der Kleine?

Momentan ist er 9 Monate alt, gesund und altersgerecht entwickelt. Wir erzählen ihm jetzt schon, dass er ein Glücksbaby ist: Mit zwei Familien und einer ganz besonderen Geschichte. Glücksbaby auch deshalb, weil er trotz des Drogenkonsums seiner Mutter gesund ist. 

Was möchtest Du ihm mit auf den Weg geben? 

Ich möchte ihm eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen, in der er sich ausprobieren darf und für sich herausfindet, was ihn gefällt. Er soll spüren, dass ich immer für ihn da bin – egal, was passiert. 


5 comments

  1. Ein Dankeschön an Dich und alle anderen Pflegeeltern,
    denn die Entscheidung Pflegeeltern zu werden ist nicht selbstverständlich. Ich selbst bin in der Bereitschaftspflege/Kurzzeitpflege zuständig. Ich höre ganz oft den Satz: „Das könnte ich nicht!“. Deshalb bin ich allen anderen Pflegeeltern dankbar für ihren Schritt, ob Kurz-, oder Langzeitpflege. Ich selbst befand mich als Kind auch in einer Bereitschaftspflege und ich weiß wie es Kindern geht, die in eine fremde Familie kommen. Ich habe mich in meiner Pflegefamilie sehr wohl gefühlt und das möchte ich meinen Pflegekindern für die Zeit in denen sie bei uns leben ermöglichen. Vielen Dank liebe Melli für Deine bezaubernde Geschichte! Dir und Deiner Familie weiterhin alles Gute!

  2. Liebe Melli, es ist so toll
    Liebe Melli, es ist so toll diese Geschichte zu hören! Mein Mann und ich denken auch immer wieder über das Thema Pflegekind nach. Wir könnten uns das sehr gut vorstellen, doch dann bin ich wieder unsicher. Wäre es vielleicht möglich, dass wir uns austauschen und ich dich mit Fragen löchern darf? 🙂 Ich würde mich sehr freuen, wenn Lisa/Katharina meine E-Mail-Adresse an dich weitergeben würden. Viele Grüße, Desirée

    1. Liebe Desirée
      … Ich freue mich das unsere Geschichte viele berührt. Und ich hoffe das einige den Mut finden diesen Weg zu gehen.
      Gerne würde ich deine Fragen beantworten.

      Lg

  3. So schön….
    Sehr berührend geschrieben. Mir stehen die Tränen in den Augen. Es ist schön, wenn unschuldige kleine Menschen die Chancen auf ein unbeschwertes, liebevolles Leben erhalten!

  4. Ich ziehe den Hut vor dir
    Und allen Menschen, die sich Kindern annehmen, die sonst keine Chance hätten. Ich bin dankbar, dass es euch gibt.

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