Fall Tönnies in Rheda-Wiedenbrück: Wieder sind Kinder und Eltern die Leidtragenden der Corona-Maßnahmen. Protestbrief einer Mutter

Frau mit Maske

Symbolbild. Foto: pixabay

Ihr Lieben, ihr habt es vermutlich bereits in den Nachrichten gehört. In einer großen Fleischfabrik in Ostwestfalen, bei Tönnies, wurden über 650 MitarbeiterInnen positiv auf Corona getestet. Das ist beispiellos und erfordert Maßnahmen. Jedoch beziehen sich diese bislang mal wieder ausschließlich auf Eltern und ihre Kinder.

Der Kreis hat mit sofotiger Wirkung die Schulen und Kitas wieder geschlossen. Und das, während alles andere im öffentlichen Leben einfach im Normalbetrieb weiterläuft. Darüber musste sich unsere Leserin nun mal ihre Wut von der Leber schreiben: In einem offenen Beschwerdebrief an den Landrat.

Sehr geehrter Herr Adenauer,

mit großer Besorgnis habe ich gestern Ihre Pressekonferenz über die Corona Fälle bei Tönnies verfolgt. Diesen Brief schreibe ich Ihnen im Namen von vielen Eltern aus Rheda-Wiedenbrück.

Wieder einmal entscheiden Sie und die Politik über ein wichtiges Thema und wieder fällt die Entscheidung so aus, dass Sie viele Eltern in akute Nöte bringt.

Vorgeschichte: In unserer Elternschaft waren wir alle für die erste Schließung der Kitas und Schulen, um damit das Infektionsgeschehen zu verlangsamen. Auch haben wir den eingeschränkten Regelbetrieb, der nun vor 1,5 Wochen gestartet ist, organisiert bekommen und vollstes Verständnis für die strengen Trennungen der Gruppen, damit man diese im Infektionsfall nicht alle schließen muss.

Warum aber schließen Sie jetzt alle Kitas und Schulen ohne zu prüfen, in welchen Gruppen betroffene Kinder von Tönnies MitarbeiterInnen sind und machen nicht nur diese zu?

Sie erwähnten, dass es in der Vergangenheit ein probates Mittel war, Schulen und Kitas zu schließen. Hatten Sie bereits Gelegenheit die neuesten Studien aus Baden-Württemberg zu diesem Thema zu lesen? (Hier ein Link zum Prepaper).

Ein weiterer Punkt, der mich umtreibt, ist, dass ein Großteil der Eltern auch engagierte ArbeitnehmerInnen sind, die unser Sozialsystem und unsere Wirtschaft mit am Laufen halten. Wie denken Sie, wirkt Ihr Signal auf uns, Schulen und Kitas zu schließen, während alles Andere im Normalbetrieb weitergehen soll?

Und wozu werden mit dem Bund Grenzwerte erhoben, wenn diese um ein Vierfaches überschritten werden und – bis auf die Schließung der Schulen und Kitas – nichts weiter passiert? Können Sie das Risiko für die restliche Bevölkerung tatsächlich in der Form ausschließen?

Um es mal ganz stumpf zu sagen: wir als Eltern fühlen uns verarscht. Wir gehen gerne mit, wenn die Maßnahmen nachvollziehbar und fair sind. Das wäre in diesem Fall jedoch im ersten Schritt ein Lockdown für mindestens sieben Tagen, um zu schauen, wie sich die Infizierten-Zahlen im Kreis entwickeln.

Dass dies heute nicht beschlossen wurde, sagt viel über Ihre Interessengebiete und über die Prioritäten der Politik aus.

Warum werden Cafés, Eisdielen, etc. nicht wieder geschlossen? Warum wurden die Kontaktverbote nicht wieder verschärft? Diese Mittel wären mindestens ebenso probat, um das Infektionsgeschehen wieder einzudämmen. Erinnern Sie sich daran, dass es Anfang März kurz vor der ersten Schließung der Kitas und Schulen deutschlandweit täglich lediglich zwischen 200 – 900 Fälle gab? Wir sprengen diese Zahl in einem kleinen Kreis!

Vergessen Sie bitte nicht, die Kinder, die Sie heute zurücklassen, sind die WählerInnen der Zukunft.

Und sollten meine Kinder mich in der Zukunft fragen: „Mama, meinst du, es ist eine gute Idee, Kinder zu bekommen?“ Dann werde ich antworten: „Überlege es dir gut, mein Schatz, es ist das größte Glück auf der Welt, aber wenn es hart auf hart kommt, dann wirst du mit deinen Kindern und deiner Familie auf dich allein gestellt sein, weil die Politik dich nicht sieht…“

Hochachtungsvoll,

Eine Bürgerin mit Kindern


10 comments

  1. Ich kann den Unmut total verstehen. Man weiß doch inzwischen, dass Kinder nicht die Treiber sind. Ich finde es total unverständlich, dass Schulen und geschlossen werden, aber Fitnessstudios, Schwimmbäder, Restaurants uneingeschränkt weiter arbeiten.

  2. So ganz verstehe ich das auch nicht, als wir hier im Kreis Coesfeld den Ausbruch in einer Fleischfabrik hatten, der deutlich kleiner war, wurden sämtliche Ladenöffnungen und anderes um eine Woche verschoben. Das galt auch für Dörfer weit weg vom eigentlichen Infektionsherd ohne neue Fälle nur weil es der gleiche Kreis war und hier wird alles in der Öffentlichkeit offen gelassen, ist für mich nicht verständlich.

  3. Ich kann die Mutter so gut verstehen! Warum trennt man denn die Gruppen in Schulen und Kitas streng, wenn dann doch wieder ALLE Schulen und Kitas geschlossen werden? Es wäre doch soviel sinnvoller und auch einfacher nur die betroffenen Gruppen zu schließen? Und warum müssen eigentlich die Kinder völlig undifferenziert mit ihrer Bildung bezahlen, dass es offensichtlich unverantwortliche Unternehmer gibt, die auf einen sinnvollen Infektionsschutz komplett verzichten zu Gunsten monetären Überlegungen? Und noch ein ganz anderer Aspekt: Warum um alles in der Welt wurde bisher die Schulpflicht sogar mit Zwangsgeldern oder Haftandrohungen gegen die Eltern umgesetzt, wenn sie jetzt aus wirtschaftlichen Gründen so mit Füßen getreten wird? Ich würde auch sagen, dass das bei den Wählern von heute- den Eltern der Kinder Konsequenzen haben sollte! Ebenso sollte geprüft werden, ob es bei offensichtlich so grob fahrlässigen Verstößen gegen den Infektionsschutz nicht haftungsrechtliche Durchgriffe auf Tönnies geben kann in Bezug auf den Verdienstausfall der Eltern und privater Nachhilfe bei den Kindern, die den Schulstoff aufarbeiten müssen!

  4. Es gab weiter Maßnahmen als nur Schul und Kita Schließung: (Quelle : Tagesschau.de): Landrat Adenauer und NRW-Ministerpräsident Laschet ordneten an, dass alle etwa 6.400 Beschäftigten aus der Produktion von Tönnies in Quarantäne müssen, bis ihre Testergebnisse vorliegen. Zusätzlich müssen die Kontaktpersonen der positiv Getesteten in Quarantäne, so dass insgesamt weit mehr als 7.000 Menschen betroffen sind.

    1. Liebe Ina, es ist leider keine behördliche Quarantäne, sondern nur ein Appell an die betroffenen Mitarbeiter und Familienmitglieder. Und wenn man gestern gesehen hat, wie große Gruppen von Tönnies Mitarbeitern vor Supermärkten von der Polizei aufgelöst wurden, dann macht es mir Angst.

    2. Wenn man euch Eltern in Rheda-Wiedenbrück irgendwie unterstützen kann, dann lasst es uns wissen! Ob Petition, Emailflut oder was auch immer.
      Dieses schon wieder (bzw immer noch) die Familien es aus sitzen lassen geht wirklich nicht, zudem diese ja wirklich absolut keine Schuld trifft!!

    3. Der Landrat hat gestern selbst zugegeben, dass die Quarantäne nicht eingehalten wird und dass das gerade ein großes Problem ist. Ich verstehe einfach nicht, warum es keinen kompletten Lockdown gibt, um die Lage in den Griff zu bekommen. Warum werden Freibäder (!!!!) offen gelassen aber Schulen geschloßen? Wo ist da die Logik?

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