Entspannte Eltern, glückliche Kinder? Was, wenn in der Familie doch öfter die Fetzen fliegen?

Ihr Lieben, für Eltern-Entspannung sind wir ja immer zu haben, also haben wir uns das neue Buch von Mira Mondstein und Deva Wallow mal genauer angesehen, denn es trägt den Titel: "Glückliche Kinder brauchen entspannte Eltern" (Affiliate Link).

Wir wissen nicht, wie es euch geht, wenn ihr das lest, aber wir fragten uns zwischen Wutanfällen und Bah-Essen und unaufgeräumten Zimmern und unerledigten Arbeitsausträgen sofort: Was, wenn ich grad an diesem Tag – oder in dieser Phase – in meinem Mamaleben aber gar nicht entspannt bin? Mach ich dann meine Kinder kaputt? Das wollten wir natürlich sofort von den Autoren wissen und haben sie zum Interview gebeten!

Liebe Mira, lieber Deva, ich wäre ja sehr gern immerzu entspannt und verständnisvoll, aber auch ich bin ja nur ein Mensch. Ein recht emotionaler noch dazu. Wenn auch das hundertste Schokopapier wieder auf dem Boden landet oder die gesamte Bügelwäsche aus dem Schrank gerissen wird, um an den einen Pulli ganz unten zu kommen, dann bleibe ich auch nicht immer so vorbildlich ruhig, wie ich es gern wäre …

Dass wir in einer solchen Situation dann mal laut werden und vielleicht sogar mal unser Kind anschreien, ist absolut menschlich und im normalen Familienalltag nicht immer zu vermeiden – je nachdem, wie viele Aufgaben und Verantwortung gerade auf uns als Eltern lasten.

Wenn möglich sollten wir Eltern uns dann direkt bei unseren Kindern entschuldigen und ihnen mitteilen, dass wir so sehr geschimpft/geschrien haben, weil wir zurzeit wegen etwas anderem aufgeregt bzw. gestresst sind. Ein „Nichtsdestotrotz wünsche ich mir von Dir, dass Du dein Schokopapier in den Mülleimer wirfst …“ darf gerne angehangen werden, denn unsere Kinder dürfen ruhig wissen, wie sie selber dazu beitragen, dass die Harmonie in der Familie nicht ins Wanken gerät.

Wir können als Eltern nicht perfekt sein. Anders ausgedrückt: Wir sind in unserem „Nicht-perfekt-sein“ perfekt. Wir können immer nur aus unseren Fehlern lernen und unser Bestes geben! Und wenn wir mal unseren Gefühlen freien Lauf gelassen haben, sind wir in diesen Momenten vor allem eins: authentisch.

Wollen wir unseren Kindern die Bürde auflasten „perfekt zu sein“? Diese Frage hilft uns Eltern, uns selber zu reflektieren. Das ist hilfreich, wenn unsere Kinder bei uns auch mal mitbekommen, dass wir einfach nur „menschlich“ sind.

Wir kennen es ja vermutlich alle: Auf der Arbeit war mal wieder jemand krank, wir mussten seine Aufgaben miterledigen, es gab kaum Zeiten für Pausen, dann kommt der Kollege von gegenüber noch mit einer Kritik und wir schielen beim letzten Telefonat schon auf die Uhr, weil wir ja gleich schon wieder in Kita oder Schule sein müssen. Abgehetzt kommen wir dort an und dann gibt´s einen Wutanfall, weil das Kind lieber die Schnürsenkelschuhe dabei haben wollte statt die Treter mit den Klettverschlüssen. Was ratet ihr uns in einer solchen Situation?

Hilfreich ist es, erstmal kurz durchzuatmen und den Wunsch des Kindes nicht als „Angriff“ und nicht als Versagen unsererseits aufzunehmen. Ansonsten ist ein verständnisvolles Reagieren kaum möglich. Für die Kinder ist es hilfreich, wenn wir ihnen mitteilen, dass wir gerade sehr genervt sind, weil wir uns zum Beispiel sehr beeilen mussten und Sorge hatten, nicht rechtzeitig anzukommen.

Wir sollten ihnen spiegeln, dass wir zwar verstehen, dass sie gerade wütend sind, doch im Moment lieber nicht darauf eingehen wollen, da sie dann womöglich unseren „Ärger“ abbekommen könnten, obwohl sie nicht für ihn verantwortlich sind.

Zuhause könnten wir ihnen dann unser Verständnis schenken, indem wir z.B. sagen: „Oh, das ist ja heute früh blöd gelaufen. Das hatte ich total vergessen. Haben dir die Schuhe gedrückt oder waren sie Dir zu locker?“ Wir zeigen dem Kind so, dass es uns nicht egal war, dass dem Kind etwas nicht passte…

Nun schreibt ihr: "Unsere Kinder sind nicht dafür verantwortlich, wenn wir sie uns verletzen. Es ist unsere Aufgabe als Eltern, uns zu schützen. Unsere Kinder wollen uns nie wirklich verletzen! Sie wissen in solchen Momenten einfach nicht, wohin mit ihrer Wut und ihren Aggressionen und können die Folgen ihrer Handlungen in diesem Moment nicht abschätzen." Wie können wir also richtig reagieren, wenn das Kind anfängt zu toben und um sich zu schlagen oder uns einfach sagt: "Du bist die bescheuertste Mama der Welt"?

Die einfachste Reaktion besteht darin, mit Humor zu antworten: „Stimmt und die einzige (Mama), die du hast. Und was machen wir jetzt?“ Humor ist fast immer geeignet für solche Art von Beschimpfungen. Ein Lächeln von uns (aber bitte nicht herablassend oder belächelnd, sondern liebevoll!) kann sofort im Kind eine völlig neue Reaktion hervorrufen und ein kleines „Zurücksetzen“ des Emotionen-Vulkans hervorrufen.

Wenn Kinder mit ihrem „Angriff“ nichts erreichen, (ein Verletztfühlen oder Wütendwerden ihres Gegenübers …), suchen sie sich etwas anderes oder jemand anderes. Dies gilt auch für Erwachsene.

Das Wichtigste in einer solcher Situation ist, sich nicht angegriffen zu fühlen, sondern sich bewusst zu machen, dass hinter diesem Verhalten immer ein verletztes Kind steckt und sein Handeln ein Hilferuf ist. Immer!

Wenn die „Wut/Aggression“ im Kind nachgelassen hat, ist es hilfreich das Kind nochmal auf seine „Beschimpfung“ anzusprechen und zu fragen, durch wen und was es sich angegriffen, nicht gesehen oder nicht gerecht behandelt gefühlt hat. Und wenn möglich eine „Richtigstellung“ oder Entschuldigung durch die betreffende Person herbeizuführen.

Euer Buch lebt davon, konkrete Situationen und Probleme zu schildern – und dafür Lösungsansätze zu bieten. Jedes Elternteil wird sich hier und da wiedererkennen. Worauf basiert eure Expertise?

Sie basiert vor allem auf den Erfahrungen und Erkenntnissen, die Deva in seiner Arbeit als Familientherapeut und Persönlichkeitsentwickler mit Eltern gemacht hat. Die Situationen, die von den Eltern in dieser Arbeit immer wieder geschildert werden, zeigen oft Überschneidungen, die insbesondere aus der Angst der Eltern herbeirührt, etwas falsch zu machen.

Dabei stößt er auch immer wieder während der Gespräche auf deren „innere Kinder“. Diese stehen für die Gefühle, die wir Eltern während unserer Kindheit in den verschiedensten Situationen hatten. Deva begleitet Familien dabei, sich in diese Situationen hineinzuversetzen und zu schauen, was die Eltern in der eigenen Kindheit in diesen Situationen gebraucht hätte.

Oft ist es einfach der Wunsch nach Verständnis und nicht allein zu sein mit seinen Ängsten und seiner Traurigkeit. Nicht zuletzt sind diese „Erkenntnisse“ in seine eigene Vaterrolle eingeflossen und „auf den Prüfstand“ gestellt worden.

Zur allgemeinen Beruhigung: Auch hier knallen öfter Türen, auch unsere Kinder sind ab und zu der Meinung, dass wir die bescheuertsten Eltern der Welt sind! 🙂

Zum Abschluss: Bei uns fliegen mit je drei Kindern schon wirklich häufig die Fetzen. Die Kinder untereinander haben Auseinandersetzungen, aber natürlich auch wir als Eltern mit ihnen. Haltet ihr es trotzdem für wichtig, dass ein Familienleben immer harmonisch ist?!

Wenn Du unter einem harmonischen Familienleben verstehst, dass nie jemand in der Familie wütend oder sauer auf ein anderes Familienmitglied oder traurig wegen einem ist, dann würde ich es als utopisch bezeichnen. Auch wenn wir Menschen nicht die einzigen Kreaturen auf der Welt sind, die Emotionen haben, spielen Emotionen bei uns eine besonders große Rolle.

Und da es nicht möglich ist, immer nur positive Gefühle zu haben, ohne negative zu unterdrücken, halten wir ein „nicht immer harmonisches Familienleben“ für besser als ein „gefühlloses“. Emotionen müssen leben und gesehen werden. Nur so findet eine artgerechte Kommunikation innerhalb der Familie statt.

So sehr wir uns als Eltern auch bemühen: Unsere Kinder vor emotionalen und körperlichen Verletzungen zu schützen, ist schlicht nicht möglich. So gehören Ängste zum „Heranwachsen“ genauso dazu wie Wut und Traurigkeit. Wir finden es wichtig, unsere Kinder in diesen Momenten Verständnis für ihre Gefühle zu schenken und ihnen zu versichern, dass wir für sie da sind.

Wenn es irgendwie möglich ist, ist es sehr hilfreich, diese Disharmonien vor dem Einschlafen der Kinder auszuräumen. Und Eltern dürfen sich selbst gerne öfter an die vielen guten Dinge erinnern, die sie als Eltern geschafft haben…

Kinder ins Leben zu begleiten ist kein Kinderspiel. Auch für Menschen, die das Thema Erziehung studiert haben, nicht. Und: Ist es nicht schöner, auf ein turbulentes Familienleben zurückzublicken (wir denken da an unsere eigene Seniorenzeit, die ja auch irgendwann einmal ansteht)? Man muss doch den Enkeln was zu erzählen haben… 😉

Mondstein, Wallow: Glückliche Kinder brauchen entspannte Eltern. Der Elternratgeber für typische Stress-Situationen (Affiliate Link)

 

Fotos: pixabay, privat


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