Dreifachmutter: Sich aufopfern, immer an andere denken – mich macht das unzufrieden

"Wieso eigentlich immer ich?" Fragt ihr euch das nicht auch manchmal? Unsere geschätzte Kollegin Laura, die auf ihrem Blog "Heute ist Musik" kluge Texte für fröhliche Mütter schreibt, krempelt derzeit ganz schön ihr Leben um.

Ihr Mann hat seine Arbeitszeit reduziert und nun versucht die Familie, die Verantwortlichkeiten neu aufzuteilen, so dass die Last des Alltags nicht nur auf zwei, sondern auf vier Schultern verteilt wird. Wie das gelingt? Und ob überhaupt? Lest selbst…  

Laura, du bist Dreifachmutter, hast einen Job und schreibst in deinem Blog sehr ehrlich über die Herausforderungen dieses Lebensmodells. Deswegen fallen wir mal direkt mit der Tür ins Haus: Wann hast du zuletzt geweint und warum?

Das kann ich dir ganz genau sagen: es war im Urlaub vor ein paar Wochen. Ich gehe jedes Mal mit den falschen Erwartungen in die Ferien und wundere mich dann, dass ich nicht viel zum Ausruhen komme. Die Kinder zanken, wir Eltern müssen Ordnung ins tägliche Chaos bringen und mit unserem Großen über alle möglichen Dinge diskutieren.

Als ich dann bemerkte, dass wir die wichtigen Logopädie-Übungen eines meiner Kinder vergessen hatten, ist die Welle über mich geschwappt. Ich habe mal wieder gemerkt: Wenn ICH nicht an solche Kleinigkeiten denke, tut es keiner. Ich saß in unserem Hüttenzimmer und habe nur noch geheult. Zwei Tage lang. Es war schrecklich!

Wir haben uns dann aber nach dem Urlaub hingesetzt, in Ruhe geredet und die vielen Aufgaben, die mit drei Kindern nun mal anfallen, verteilt. Es ist nicht so, dass mein Mann gar nichts tut. Absolut nicht! Vom Haushalt bis zur Kinderbetreuung – da ist er am Start!

Aber das Organisieren und Planen und das An-Alles-Denken, also die große mentale Last, die trage meist ich. Und das will ich so nicht mehr. Deswegen haben wir alle Aufgaben aufgeschrieben vom Überlegen, welches Geburtstagsgeschenk passen könnte, bis zum Besorgen, Verpacken usw. (allein so EIN Geschenk ist ja bereits ein Mammutprojekt, wenn man es mal so detailliert aufschreibt).

Und dann haben wir überlegt, wer künftig was übernimmt und uns dazu auch ein Organisationstool dazu ausgesucht, denn es ist wirklich, wirklich viel.

Hast du eine bewährte Strategie, was sonst aus so kleinen Mama-Löchern wie deinem Heulanfall wieder raushelfen kann?

Ja, das habe ich dank einer Mütter-Kur, die ich letztes Jahr gemacht habe. Lesen und Laufen sind meine Kraftquellen und ich habe erkannt, dass ich viel Ruhe brauche. Also muss ich ab und zu weg von der Familie, mal ein Wochenende zu meiner Schwester nach München, alleine auf den Markt oder mit den Joggingschuhen raus aufs Feld.

Das hat nichts mit meinen Kindern zu tun, die sind toll. Aber für mich ist der Trubel im Haus oft purer Stress. Eine andere bewährte Strategie ist, viel mit meinem Mann zu reden. Er hört mir zu und gibt mir die Zeit für mich.

Es ist ja oft so, dass wir von anderen denken: Wow, bei denen fluppt irgendwie alles. Die Kinder lieb und sauber, die Partnerschaft intakt, das Haus so schön, der Job läuft. Dass aber in jeder Familie mal Tränen fließen und Verzweiflung aufkommt, das sollten wir uns schon immer mal wieder bewusst machen, oder?

Ja, wir Mütter haben sicherlich einen Hang dazu, uns selbst unter Druck zu setzen. Der Druck kommt aber auch von außen. Heute solltest du beruflich tätig sein UND Kinder haben, frei und unabhängig UND liebevoll und zugewandt.

Du wirst als Karrierefrau oder Hausmütterlein beschimpft und wirst selber wahnsinnig, wenn du dich nicht von diesen Ansprüchen lösen kannst. Schlimm ist dann, wenn wir beobachten, dass die Nachbarin so toll mit den Kindern umgeht, die Freundin geniale Torten backt und die Schwester Karriere macht. Dann denken wir, wir müssen das auch ALLES können.

Instagram und die anderen sozialen Medien tragen da sicher einen Teil bei. Hier wird oft die heile Welt gezeigt, Mütter sind immer liebevoll und kümmern sich, inszenieren sich mit ihren Babys im Arm. Wenn eine Frau dann mal nicht so die Kümmerin ist, Torten doof findet und lieber ins Büro will, fühlt sie sich schlecht.

Ich denke, der beste Weg ist, mehr nach sich selbst zu schauen. Was will ich, was tut mir gut? Wie kann ich meine Bedürfnisse mit denen meiner Familie abgleichen und wie können wir das Leben führen, das uns gefällt?

Du hast ja auf Instagram die Müttersprechstunde ins Leben gerufen. Brauchen wir mehr Austausch, mehr Mütter-Solidarität vor allem?

Ja, absolut. Weil wir andere Lebensentwürfen womöglich als Angriff auf unsere Identität sehen, ist für die berufstätige Mutter die Hausfrau der Feind und andersherum. Für mich ist die fehlende Gleichberechtigung das Problem.

Weil wir Frauen es schwer haben und uns immer so durchbeißen müssen, beobachten wir andere Frauen mit Argusaugen. Dabei ist es so wichtig, sich gegenseitig zu stärken und gemeinsam für eine gerechtere Welt zu kämpfen, in der Frauen ihr Leben selbst gestalten können.

Es gibt einen Spruch: schieß nicht auf den Krankenwagen. Das bedeutet, wir brauchen vereinte Frauenpower. Mütter sollten sich nicht gegenseitig geißeln, sondern gemeinsam dafür kämpfen, dass Frauen im Job endlich die gleichen Chancen haben wie die Männer, dass mehr Männer zuhause Verantwortung übernehmen…

…oder dass Frauen, die die Care-Arbeit machen, finanziell abgesichert sind und ihre Entscheidung, bei den Kindern zu bleiben, akzeptiert wird. Das ist mir mit der Müttersprechstunde wichtig!

In deiner Instastory neulich erzähltest du, dass du bei den Kindern den Großteil der Elternzeit genommen hast – und dass du es heute anders machen würdest…

Ja, das ist allerdings eine individuelle Entscheidung. Ich dachte vor acht Jahren, eine gute Mutter bleibt erst einmal zuhause. Ich bin nicht der Typ für Kinderbetreuung und Haushalt, mir fällt das schwer. Auch mit dem Baby ist mir die Decke auf den Kopf gefallen.

Ich habe dafür einen sehr lieben Mann, der sich bestens kümmert. Wir haben das konservative Modell gewählt, weil er das Dreifache von mir verdiente. Dabei ist die Rendite, Geld in die Hand zu nehmen und in den beruflichen Werdegang der Frau zu investieren, höher als jedes Sparbuch. Noch dazu trägt der Mann dann nicht die alleinige Last des Geld-Verdienens.

Gibt es weitere Dinge, die du vielleicht bereust oder die du als Mutter heute anders machen würdest?

Ich würde mich mit einem Baby nicht so stressen lassen, aber das sagt sich im Nachhinein so leicht. Die Kinder gehen alle ihren Weg, jedes auf seine Weise. Das eine Kind krabbelt früh, das andere spät, aber wir Eltern machen uns so viele Sorgen.

Die Zeit mit den Kindern genießen und so schöne Momente, die das Leben mit sich bringt, nutzen, das nehme ich mir jeden Tag vor. Letztlich geht es uns ja um unsere Familie und die Kinder machen uns glücklich wie nichts anderes, finde ich.

Du bist ja auch in deinem Job als Journalistin und Autorin sehr fleißig und ehrgeizig. Als Mutter musst du aber halt trotzdem lernen Prioriäten zu setzen und auch mal Nein zu sagen. Das ist ja so eine Baustelle, die viele von uns haben, sich mit dem Nein-Sagen schwerzutun. Wie hast du das gelernt?

Bisher noch nicht so erfolgreich. Aber ich frage mich bei jedem beruflichen Auftrag, ob ich dafür wirklich Zeit habe. Als Selbstständige denke ich immer: „nimm alles an, was kommt!“ Am Ende habe ich Stress und schaffe die Arbeit nicht, ich bleibe auf der Strecke und meckere meine Kinder an.

Sich fragen, was zählt, hilft mir dann. Und auch wenn mir mein Job wirklich sehr, sehr wichtig ist, zähle ich selber und vor allem meine Familie so viel mehr. Oft habe ich Angst, Jemanden mit meinem Nein vor den Kopf zu stoßen.

Ich möchte oft, dass mich alle nett haben und gern finden. Sich damit auseinander zu setzen, hat mir geholfen. Nun ist mir wichtiger, dass ich mich nett finde. Dass ich mich meinen Kindern widmen kann und Zeit mit meinen Mann habe.

Aber das ist für Frauen ein steiniger Weg, weil ihnen von klein auf gesagt wird, dass man sie lieb haben muss. Man denke nur an das Märchen mit der liebreizenden Prinzessin…

Wir Mütter neigen ja generell dazu, erstmal zu schauen, dass es allen anderen gut geht und dann erst auf unsere eigenen Bedürfnisse zu schauen. Wirst du da mit den Jahren der Mutterschaft kompromissloser?

Ich erkenne, dass es eine Frage der Sozialisierung ist. Sich aufopfern, an andere denken, sich kümmern – mich macht das unglücklich und unzufrieden. Also kümmere ich mich um die lieben Menschen um mich herum, um meine Kinder und die Familie, aber nicht mehr um alle Menschen, die mir begegnen.

Ich möchte natürlich nett und respektvoll sein, aber ich finde, ich bin nicht dafür zuständig, dass sich jeder Mensch in meiner Umgebung wohlfühlt.

Und zu guter Letzt: wie zufrieden bist du mit deiner jetzigen Situation und was möchtest du anderen Müttern mit auf den Weg geben?

Ich merke, dass ich zufriedener werde, wenn ich diese ganze Last der Kümmerei erkenne und lerne, einen Teil davon abzugeben. Müttern kann ich nur empfehlen: Seid euch der Sozialisierung bewusst, kommt diesen Ansprüchen an euch auf die Schliche und versucht, euch nicht länger auf die eigenen Kosten um alles zu kümmern.

Miteinander reden, offen sein, um Hilfe bitten und sich mit dem eigenen Perfektionismus auseinander zu setzen, das ist ein guter Weg dafür. Ich hoffe sehr, dass ich mit meinem Blog "Heute ist Musik" und meinem Podcast da ein wenig unterstützen kann.

 


5 comments

  1. Keine Logo im Urlaub
    Ich wäre nie auf die Idee gekommen Logopädie- oder sonstige Hausaufgaben mit in den Urlaub zu nehmen 😉
    Urlaub ist Urlaub, finde ich

  2. Erkenne so viel wieder…
    Liebe Laura, danke für Deine Offenheit. Ich erkenne Vieles davon wieder! Ich habe vor ein paar Jahren gemerkt, dass ich hochsensibel bin – letztendlich weil meinem Kind diese „Diagnose“ gestellt wurde.(Und der Apfel wahrscheinlich nicht weit vom Stamm fällt… 😉 Das hat bei mir viele Scheinwerfer angehen lassen und mir erklärt, warum der Kindertrubel mich so aufwühlt und dieses ganze Eltern-Ding für mich anstrengender zu sein scheint als für andere. Ich habe seitdem sehr viel in meinem Leben geändert,habe die sehr unstrukturierte Tätigkeit als freie Journalistin aufgegeben und habe jetzt einen sehr strukturierten Halbtagsjob in einem netten Kollegenkreis mit einem Einzelbüro.Das tut mir echt gut. Ich rede nur mit ganz wenigen Leuten über diese „Erkenntnis“ – weil hochsensibel komisch klingt. Aber der bewusste Umgang damit hat mir total geholfen. Vielleicht ist es bei dir auch schon Thema, aber ich musste es jetzt einfach mal teilen,weil ich oft „mitleide“, wenn ich deine Texte lese.

    1. Liebe Daniela, die vermute,
      Liebe Daniela, die vermute, dass meine Tochter auch hochsensibel ist und ich wahrscheinlich auch. Kannst du mir Literatur dazu empfehlen bzw. wie ich das überhaupt feststellen kann? Liebe Grüße

      1. Literatur
        Das Buch Zart Besaitet von Eduard Parlow gibt einen guten Überblick. Es gibt von Brigitte Schnorr auch ein Buch über Hochsensible Mütter. Das Standardwerk kommt von Elaine M Aaron. Sie geht davon aus, dass jeder Fünfte stärker auf bestimmte Reize wie Geräusche etc. reagiert und deshalb mehr Pausen und Rückzug braucht als der Durchschnitt. Und diese Pausen – das wissen wir alle – die sind als Mutter nun mal schwierig… 😉

  3. Ähnliche Konstellation
    Auch ich bin 3fach Mama und habe es satt, dass ich alleine für die Logopädie zuständig zu sein scheine! Genauso wie Wäsche, Vesperboxen für die Kids, Wechselklamotten, etc etc. Mein Mann hat nun ebenfalls deutlich die Arbeitszeit reduziert. Ich muss aber aufpassen, dass ich genügend Arbeiten delegiere. Ich habe nämlich weiterhin das Gefühl, dass ich die Hauptlast trage 🙁

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