Brust-OP als Mama: Lässt sich das überhaupt mit einer feministischen Einstellung vereinbaren, Caroline Rosales?

In ihrem neuen Buch „Sexuell verfügbar (Affiliate Link), das vor Kurzem bei Ullstein Fünf erschienen ist, schreibt Caroline Rosales über männliche Grenzüberschreitungen, ihre eigene Kindheit aber auch über den Schönheitswahn, der sie nicht nur fast in die Magersucht trieb, sondern sie im letzten Jahr auch dazu veranlasste, sich als Zweifachmutter die Brüste operieren zu lassen. Lässt sich das mit einer feministischen Einstellung überhaupt vereinbaren? Darüber schreibt sie im Kapitel mit dem Namen "75A", aus dem wir hier Auszüge veröffentlichen dürfen.

"Als ich 35 Jahre alt wurde, meine Tochter keine Windeln mehr brauchte und ich aufwachte aus dem nächtlichen Still-Popo-Wisch-Fütter-Reigen und mein kleines Mädchen mit ihren kleinen dicken noch babyhaften Füßchen fortan selbst zur Toilettenschüssel trippelte oder stampfte, konnte ich auf einmal wieder mein eigenes Spiegelbild betrachten.

Hallooo, da war ich wieder, alte Freundin, nun wie soll ich sagen, du siehst fertig aus. Zwei Kinder in drei Jahren, mein Körper hatte gedient, eingespart und angeschafft, meine Brüste als Milchmaschine, mein Bauch als Babybrutkasten, meine Arme als menschlicher Babytragegurt, meine Beine als Stütze, was mit Ansätzen von kleinen blauen Krampfadern entlohnt wird.

Zwei Kinder in drei Jahren, das ist Hochleistungssport für den Körper. Nach der Geburt meines Sohnes, mein erstes Kind, fühlte sich mein Bauch an wie Quark. Beim zweiten übrigens auch. Als ich mich das erste Mal nach der Entbindung meines Sohnes langsam aus dem Krankenhausbett erhob und ins Bad meines Zimmers schlurfte, um zu duschen, schaute ich an mir herunter. Der leere Babybauch, die braune Schwangerschaftslinie noch gut sichtbar, meine Brüste wie die eines Pornostars, straff, aber schmerzend, weil gefüllt mit Muttermilch. Ich schaute an mir herunter und befand, dass mein Körper eine Ruine ist, er sich der Natur gebeugt hatte, 20 Jahre Fitnesstraining für die Katz, aber scheißegal, Hormone durchsprudelten meinen Körper, Glückshormone, denn ich hatte dieses perfekte, gut riechende Neugeborene bekommen.

Das Baby in seinem weißen Krankenhausbettchen zu sehen war, als würde man die Unendlichkeit für einen Moment berühren können. An Dehnungsstreifen oder Ähnliches zu denken war einfach nur lächerlich. Also stillte ich, erst ihn, dann meine Tochter, eine Belastungsprobe für meinen zuvor recht androgynen Körper. Denn meine Brüste waren plötzlich riesig, Doppel-D.

Zwei Drittel aller Frauen nehmen vom Stillen ab, ein Drittel zu – ich gehörte zu letzteren. Dazu macht der Schlafentzug – Baby wacht nachts auf, schreit, schläft an meine Seite gedrückt wieder ein – super hungrig, drei Camembert-Brote, ein großer Kakao zum Frühstück waren Minimum, um die Augen öffnen zu können. Ich hatte Glück, befand die Hebamme, als sie meinen Unterbauch massierte, nicht ein Schwangerschaftsstreifen. Sie sehen aus wie vorher, sagte auch der Frauenarzt, offenbar fanden es zwei Fachleute höchst erstaunlich und wichtig, dass mein Körper in neun Monaten so wenig Schaden genommen hatte. Ich sah das natürlich ein bisschen anders, obwohl mich das zu diesem Zeitpunkt – danke, Stillhormone – noch nicht wirklich tangierte, galt die Herausforderung doch, ein Baby groß zu kriegen. Auch von den vielen Kursen in meiner Umgebung ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen.

Sie hießen „Lauf-Mama-Lauf“ oder „Fitness mit Baby“. Ich verstand das ganze Konzept nicht. Die armen Frauen, die da teils mit hochroten Gesichtern durch den Park rannten und beim Joggen noch einen Kinderwagen vor sich herschoben, dann zum Stillen Pause machen, dann Dehnübungen – ja, was denn bitte schön noch? Ich bezeichne ungerne etwas Alltägliches als frauenfeindlich, weil ich die Zuspitzung nicht mag, aber DAS.

Die Mamas, ich wollte sie am liebsten umarmen, ihnen zuflüstern: „Du bist wunderwunderschön“. Und sicher habe ich nach der Geburt neben dem gut riechenden Baby auch an den Zustand meines Körpers gedacht, wenn das allerdings andere tun und, schlimmer noch, meine Pein in Geld umwandeln wollen, gleich neben meiner Tür, finde ich das seltsam. Dennoch hasste ich meinen Körper, meine Brüste waren schwer wie Steine, bald war da kein Platz mehr für Doppel-D, mein Busen verlangte nach E, aber ich gab aus Eitelkeit nicht nach, also drückte es überall, was mir als das kleinere Übel erschien, als meiner Oberweite mehr Platz einzuräumen.

Babys sind zudem unbarmherzig, sie ziehen an Brüsten, beißen, reißen, dass es mir dunkelte: Der Traumbusen, den ich mal hatte, das wird nichts mehr. „Du wirst sehen, je mehr du stillst und je länger, desto mehr wird dein Busen wieder in Form getrimmt“, sagte eine befreundete Fitnesstrainerin. Ich musterte ihre kleinen apfelförmigen Brüste und wusste: Das hat bei ihr geklappt, so würde es bei mir nie aussehen. Ich stillte ab nach insgesamt drei Jahren, 18 Monate hatte ich meine Tochter gestillt. Die Schwerkraft hatte gesiegt.

Ich war entsetzt, was ich im Badezimmerspiegel sah. Meine Brüste hingen. Ich kaufte teure Cremes aus Frankreich in der Parfümerie. Sanft einklopfen sollte ich sie am Morgen und dann könnte der Superbusen sich wieder zurechtstraffen. „Kauf dir doch die schönste Unterwäsche der Welt“, befand die weibliche Verwandtschaft. „Dann fühlst du dich gleich viel besser.“ Ich blickte auf ihre Brüste, auf die Brüste von 50- bis 60-jährigen Frauen und ich konnte so gar nichts Gutes daran finden.

Body-Positivity, Feminismus und Selbstliebe setzte ich für mich für einige Zeit auf den Index. Ich hatte keine Lust auf Reden, mehr auf Taten. Ich machte einen Termin bei einem plastischen Chirurgen in Berlin-Westend, da, wo die Villen stehen. Zuvor hatte ich im Internet recherchiert und mir das Angebot mit dem niedrigsten Preis rausgesucht. Er hatte eine deutsche Approbation, das würde schon gut sein. So fuhr ich also nach Westend, meine zwei kleinen Kinder immer dabei. „Wir fahren heute zum Krankenarzt für Mama“, sagte ich. „Oh, Mama, geht es dir nicht gut“, fragte mein damals fünfjähriger Sohn besorgt. „Aber nein“, sagte ich. „Nur eine Untersuchung.“ Ich konnte ihm schlecht sagen, dass Mama sich die Boobies machen lässt, sonst hätte er es schlimmstenfalls noch seinen kleinen Kumpels in der Kita erzählt und die dann ihren Müttern. Er nickte zufrieden.

Der Arzt, ein Professor aus Brandenburg, gefiel mir sofort. Circa 50 Jahre alt, graue Schläfen, kein Schwätzer, ein Pragmatiker. Er begutachtete meine hängende Brust streng medizinisch, nahm ein Maßband, notierte Zahlen ins Patientenformular. Das war alles kein Problem, befand er. Routineeingriff, hier, da, Hautentfernung, Gewebe wegschneiden, ich hörte offen gestanden nicht richtig zu. Er zeigte mir eine Mappe. Da seien die Brüste drin, die er bereits operiert habe. Er sagte das fast mit kindlichem Stolz. Ich blätterte im Fotokatalog. Die operierten Brüste sahen okay bis gruselig aus, man durfte keine Wunder erwarten, aber vielleicht war mir eines vergönnt.

Das Wunder, wieder Abendkleider ohne BH tragen zu können, die unerhörte Prophezeiung, meine Brüste könnten wieder klein und unschuldig sein, würden den Jumbo-Sport-BH fürs Joggen nie wieder brauchen – okay, okay, wir waren im Geschäft! Termin in zwei Monaten gemacht, Kinder, wir gehen. Das Geld holte ich mir als Darlehen von der Bank, mein Freund fuhr mich hin und zurück.
„Was machst du genau?“, fragte meine Mutter besorgt. Ihre Fragen waren mir lästig. Aber es half nichts, ich brauchte sie für die Kinderbetreuung für meine zwei Tage in der Klinik.
„Ich mache eine Brustverkleinerung“, sagte ich zu ihr. „Also nur ein Lifting.“
„Ja, genau.“
Ein Lifting! Ich schüttelte innerlich den Kopf. Was für ein Euphemismus! Die Ärzte würden mir mehr als 10 Quadratzentimeter Haut entfernen müssen, Stillgewebe, mindestens einen halben Liter Blut und Fett – es würde ein Gemetzel werden auf dem OP-Tisch, ein Blutbad! Ein Lifting, was für ein süßes Wort. Und dann war der Tag gekommen.
„Und dir macht das nichts aus“, fragte ich meinen Freund bei der Fahrt abermals.
„Findest du es denn gut?“
„Ich finde alles gut, ob du es machst oder nicht“, sagte er, ohne die Landstraße aus dem Blick zu verlieren. Der Mann, er war ein Chef-Diplomat. Ich gab mich zufrieden.

Mit einer Art Edding-Stift malte der Professor kurz vor der OP die Linien auf meine Brust.
„Ich mache Ihnen ein kleines B“, sagte er ruhig.
„Nein, A“, protestierte ich. Er malte noch eine Linie dazu.
„Gut, dann A.“
Nach der OP war mir sehr kalt, ich zitterte wie Espenlaub, brauchte aber keine Schmerzmittel. Nur zwei Tage ruhte ich mich aus, hier und da noch ein Kneifen, sonst keine Beschwerden, es fühlte sich an, als hätte mein Körper meine alten Brüste abgestoßen, sich bereits lange zuvor innerlich von ihnen verabschiedet.
„Und“, fragt meine Freundin Valentina.
„Ich würde es jeden Tag meines Lebens wieder machen lassen“, antworte ich.
„Wow“, wirft sie zurück.
„Mama hat Pflaster am Busen“, sagt meine Vierjährige und platzt fast vor Lachen.
„Du solltest jetzt so ein Terry-Richardson-Fotoshooting machen. Im OP-Hemd“, befindet mein bester Freund.
Seitdem fühle ich mich gut. Trage weiße T-Shirts im Sommer. Die Unterwäsche sitzt wieder wie bei einer Sechzehnjährigen. Als wenn ein Teil meines Körpers rückwärts in der Zeit gereist wäre. Ich bin happy, doch die feministisch gepolten Heckenschützen, von denen ich ja im Grunde nur geliebt werden möchte, lauern überall.

Längst tobt die Debatte, ob eine gute moderne Frau, eine gute Feministin nur die sein kann, welche auf die Veredelung, die künstliche Instandhaltung ihres Körpers pfeift und sich zu 100 Prozent für ein natürliches Altern in Würde entscheidet. In meiner Lieblingsserie „Fleabag“ mit Phoebe Waller-Bridge steht eine grauhaarige Professorin in einem Tweed-Kostüm in einem Hörsaal zu einem Vortrag am Pult. Hunderte Zuhörer applaudieren ihr.
„Ich stelle allen Frauen in diesem Saal heute hier die Frage“, sagt sie und nimmt dabei einen sehr ernsten Tonfall an.
„Bitte heben Sie die Hand, wenn Sie auf fünf Jahre Ihres Lebens für den sogenannten perfekten Körper verzichten würden.“ Fleabag und ihre Schwester Claire reißen daraufhin ohne Zögern ihren Arm in die Höhe. Der Rest des Raumes schaut die beiden entsetzt an.
„Wir sind schlechte Feministinnen“, sagt Fleabag daraufhin und lächelt."

 


6 comments

  1. Die Grundfrage dahinter ist doch stets: Für wen will ich schön aussehen? Die (ehrliche) Antwort: Für die anderen, und da zumeist für das andere Geschlecht.
    Fazit: Feministisches Unabhängigkeits-Geschwafel wird durch Liftings aller Art als solches entlarvt, die mentale Abhängigkeit vom gebashten (meist männlichen) Geschlecht durch eine solche OP irreversibel ins Gesicht oder sonstwohin gemeisselt. Wer wirklich unabhängig ist, steht zu seiner Un-Perfektheit und investiert stattdessen in seine Ausstrahlung und Einstellung. Da freut sich auch das morgendliche Spiegelbild beim Älterwerden… 😉

  2. Ich freue mich,
    … dass Caro keinen shitstorm geerntet hat. Jeder wie er mag. Die Behauptung der Darlehensaufnahme ist allerdings unglaubwürdig. Caro wollte sich wohl nicht wieder als reiches Mädchen beschimpfen lassen…. aber auch hier gilt…. jeder wie er will.

  3. Feminismus bedeutet dich auch
    Feminismus bedeutet dich auch, allein über seinen Körper verfügen ohne sich rechtfertigen zu müssen.
    Und genau das hat die Autorin hier gemacht.
    Un meinen Augen in jedem Fall gegenüber ihrer Einstellung vertretbar.
    Grundsatz finde ich im übrigen auch, dass wenn jemand wirklich unzufrieden mit sich ist und leidet, er jede Möglichkeit nutzen darf und kann, die ihm zur Verfügung steht, um dies zu ändern. Dazu gehört auch eine Brustop.
    Und die Darlehensfinanzierung ist aich okay, solange ich weiß, dass ich dieses Darlehen ohne Schwierigkeiten abzahlen kann. Verantwortungslos finde ich das nicht.

    Hut ab vor dem Mut, sich die Schwäche einzugestehen, diese zu ändern und dann auch noch offen darüber zu sprechen.

  4. Ich fand den Bericht sehr
    Ich fand den Bericht sehr spannend. Ich persönlich hätte zu viel Angst vor einer OP, kann aber verstehen, wenn sich andere Leute dafür entscheiden. Ich konnte vieles gut nachvollziehen, kann mich an den Blick in den Spiegel direkt nach der Geburt auch noch erinnern.
    Danke für den Bericht, ich fand ihn sehr spannend zu lesen und es beruhigt mich, dass scheinbar viele Frauen die gleichen Gedanken haben :-).

  5. Ich bin Mitte 30 und habe 4
    Ich bin Mitte 30 und habe 4 Kinder geboren. Mein Körper sieht nicht mehr aus wie mit 20, aber das ist ok und völlig normal.
    Ich gehe in meinem Leben voran und entwickle mich weiter. Dazu gehört nun mal auch, dass sich vom Embryo bis zum Totenbett mein Aussehen verändert. Ich kann damit sehr gut leben, mit Jugendwahn kann ich persönlich nichts anfangen.

    1. Aussehen verändert sich
      Natürlich verändert sich das aussehen und auch wenn man Kinder bekommt. Aber ich kann leider Deine Aussage null nachvollziehen. Wieso soll sich jemand so zufrieden geben wie er ist, wenn er es nicht ist??? Ich habe 2 Kinder geboren, bin ende 20 und ich werde mich sehr wahrscheinlich auch in paar Jahren „unters Messer“ legen. Mein Bauch sieht einfach aus wie von einer 80 Jährigen und das ist weder übertrieben noch sonst was. Es hängt da alles total, kein cm ist straff, nichts !! weil mein Bauch einfach absolut gedehnt wurde. Und ich bin sehr schlank (50kg) und das sieht absolut nicht sexy aus oder sonst was !!! Und damit fühle ich mich auch überhaupt nicht wohl. Soll ich jetzt den Rest meines Lebens mich immer in Sachen verstecken, damit niemand meinen Horror Bauch sieht? Ja ich habe dafür die 2 tollsten Kinder auf der Welt, aber das mit meinem Bauch hat Mutter Natur leider bei mir total vermasselt und dann wird dort nach geholfen. Ich möcht nämlich auch noch meinem Mann gefallen und vor allem möchte ich in den Spiegel schauen und sagen können WOW sehe ich gut aus!

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