Liebe Katja, als Du deinen heutigen Mann kennen gelernt hast, hatte er bereits ein Kind aus einer anderen Beziehung. Wie war das für Dich?
Mein Mann und ich waren zunächst nur Arbeitskollegen. Wir waren beide noch in anderen Beziehungen. Ich wusste, dass er eine Frau und ein Kind hat, das ungefähr drei Jahre alt war. Später hat er mir erzählt, dass er sich eigentlich Jahre zuvor von der Frau trennen wollte, die aber dann schwanger wurde. Deshalb ist mein Mann damals doch erstmal bei der Kindesmutter geblieben. Später hat die Kindesmutter dann die Beziehung beendet. Zur gleichen Zeit ging auch meine Beziehung zu Ende.
Wir kamen uns schließlich näher. Mir war von Anfang an klar, dass es diesen großartigen Mann nur mit Kind gibt.
Wie oft war seine Tochter bei Euch und konntest Du schnell eine Verbindung zu ihr aufbauen?
Nach der Trennung hat mein Partner seine Tochter eine zeitlang nur 1 Mal in der Woche am Nachmittag gesehen, später dann durfte sie 1 Mal die Woche auch über Nacht bei ihm bleiben. Das Mädchen hat es mir sehr leicht gemacht. Alles, was ich ihr „angeboten“ habe, hat sie aufgesogen – sei es basteln, Buch lesen, schwimmen gehen, kuscheln. Es war so, als würde sie das gar nicht kennen, dass sich jemand mit ihr beschäftigt.
Eines Tages aber änderte sich alles. Erzähl mal.
Zuerst muss man sagen, dass die Kindesmutter selbst aus etwas schwierigen Verhältnissen stammt und deshalb mit einigen Problemen zu kämpfen hat. Nach der Trennung hatte die Mutter schnell neue Partner und ist mit denen auch immer schnell zusammen gezogen. Das heißt: Die Tochter ist innerhalb weniger Jahre mehrfach umgezogen uns musste sich immer an neue Bezugspersonen gewöhnen.
Zu dieser Zeit, da war sie 6 oder 7 Jahre alt, sagte sie erstmals, dass sie gerne bei uns wohnen würden, weil sie nicht ständig umziehen will. Und dann eskalierte die Situation zwischen der Kindesmutter und ihrem damaligen Partner. Es kam zu einem Polizei-Einsatz.
Wie ging es weiter?
Eine befreundete Polizistin hat uns angerufen, dass mein Mann seine Tochter abholen soll bevor es das Jugendamt tut. Das haben wir natürlich getan und das Kind erstmal beruhigt und umsorgt.
Einige Tage später kam die Mutter zu uns und erklärte, wie würde mit dem Kind wegziehen – aus Angst vor dem anderen Mann. Wir haben versucht, ihr das auszureden, waren aber chancenlos. Mein Mann war nie mit der Kindesmutter verheiratet, daher war die ganze Sache noch schwieriger. Mutter und Tochter sind dann tatsächlich ins Saarland gezogen.
Doch das ging nicht gut…
Nein, deshalb kamen die beiden bald darauf schon wieder zurück, doch es gab keinen Plan für die Zukunft. Das Mädchen ging nicht regelmäßig in die Schule, es gab wenig Struktur im Leben. Aus dem Umfeld der Mutter gab es Hinweise an uns, mein Mann möge sich doch bitte um das Kind kümmern, man vermutete Verwahrlosung des Kindes. Er hat die Mutter darauf angesprochen und irgendwann im Streit meinte sie dann: „Na dann nehmt sie doch!“ Kurz darauf hat ein Bekannter der Mutter das Mädchen mit ihrem Schulranzen und ein paar Halbseligkeiten bei uns vorbei gebracht.
Was ging da in dir vor?
Ehrlich gesagt, war mein einziger Gedanke, dass ich dieses Kind „retten“ muss. Wahrscheinlich hätte ich mit viel Nachdenken nicht so einfach „ja“ gesagt, aber ich habe eine sehr pragmatische Seite und die Situation war einfach: Dem Kind geht’s schlecht, die Mutter kann oder will sich nicht kümmern, dass Kind hat einen Vater, der sich kümmern kann, ich liebe diesen Mann, auch weil er ein toller Vater ist, also unterstütze ich ihn.
Gab es auch kritische Stimmen aus Eurem Umfeld a la „Das Kind gehört zur Mutter“ oder „Willst du dir das echt antun?“
Meine Mutter war sehr vorsichtig, sie hatte einfach Angst, dass ich in eine Situation gedrängt werde, die ich nicht wirklich will. Die Familie meines Partners war eh der Meinung, dass das Kind beim Vater besser aufgehoben wäre.
Wir mussten einige juristische Hürden überwinden, bis das Mädchen offiziell bei uns wirklich leben durfte. Diese Absicherung war meinem Mann sehr wichtig, weil er keine Angst haben wollte, dass die Mutter jeden Tag vor der Tür stehen und das Mädchen holen könnte. Auf dem Jugendamt kannte man die Mutter schon und war trotzdem „vollkommen überrascht, dass sich der Vater kümmern will“.
Die Sache ging bis vor das Familiengericht, denn mein Partner konnte nur als Vormund für sein eigenes Kind eingesetzt werden, weil das Kind unehelich geboren wurde. Die Mutter hat trotz mehrmaliger Vorladung jede Stellungnahme zur Sache verweigert. Der Familienrichter hat nach etwa einem knappen dreiviertel Jahr die Sorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht meinem Mann zugesprochen.
Wie hast du das Mädchen in der ersten Zeit erlebt?
Der Anfang war dann doch etwas holprig. Andere Frauen haben neun Monate Schwangerschaft Zeit, sich an den Gedanken der Mutterschaft zu gewöhnen. Bei mir war das ja relativ überstürzt.
Dazu kam, dass sie früher ja nur ab und zu bei uns war und mich eher als Spielkameradin sah. Doch dann hatten wir ja die komplette Verantwortung und mussten Dinge durchsetzen, dir uns früher nicht so tangierten.
Es war schwierig, einen geregelten Tagesablauf zu etablieren, feste Strukturen umzusetzen, denn das kannte das Mädchen ja nicht. So simple Dinge wie regelmäßiges Duschen und Haare waschen, gemeinsam am Tisch sitzen und in Ruhe essen Das Zimmer in einem gewissen Ordnungslevel zu halten.
Nicht falsch verstehen, das Kind kannte das einfach nicht. Ihre Lieblingsantwort war „Wenn ich bei meiner Mama sage, dass ich das nicht will, dann muss ich das nicht! Die hat immer nachgegeben!“ Da bin ich schon oft an meine Geduldsgrenzen gekommen – besonders, weil ich immer alles ganz besonders gut mit ihr machen wollte. Damit habe ich vom Kind und mir anfangs viel mehr verlangt als wir beide hätten leisten können. Irgendwann haben wir uns Hilfe bei einer Beratungsstelle geholt und das würde ich auch immer wieder tun – es hat uns vieles erklärt, mich entspannt und das Miteinander erleichtert.
Wie ist die Situation heute?
Den Kontakt zur Mutter haben wir all die Jahre aufrechterhalten, mir war das auch wichtig, jeder muss seine Wurzeln kennen. Der Kontakt lief mal mehr oder weniger gut. Es gab auch Zeiten, in denen die Tochter gar keinen Kontakt zur Mutter haben wollte.
In der Pubertät hatten wir alle durch eine sehr schwierige Phase gegangen, mit knapp 17 Jahren ist die Tochter deshalb zu der Mutter gezogen. Heute sagt sie, dass die Entscheidung zur Mutter zu ziehen ein Fehler war. Damals hat meinen Mann und mich das aber sehr verletzt. Wir hatten all die Jahre so viel für sie getan und plötzlich zog sie die leibliche Mutter vor. Aber heute denke ich, sie musste sich einfach noch mal mit ihr auseinandersetzen.
Heute ist das Kind 26 Jahre alt und eine starke junge Frau, die sich mit ihrem Verlobten gerade ein Haus gekauft hat.
Dein Mann und du, ihr habt dann doch ein gemeinsames Kind bekommen – wie gehen die Geschwister miteinander um?
Unsere gemeinsame Tochter kam 2003 zur Welt und ist somit knapp 10 Jahre jünger als ihre große Schwester. Am Anfang war die Große wie eine zweite Mutti und wehe, jemand kam ihrer Schwester zu nahe. Die Kleine fand ihre große Schwester ganz toll. In der Pubertät kippte das etwas und es stellten sich Eifersüchteleien ein. Das hat sicher auch daran gelegen, dass ich zu meinem leiblichen Kind eine sehr enge Bindung habe. So lieb man ein Bonus-Kind auch hat, ich finde schon, dass es dennoch einen Unterschied gibt.
Was wünscht Du dir für die Zukunft?
Dass unsere Große trotz ihrer Geschichte und ihres Päckchens weiterhin einen guten Weg geht. Dass wir als Familie weiterhin so gut zusammen halten und ein gutes Team bleiben. Und dass ich – wenn mal Enkelkinder kommen – nicht mit der leiblichen Oma konkurrieren muss, sondern dass wir bis dahin einen entspannten Umgang mit der Kindesmutter haben.