Ihr Lieben, Lisa hat ja neulich schon geschrieben, dass mich auch ein fieser Virus erwischt hat. Es fing in der Nacht von Samstag auf Sonntag letzter Woche an. Gegen 3 Uhr bin ich davon aufgewacht, dass ich mein Blut im Kopf rauschen hörte (KEIN WITZ!!!!). Ich hatte zudem Herzrasen und zitterte. Ich stand auf, ging ins Bad, trank einen Schluck Wasser und dachte: "Hoffentlich ist das morgen früh nicht schlimmer."
Leider war es das. Als meine kleine Tochter wie üblich kurz nach sechs aufwachte, merkte ich sofort, dass irgendwas nicht stimmt. Ich hatte unglaubliche Kopfschmerzen, der Hals tat weh, eigentlich tat alles weh. Und auf dem Fieberthermometer stand 38,6.
Die Kleine aber war natürlich bestens ausgeschlafen und wollte nicht neben mir im Bett liegen bleiben. So schleppte ich mich ins Wohnzimmer, legte die Kleine auf die Krabbeldecke und mich gleich dazu. Ich hatte so Schüttelfrost, es ging mir so schlecht, dass ich da – morgens um sechs – auf dem Fußboden lag und heulte.
Mir war klar, dass ich den Tag auf keinen Fall mit zwei Kindern alleine schaffen würde – mein Mann würde erst um 18 Ihr nach Hause kommen, er war mit unserem Sohn auf einem Vater-Sohn-Wochenende.
Nur – wen ruft man am Sonntag morgen um kurz nach sechs an, wenn es einem schlecht geht? Ich beschloss: Niemand.
Ich nahm mir vor, irgendwie bis 8 Uhr durchzuhalten und dann eine liebe Freundin von mir anzurufen. Um viertel vor acht wachte meine große Tochter auf. Ich sagte ihr kurz, dass ich krank sei und dass sie alleine frühstücken müsse. Das tolle Mädchen machte sich also alleine Müsli, räumte danach sogar alles weg und ging zum Spielen in ihr Zimmer.
Meine Freundin, die nur ein paar Häuser weiter wohnt, stand tatsächlich um halb neun bei mir vor der Tür. Da dachte ich schon, ich müsse vor Kopfschmerzen sterben. Ich weinte und sagte, ich könne das Baby nicht versorgen. Und dass es mir total leid täte, was ich ihr zumuten würde.
Außerdem traf noch mein Bruder ein, der gerade zufällig in Berlin war, und holte meine große Tochter ab, um sie zu anderen Freunden zu bringen, wo sie bis Nachmittags bleiben konnte.
Um meine Große habe ich mir überhaupt keine Sorgen gemacht, aber es war das erste Mal, dass ich meine Kleine komplett abgegeben habe. Sie ist 7 Monate alt und ich stille nur noch einmal in der Nacht – daher wusste ich, dass meine Freundin sie füttern kann. Das hat mich zwar beruhigt, aber richtig wohl war mir nicht damit.
Meine Freundin hat mir versprochen, dass alles gut wird, dass sie die Kleine zum Mittagsschlaf wieder zu mir bringt und auch, falls sie sich total einbrüllen sollte.
Kaum waren alle aus der Haustür, fiel ich ins Bett und schlief, bis meine Freundin um kurz nach 12 Uhr mittags die Kleine wieder brachte. Sobald der Mittagsschlaf vorbei sei, würde sie sie wieder holen.
Und so kam es – meine kleine Tochter war, bis mein Mann nach Hause kam, fast die ganze Zeit bei meiner Freundin. Was machte das mit mir?
Es ging mir so schlecht, dass ich gar nicht groß darüber nachdenken konnte. Ich hatte keine Alternative. Und doch kam in Momenten, in denen das Fieber runter ging, das schlechte Gewissen durch. Ich fühlte mich schlecht, dass ich meine beiden Mädchen nicht um mich hatte, dass ich meine Freundin eingespannt hatte, ohne zu fragen, ob sie vielleicht andere Pläne gehabt hatte.
Ich heulte, weil ich krank war und weil ich mich irgendwie schuldig fühlte. Und gleichzeitig wusste ich, wie dumm das war. Meinen Töchtern ging es ja gut, sie waren in guten Händen, meine Freundin hatte mir mehrfach versichert, dass sie mir gerne helfen würde.
Und totzdem hatte ich Probleme damit. Das Zauberwort: Loslassen.
Mal wieder. Immer wieder.
Am zweiten Tag habe ich es geschafft. Ich habe losgelassen. Akzeptiert, dass ich mich gerade nicht kümmern kann. Und das das völlig ok so ist. Dass ich auf mich achten muss und gesund werden muss. Dass ich im Bett bleiben darf – muss. Dass es egal ist, wenn ich die Mails nicht sofort beantworte. Dass niemand Schaden davon trägt, wenn die Wäsche nicht gemacht ist. Dass meine Kinder es überleben werden, wenn ich mal nicht 24/7 für sie ansprechbar bin.
Und genau so war es auch. Allen ging es gut – und nach drei Tagen strikter Bettruhe ging es für mich auch wieder bergauf.
Und wisst Ihr was? Es fühlte sich gut an, losgelassen zu haben. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass es Menschen gibt, denen man das Liebste anvertrauen kann. Es ist gut, wenn man feststellt, dass es ein Fallnetz gibt, dass die Familie nicht zusammen bricht, wenn Mama mal ausfällt. Es tat gut, mal wieder nur für mich selbst verantwortlich zu sein, nur auf mich achten zu müssen.
Und gestern, als wir alle fünf gemeinsam das gute Wetter genossen, war ich so dankbar wie lange nicht mehr. Dafür, dass wir gesund sind. Dass wir zusammen halten. Dass wir uns haben – und noch viele andere Leute, die wir lieben und denen wir vertrauen.
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Liebe Katharina,
Liebe Katharina,
ich lag einmal mit einer schweren Lungenentzündung im Krankenhaus, die bereits eine Blutvergiftung ausgelöst hatte.
Das war der einzige Moment in meinem Mutterdasein, in dem mir der Verbleib meiner Kinder völlig egal war. Der einzige. Ich war derart krank, dass ich nur noch „überleben“ musste, sonst nichts. Drei Tage lang waren meine Kinder von meinem Radar verschwunden.
(Die Kinder waren gut versorgt)
Ansonsten ging und geht es mir (z.T. noch heute) wie Dir.
Als die Antibiotika anschlugen, ging sofort die Gedankenspirale los. Schadet es meinen Kindern, wenn sie notgedrungen lange im Kindergarten bleiben müssen? Jetzt im dunklen Herbst?
Noch mit Fieber und völlig geschwächt bat ich die betreuende Oma, den Kinder warme Schuhe zu kaufen – es sei doch so kalt, so nass.
Aber es ist wichtig. Loszulassen.
Ich habe es inzwischen weitestgehend gelernt.
LG SARAH