Über einen Ball, Streitereien und einen sehr spannenden Erziehungs-Ansatz

Eigentlich konnte er einem schon fast leid tun, der Ball. Er fristete ein trauriges Dasein in den letzten Wochen. Keins meiner Kinder beachtete ihn, er lag oft draußen, auch wenn es regnete, niemand freute sich an ihm.

Bis gestern. Da stolperte das Söhnchen im wahrten Sinne des Wortes darüber und seine Augen blitzten auf. „Fuball bielen!“, rief das Kind, schnappte sich den Ball und rannte begeistert damit die Straße rauf und runter.

Hach, was habe ich mich für den Ball gefreut.

Dann kam meine Tochter und sah, welchen Spaß ihr Bruder gerade hatte. „Ich will auch Fußball spielen“, rief sie. Und überhaupt, das sei ihr Ball, den hätte sie mal geschenkt bekommen und sich schon ganz lange gefragt, wo der denn sei. Denn Fußball spielen wäre eigentlich ihr größtes Hobby und es sei eine riesen Frechheit, dass ihr Bruder den Ball nun einfach klaue.

Sie habe sich heute morgen beim Aufstehen nämlich schon gedacht, dass sie heute unbedingt den Ball suchen wolle.

Ja ne, is klar…

Lange Rede, kurze Handlung: Die Tochter geht zum Bruder und reißt ihm den Ball weg. Was natürlich im Geschrei endet.

Beide stehen nun also vor mir und erklären, warum das selbstverständlich ihr Ball sei und warum sie auf keinen Fall zusammen damit spielen könnten.

Nur noch mal zur Erinnerung: Die letzten Wochen war der Ball so uninteressant wie ein weißes Blatt Papier.

Irgendwie ist das bei uns ganz oft so. Hat einer was, will der andere das auch unbedingt haben. Und zwar sofort, schon immer, am besten für immer.

Und dabei ist es egal, ob es ein Ball, ein Stock, ein alter Aufkleber oder ein Buch ist.

Das erzählte ich neulich einem Freund von mir. Und der sagte, bei seiner Schwester (die vier Kinder hat), sei das genau so gewesen. Bis die Familie letzten Winter für vier Wochen auf Sri Lanka gewesen sei. Dort hätten sie Kinder tagelang friedlich miteinander gespielt, worauf die Eltern grübelten, warum es zu Hause immer Zoff geben würde – und im Urlaub eben keinen.

Die Erkenntnis: Dort, am Strand von Sri Lanka, hatten die Kinder kein Spielzeug gehabt. Sie spielten miteinander, buddelten, spielten Verstecken, sammelten Muscheln.

Aber es gab keinen Bagger, kein Puzzle, keine Barbie, um die sie sich streiten konnten.

Zurück in Deutschland entsorgten die Eltern das komplette Spielzeug der Kinder – bis auf Bausteine, Malzeug und Bücher.

Das nenne ich mal Konsequenz…

Laut meines Freundes hat das bis heute die Situation im Hause seiner Schwester total entspannt. Die Kinder würden sich wieder mehr auf das Miteinander als auf das Gegeneinander konzentrieren.

Ich habe den Ball übrigens weggepackt, weil meine Kinder sich nicht einigen konnten. Und nach einem Gemotze malten die beiden dann mit Straßenkreide gemütlich vor sich hin…

So ganz unrecht scheint die Schwester meines Freundes also nicht zu haben. Was denkt Ihr darüber???? Ich bin gespannt..


4 comments

  1. Da denke ich in letzter Zeit
    Da denke ich in letzter Zeit so häufig drüber nach! Bei mir ist das Aussortieren bis dato nur daran gescheitert, weil ich einen Artikel gelesen hab, der sagt, dass Eltern mit dem Minimalismus zuerst bei sich anfangen sollten, damit das Kind es vorgelebt bekommt.
    Vielen Dank für den Beitrag ich werde es doch in Angriff nehmen!
    Liebe Grüße
    Katja

  2. Meine Kinder streiten auch um Steine o. Stöcke
    Mag sein, dass weniger Spielzeug entspannt, aber meine Kinder streiten auch, wer den größten o. schönsten Stein o. Stock hat – einen Grund zum Streiten gibt es immer. Ich finde es mehr als normal, dass sich Geschwister (und auch Kinder generell) häufig streiten. Es ist unser Eltern-Wunschdenken, dass alles immer nur harmonisch sein soll. Streit trainiert fürs Leben, gerade deswegen findet er oft unter Geschwistern statt, weil man sich da meist mehr zutraut. Wenn wir ehrlich sind, haben wir Großen nur gelernt, Dinge, die uns nicht passen, zu unterdrücken o. auf Seite zu schieben u. anders zu klären, also nicht immer direkt unserem ersten Impuls („der hat mich geärgert“) nachzugehen.

    Meine Kinder sind jetzt schon was größer (4 u. 7 u. 9 J.). Mir fällt es immer noch schwer, aber ich versuche, mich einfach weniger einzumischen. Genau das lernen Kinder ja durch die Auseinandersetzungen: Dinge selbst klären u. Lösungen finden. Manchmal geht es in die Hose u. einer zieht beleidigt u. heulend ab, häufig bekommen sie es aber echt schon selbst hin.

    Fröhliches Weiterstreiten, ist für mich echt so normal, wie der tägliche Ganz zum Klo, wichtig ist, dass wir Eltern es nicht immer auf uns beziehen u. die Nerven behalten (zumindest versuchen)

    LG
    Tanja

  3. Das kenn ich, also im kleinen
    Das kenn ich, also im kleinen Rahmen (ich hab ja bloß ein einzelndes Kind). Wenn wir hier Kinderbesuch bekommen, räume ich vorher alle Sachen weg, die Streit entfachen: Puppenbuggy, Laster, Laufrad, sowas. Es bleibt das Hüpfkissen, die Legos und die große Parkgarage mit vielen Autos. Und Bücher. Hat viel Entspannung reingebracht, und wir Eltern können uns auch mal unterhalten.

    Wenn ich mit einer guten Freundin und deren Sohn zu Spielplatz gehe, texte ich ihr manchmal vorher und sage, dass wir zB das Laufrad dabei haben. Sie bringt dann auch eines mit. Wir wissen, es gibt Streit, wenn nur eins der Kinder das Rad oder den Buggy hat, deshalb machen wir das so bei einigen heiß umkämpften Objekten.

  4. Meine können auch um nichts streiten
    wir waren neulich auch am Meer und hatten sehr wenig Spielsachen dabei Aber am Streitlevel hat das wenig geändert. Um sich beim Sandburgenbauen zu kloppen reicht es wenn eine einen Fahnenmast installieren möchte, die andere nicht. Zugbrücke ja oder nein, und überhaupt, „den Stein habe ich gefunden!“.
    Ich glaube nicht das „zu viel“ der Grund für die Streitereien ist. Wenn es im Urlaub bei uns weniger Streit gab dann lag das eher daran dass alles langsamer war, alle entspannter, und auf dem Zeltplatz ganz viele neue Freunde.
    Klar haben unsere Kinder von allen zu viel. Und voe allem viel zu schnell neues . Aber ich glaube nicht dass das für mehr Streit sorgt. Sondern eher dafür dass das Einzelne weniger geschätzt wird, die Dinge nicht pflegsam behandelt werden ( unser Ball liegt auch im Regen) und es wurschd ist wenn mal was kaputt geht.
    Mal die Hälfte aus dem Kinderzimmer zu entrümpeln finde ich immer gut. Dann sieht man das andere wieder und kann auch leichter aufräumen. Aber weniger Streit gibt es deshalb bestimmt nicht.