Im letzten Jahr sind meine kleine Tochter und ich sowas geworden wie Bonnie und Clyde, Mickey und Mini, Chip und Chap, Carrie und Big, Joko und Klaas – ok, ok, ich hör ja schon auf mit den Vergleichen – Ihr wisst ja, was ich meine: Wir waren praktisch nonstop zusammen.
Gewisse Handgriffe sind mir so ins Blut übergegangen, dass ich sie komplett automatisch mache – zum Beispiel, dass ich mein Auto immer hinten links aufsperre, weil da der Maxi Cosi ist. Oder dass ich immer zuerst den kleinen Schneeanzug aus dem Schrank hole, bevor ich meine Jacke anziehe.
Die Kleine war fast immer und überall dabei, beim Einkaufen, beim Wegbringen der Großen, beim Treffen mit Freundinnen, beim Kochen, beim Wäschemachen – wie das eben so ist mit einem Baby.
Nun haben wir ja mit der Eingewöhnung bei der Tagesmutter begonnen und das lief so super, dass sie gestern schon eine Stunde alleine dort bleiben konnte. Ich verabschiedete mich also, zog die Tür zu und stand alleine im Berliner Regen. Was mache ich denn nun, dachte ich.
Schnell einkaufen gehen? Oder in Ruhe einen Kaffee trinken? Arbeiten? Eine Freundin anrufen? Einen Power-Nap einlegen (die Nächte sind gerade mal wieder sch****e) oder eine kurze Runde joggen? Ich fühlte mich fast wie amputiert, als ich mein Auto an der Fahrerseite aufschloss.
Das ist schon wirklich krass, was sich da im ersten Jahr zwischen Mutter und Kind abspielt. Diese Bindung ist wahrscheinlich die Engste, die es überhaupt nur geben kann. Wir sind von Geburt an 24 Stunden im Einsatz, füttern, wickeln, trösten, kuscheln, fangen auf, unterstützen. Wir hören nachts schon den leistesten Piep, wissen meist genau, was unser Baby braucht – kurz: wir sind eine unglaubliche Einheit.
Und dann kommt – bei den einen früher, bei den anderen später – der Tag, an dem wir ein bisschen aus der Blase auftauchen und merken: Es gibt ja auch noch mich als Person, als Frau. Das ist erstmal total ungewohnt, weil wir loslassen müssen und Verantwortung abtreten müssen für das Liebste, was wir haben.
Aber es fühlt sich auch gut an, zumindest für mich. Ich saß also hinter dem Lenkrad, schnupperte den Geruch von Freiheit und stieg wieder aus dem Auto aus. Ich ging nicht einkaufen und traf auch keine Freundin. Ich ging ganz einfach spazieren. Ohne Kinderwagen, in meinem Tempo, in absoluter Stille. Dabei dachte ich über das letzte Jahr nach und mich erfüllte eine tiefe, tiefe Dankbarkeit.
Nach einer anstrengenden Geburt und echt harten ersten Monaten mit viel Geschrei ist meine Jüngste nun ein freundliches, sehr niedliches Mädchen geworden. Wir haben das zusammen durchgestanden, jeden Tag und jede Nacht. Unsere Bindung wird nichts zerstören – im Gegenteil – all die Nächte und all die Tage, die noch kommen, werden uns noch enger zusammen bringen. Sie wird für immer mein Kind bleiben und ich für immer ihre Mutter, die sie unendlich liebt.