Schluss mit der Lästerei – Lasst Bettina Wulff in Frieden

Liebe Caro,

vergiss alles, was ich je über Bettina Wulff gesagt habe. Ich habe am Wochenende ihr Buch gelesen. Ich habe mal hochgerechnet, wie viele Zeitungen und Zeitschriften ich hätte kaufen müssen, um alles über das Buch zu erfahren und da war der Kauf des Buchs selbst noch die günstigste Variante.

Es ist sehr leicht über die Dame zu lästern. Wir kennen sie nicht und wissen trotzdem unheimlich viel über sie. Sie ist jung, also können wir – also besonders die Generation Internet – uns besser mit ihr identifizieren als wir das zum Beispiel mit einer Daniela Schadt können. Und da uns der Anstand verbietet, über Bekannte und Freunde zu lästern, ist es ja ein Leichtes, sich so ein prominentes Persönchen vorzuknöpfen. Mir ging es ja genauso. Mein medial geprägtes Halbwissen über die Dame führte zu dem ein oder anderen hämischen Kommentar.

Zu Unrecht!

Ja, das Buch war ein Schnellschuss und ich kann verstehen, dass die Feuilletons nicht jubeln über den Stil. Es gibt Flüchtigkeitsfehler, das letzte Kapitel wirkt so wütend, dass man vermutet, das Lektorat habe dafür keine Zeit mehr gehabt und eine Autoren-Vita wurde komplett vergessen. Für Frau Wulff ist die ja auch nicht allzu nötig, aber zumindest von der Zweit-Autorin Nicole Maibaum hätte man als Leser doch gern gewusst, um wen es sich dabei handelt. Nun gut, aber um den Stil ging es Bettina Wulff ja nun auch nicht.

Es ging ihr darum, sich wieder ins rechte Bild zu rücken, nachdem Medien sie über Monate zerrissen haben. Sie erzählt ihre Sicht der Dinge und ich wünschte wirklich, dass all die Lästerer sich erst einmal ihre Worte durchlesen, bevor sie sich weiter lustig machen. Denn das Buch erzählt die Geschichte einer Frau und Mutter, die zwischen Staatsbesuchen und Kita hin- und hergerissen ist. In jeder Zeile denkt man: Wow, das könnte ja ich sein und das ist genau auch das Problem. Sie war uns zu normal für dieses Amt. Sie war eine von uns. Das berechtigt uns aber noch lange nicht dazu, sie fertig zu machen, nur weil sie eben nicht sämtliche menschlichen Züge abgelegt hat, der Maskerade wegen.

Mein Mann hält mich für schwachsinnig, seit ich auf ihrer Seite stehe. Und so denken scheinbar viele. 80 Prozent der Deutschen haben angeblich kein Mitleid mit ihr, schreibt der Spiegel. Mein Mann sagt: „Die wollte doch immer nur an die Spitze, die hat sich das doch so ausgesucht“. Aber so einfach ist es doch nicht! Ja, sie hat sich in einen Ministerpräsidenten verknallt, aber sie hat das sicher nicht getan, um First Lady zu werden. Vielleicht gibt es Frauen da draußen, die davon träumen, mal First Lady zu werden, das heißt aber noch lange nicht, dass Angela Merkel am nächsten Tag anruft und die Nominierung bekannt gibt. Und bei Herrn Wulff war diese Kanditatrur ja auch – jetzt mal ganz ehrlich – nicht zu erwarten. Von keinem. Und das war sicher auch der Grund, warum er und seine Frau so in der Luft zerrissen wurden. Zudem: Woher bitteschön will die ganze Republik wissen, dass Bettina Wulff nur nach Luxus gierte? Weil es in der Presse stand? So wie all die erfundenen Rotlicht-Märchen? Sie selbst sagt: Absoluter Quatsch das mit dem Luxus. Und ich nehme ihr das ab: Wieso sonst hätte sie sich ein Klinkerhäuschen in Großburgwedel ausgesucht und nicht eine Villa in einer Szenegegend? Wieso sonst macht sie auf Malle Urlaub statt auf die Malediven zu fliegen? 

Eben. Weil sie einfach eine ganz gewöhnliche Person ist. Die sich darum sorgt, dass ihr Sohn auf dem Schulhof gehänselt wird, nur weil er mal den Papst getroffen hat. Die gern nicht nur als „Frau von“ wahrgenommen wird, sondern gern als eigenständige Person, die gern arbeiten geht. Die darunter gelitten hat, ihre Kinder aus der niedersächsischen Geborgenheit rauszunehmen, um in Berlin in einer 24 Stunden überwachten Villa zu wohnen. Ich hätte da auch keinen Bock drauf, selbst wenn ich dafür Michelle Obama zum Kaffee treffen könnte. Viel lieber würde ich Frau Wulff mal treffen und mal von Frau zu Frau, von Mutter zu Mutter, von Land-Mama zu Land-Mama mit ihr zu quatschen. Falls Sie das also lesen, Frau Ex-Bundespäsidentengattin… Ich würde mich über eine Einladung freuen!

Kommt Ihr mit? Oder lästert Ihr weiter?