Mama-Glück?: Gemischte Gefühle nach der Geburt sind vollkommen normal

Unsere Leserin hat ihre Drillinge kerngesund zur Welt gebracht. Alle Welt freute sich so über die Geburt und die kleinen Wunder. Doch Mama haderte. Damit, dass andere sich nachts um ihre Kleinen kümmerten. Sie erkannte sich selbst nicht wieder.

Dass solche großen, ambivalenten Gefühle nach der Geburt vollkommen normal sind, wusste sie da noch nicht. Mi ihrem Text möchte sie all jenen Mut machen, die sich wie sie nicht getraut haben, darüber zu sprechen, dass neben dem großen Glück auch ganz schön viele Ängste und Sorgen mit im Gefühlscocktail auftauchten.

"Als unsere Kinder vor einigen Jahren in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kamen, hatte ich schon viereinhalb Wochen im Krankenhaus verbracht. Mit Hilfe von Wehenhemmern, einem wunderbaren Arzt und meinem sozialen Umfeld, das mich umsorgt und in allem bestärkt hat, konnten wir es schaffen, die Geburt bis zur 32. Woche hinauszuzögern.

Nun war also der große Tag gekommen und unsere Drillinge erblickten – zwar noch klein, aber kerngesund – das Licht der Welt. Trotzdem würde es noch sieben Wochen dauern, bis wir unsere Mädchen mit nach Hause würden nehmen können.

Nach einigen Tagen hatte ich jedoch das Gefühl, dass sich bei mir im Gegensatz zu allen anderen das Gefühl des Glücks einfach nicht einstellen wollte. So viele Menschen traf ich in den Tagen nach der Geburt, alle mit einem strahlenden Gesicht und den Worten, wie toll doch alles verlaufen sei.

Objektiv war mir völlig klar, dass all diese Menschen Recht hatten. Die Kinder und ich wurden bestens medizinisch versorgt und die Krankenschwestern und Ärzte waren alle sehr nett… und doch schmerzte mein Herz jeden Abend unglaublich.

Ohne meine Kinder nach Hause gehen zu müssen, das fühlte sich nach einer völlig falschen Situation an. Ich fühlte mich sehr verloren und ja, auch undankbar – schließlich ging es uns doch allen gut. Warum also konnte ausgerechnet ich mich dem Glück nicht anschließen?

Wenn ich morgens in die Klinik kam und eine Schwester mir sagte: "XY hatte eine sehr unruhige Nacht aber ich habe viel mit ihr gekuschelt und dann ging es ihr besser", konnte ich das kaum aushalten. Ein fremder Mensch tröstet mein Kind und ich sollte auch noch dankbar dafür sein?

Ich weiß, wie ungerecht mein Gefühl gegenüber den vielen Menschen war, die für uns immer nur das Beste wollten… aber in dem Moment konnte ich einfach nicht anders. Einmal sagte ein Arzt zu mir „Fahren sie doch nochmal ein Wochenende in den Urlaub ihren Kindern geht es hier doch gut“. Für mich war das vollkommen unvorstellbar. Ich wollte doch gerade bei meinen Kindern sein!

Diese Mischung aus Neid auf das Glück der Anderen und Überforderung mit dieser völlig neuen Situation machte mich fertig. Zumal dies überhaupt nicht meinem Wesen entsprach! Ich versuchte doch eigentlich immer allen wohlwollend gegenüberzutreten.

Mir ging es emotional sehr schlecht, doch ich traute mich einfach nicht, das auch klar zu äußern. Ich ließ nichts von diesen Gefühlen nach außen dringen, sondern blieb damit völlig für mich allein, weil ich nicht den Mut hatte, darüber zu reden. Alle Welt war doch so glücklich und ich sollte ihnen jetzt sagen, dass mir ständig zum Heulen zumute war? Ich habe sehr lange gebraucht, diese Zeit anzunehmen und zu verarbeiten und noch heute verspüre ich manchmal Schmerz, wenn ich daran denke. 

Als die Kinder etwa anderthalb Jahre alt waren, hatte ich das Gefühl ich müsste etwas tun, um dieses Thema endlich abzuschließen und meine Gedanken an diese Zeit in eine andere Richtung zu lenken. Den Schmerz, den diese Zeit verursacht hatte, konnte und wollte ich annehmen, um damit abzuschließen oder zumindest meinen Frieden zu schließen.

Ich habe damals viel gelesen und regelmäßige Sitzungen bei einem Mentalcoach wahrgenommen, um mit ihm zu ergründen, was eigentlich mit mir los war und wie ich diese Zeit anders einordnen kann. Ich hätte mir rund um die Geburt gewünscht, dass mich jemand gefragt hätte, wie es mir eigentlich geht, jeden Abend ohne meine Kinder nach Hause gehen zu müssen. Wie sich das anfühlt, diese kleinen Menschen für eine sehr lange Zeit in sich zu tragen und von einem Tag auf den anderen dann auch noch räumlich getrennt sein zu müssen.

Diese damit verbundene Ohnmacht nicht in sich zu tragen, sondern offen damit umzugehen, hätte mir sicher sehr geholfen. Ich möchte jedem, der sich in diesem Text wieder erkennt, Mut machen, darüber zu reden. Anzunehmen, dass es okay ist, wenn man in Ausnahmesituationen neben Glück noch Gefühle wie Überforderung, Verlorenheit und Unsicherheit spürt.

Als ich mich neulich mit einer Zwillingsmama unterhielt, kamen wir auf dieses Thema zu sprechen. Sie sagte dann irgendwann „Du bist die Erste, die mich versteht“. Ihr war es genauso ergangen und seitdem lässt mir das keine Ruhe. 

Es ist so wichtig, zu wissen, dass eine Situation, die für andere objektiv mehr als in Ordnung ist, sich für einen selbst alles andere als in Ordnung anfühlen kann. Alle Menschen, die mich damals umgaben, wollten ja immer nur das Beste. Wenn man nicht selbst in dieser Situation ist, ist es sehr schwierig dies nachzuvollziehen.

Darum finde ich es wichtig, ohne Scham darüber zu reden, dass diese erste neue Familienzeit unter besonderen Voraussetzungen mehr Aufmerksamkeit benötig als "nur" die medizinische Betreuung."

Wenn ihr Kontakt zu unserer Gastautorin aufnehmen wollt, schreibt uns einfach eine kurze Nachricht. Wir vermitteln dann gern.

 

Hilfe für Betroffene:

In Köln begleitet Nicole Ebrecht-Fuß Frauen, denen es ähnlich ergangen ist. Sie bietet auch die deutschlandweit einzige Selbsthilfegruppe für Frauen nach traumatisch erlebter Geburt an: Winyan.

Außerdem bietet der Verein Schatten und Licht Hilfen bei Krisen rund um die Geburt.

Zum Weiterlesen:

Von der Angst, keine gute Mutter zu sein (Spiegel Online)

Wie kann ich dich halten, wenn ich selbst zerbreche? Eine sehr persönliche Buchrezension

Wie Ulrike nach einer postpartalen Depression noch ein Kind bekam

 

 

 


5 comments

  1. Hallo liebe drillingsmama,
    Hallo liebe drillingsmama, ich habe zwar keine Drillinge bekommen sondern jeweils ein Kind, aber ich fand die Umstellung nach der Geburt auch jedes Mal schwer und habe unter Wochenbett Depressionen gelitten. Beim zweiten Mal war ich auch bei einer Psychologin, die gesagt hat, dass es völlig normal ist und fast alle Mütter trifft. Das hat mich sehr beruhigt!
    Aber was ich wirklich nicht verstehe ist, warum du nicht bei deinen Kindern bleiben konntest? Ich hatte meine Kinder niemals alleine im kh gelassen, auch wenn sie da gut aufgehoben sind… So neu geboren gehören Babys einfach zur Mama und das tut auch der psyche der Mutter gut!
    Lg Julia

    1. Nicht immer die Wahl
      Sorry, aber zu sagen „ich hätte meine Kinder nie alleine im Krankenhaus gelassen“ geht gar nicht. Ich wurde drei Tage nach dem Kaiserschnitt mit meinen Zwillingen auch gegen meinen Willen „entlassen“ weil bei mir ja alles gut verheilt war.
      Meine Kinder lagen zu der Zeit auf der Kinderintensiv und blieben noch etwa 3 Wochen im Krankenhaus. Leider hat man als Mutter nicht immer die Wahl, z. B. weil die Betten gebraucht werden. Ist nicht schön, aber wahr…

      1. Das möchte ich adhoc
        Das möchte ich adhoc zustimmen.
        Genau diese „Untertöne“ (wenn vielleicht auch gar nicht so wertend gemeint) verursachen doch nur noch mehr Schuldgefühle, wenn man eh schon das Gefühl hat als Mutter nicht richtig zu „ticken“.
        Liebe Grüße

  2. Das macht mich so wütend
    Liebe Drillingsmama.
    das zu lesen macht mich so wütend. Man hat gerade drei (!!!) Kinder bekommen und soll in den Urlaub fahren!? So viel besser die Planungen, Kinder und Mütter nahe bei einander unterzubringen schon geworden sind, warum konntest Du die Nächte nicht im Krankenhaus bleiben? Die Kinder waren ja nicht in Lebensgefahr, man hätte Dich doch bei ihnen unterbringen können.
    Zum anderen: Ich finde es erbärmlich wie sehr die Betreuung der Mutter nach der Geburt im Vergleich zum Neugeborenen in Deutschland zurückfällt. Ein Frauenarztbesuch nach vier Wochen bei dem man Allererweltsfloskeln zu hören bekommt, wenn man mit Inkontinenz, Hämorrhoiden oder Gewichtsproblemen zu kämpfen hat.
    Eine Selbsthilfegruppe für traumatisierte Frauen ist natürlich ein gutes und wichtiges Angebot, aber nur weil man nicht völlig traumatisiert ist, haben doch viele Frauen an der Geburt zu knabbern und etwas zu verarbeiten und möchten sich austauschen. Es ist ja schön, dass viele Krankenhäuser mit Hebammengeleiteten Kreissälen werben, wie unterbesetzt diese dann sind und welchem Streß die anwesenden Hebammen ausgesetzt sind (die viel auffangen könnten), steht auf einem anderen Blatt.
    Grrrr 🙂
    Marion

  3. Mir ging es ähnlich
    Auch wenn unsere Situation anders war, kann ich es verstehen. Unsere Tochter kam bei 40+2 spontan, schnell und gesund zur Welt. Die Schnelligkeit der Geburt, über die ich mich eigentlich freute, war es aber schließlich, die mir alles so schwer machte: Anscheinend hatte die Maus unter der Geburt ziemlichen Stress, die Körpertemperatur war bei 35,x°, der pH-Wert des Blutes war auch nicht gut, die Nabelschnur hatte um den Hals gelegen und sie hat sich mit der Hand am Kopf rausgeschoben. Sprich, ich hatte sie ganz kurz auf meinem Bauch liegen, wo ich sie kaum sehen, geschweige denn anfassen konnte, und dann wurde sie zur Untersuchung weggebracht. Eine Stunde wußten wir nicht, was los ist. Danach wurde sie angelegt, da aber beim Trinken die Sauerstoffsättigung sank, musste sie wieder auf die Neo. Es war alles irgendwie surreal. Vor allem als ich irgendwann alleine in meinem Krankenzimmer lag. Ich hatte das Gefühl, ich sollte glücklich sein, dass unsere Tochter da ist, aber sie sollte doch bei mir sein, in einem kleinen Bettchen neben mir liegen. Am nächsten Tag kam irgendwann das Gefühl dazu, ich sollte doch eigentlich im Wochenbett liegen, stattdessen war ich auf Krankenhausfluren unterwegs oder saß auf unbequemen Stühlen, die meinen Geburtsverletzungen nicht zuträglich waren. Und genau da kam auch der Neid auf alle, die diese ersten wundervollen Tage so genießen dürfen dazu. Und gleichzeitig die Undankbarkeit, weil doch alles eigentlich gut war. Wenn ich jetzt darüber schreibe, kommen mir immer noch die Tränen.

    Ich hatte noch einige Zeit daran zu knabbern und dadurch auch Schwierigkeiten das Gefühl Mama zu sein zuzulassen. Geholfen hat mir eine Hebamme. Wir hatten einen Geburtsvorbereitungskurs bei zwei Hebammen. Die eine war immer recht mütterlich und gefiel mir auf Anhieb, mit der anderen wurde ich erst nicht so richtig warm. Die Wochenbettbetreuung sollte die erste übernehmen. Nach der Geburt saß ich aber in einer Nacht mit der zweiten zusammen und habe ein tolles Gespräch geführt. In der weiteren Betreuung mußte sie dann irgendwann für die Kollegin einspringen und hat mir emotional sehr geholfen, in dem sie gefragt hat, wie es mir denn gehen würde? Wie ich klar käme? Welche Sorgen ich hätte? Hier war es so, dass es eben mal um mich und nicht um das Kind ging. Das hat sehr gut getan.

    Ich glaube, es geht mehr Frauen so, aber es soll immer alles toll und super sein und wird auch in den Medien eben so dargestellt, aber dass es eben eine Gefühlsachterbahn ist, sagt einem keiner. Und das macht es dann noch schlimmer.