Ich habe meine Tochter still geboren – Bericht einer Sternenmama

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Zeilen schreiben soll oder nicht. Zuerst zu uns: Wir sind eine junge Familie, Paul 26 Jahre, unsere Kinder Marie 5, Tim 3 und ich ,27 Jahre alt. Mein Mann und ich wollten unser kleine Familie wachsen lassen und beschlossen, noch einmal schwanger zu werden.
 
Ich wurde sofort schwanger, aber die große Freude wollte sich irgendwie nicht einstellen. Wir schoben es auf den Stress, der uns wegen des Umzugs von einer Großstadt in ein kleines Dorf, bevorstand. 
 
Bei den Kontrolluntersuchungen war immer alles prima, das Kind entwickelte sich bestens, es war also eine ganz normale Schwangerschaft. Und doch ließ mich dieses Gefühl, irgendwas würde nich stimmen, nicht los. Ich beruhigte mich. Was solle denn denn nicht passen? 
 
Und dennoch haben wir Freunden und auch unseren Kindern erst sehr spät von der Schwangerschaft erzählt. Ich wollte abwarten, weil ich eben ständig dieses Gefühl hatte…
 
Die Wochen vergingen, doch das Baby strampelte nie, so dass ich es gespürt hätte. In der 20.Schwangerschaftswoche hatte ich einen Termin bei meiner Hebamme. Ich fragte sie, ob das normal sei, dass ich nichts spüre. Sie meinte: "Jaja kann sein, das wird bald kommen, dann spürst du das Baby regelmäßig." 
 
Trotz der beruhigenden Worte konnte ich ab da nicht mehr richtig schlafen. Ich wusste einfach, dass was nicht stimmt. Auch mein Mann versuchte, mit Mut zuzusprechen, mein komisches Gefühl blieb. 
 
An einem Freitag in der 21. Schwangerschaftswoche hatte ich das Gefühl, dass ich Fruchtwasser verliere. Aber noch immer nicht konnte ich oder wollte nicht wahrhaben, dass etwas nicht stimmt. Samstag gingen wir noch auf eine Familienfeier, dort fühlte ich mich so unwohl und musste mir eindlich eingestehen, dass ich Fruchtwasser verliere. 
 
Mein Mann und ich fuhren ins Krankenhaus. Die Ärztin machte einen Ultraschall. Da war nichts. Kein Herzschlag, keine Bewegungen. Die Ärztin sagte die Worte, die keine werdende Mutter hören möchte: Es tut mir leid, Ihr Kind ist verstorben. 
 
In diesem Moment wusste ich nicht, was passierte. Ich konnte nur an zwei Dinge denken: Wie soll ich meinen Kindern sagen, dass ihre Schwester gestorben ist? Und wie soll ich das Baby auf die Welt kriegen?
 
Es riss mir den Boden unter den Füßen weg, es war wie im Film, in einem sehr schlechten Film. In meinem Kopf die Fragen: Warum? Warum wir? Warum jetzt? Bin ich schuld an ihrem Tod? Wie soll es weiter gehen? Ich lag auf dieser Liege undd verfluchte die Welt. Verfluchte das verdammte Schicksal.
 
Es wurde vereinbart, dass die Geburt zwei Tage später eingeleitet werden sollte. Zuhause angekommen, ist mein Mann zusammen gebrochen. Er weinte so sehr, wie ich es noch nie vorher gesehen hatte. Zusammen mit den Kindern zündeten wir eine Kerze für unser verstorbenes Baby an und versuchten kindgerecht zu erklären, was passiert ist, was passieren wird und warum Mama und Papa so traurig sind.  Das Wochenende verbrachten wir mit weinen, lachen und trösten. Wir kuschelten zu fünft (Baby im Bauch) im Bett und versuchten zu begreifen, was gerade mit uns passiert.
 
Dann wurde die Geburt eingeleitet, unter schmerzvollen Wehen und nach neun Stunden wurde unsere Prinzessin geboren. Sie war einfach perfekt, perfekt für uns. Wir machten viele Bilder von ihr, wir wickelten unser Baby in Tücher und kuschelten mit ihr, flüsterten ihr Geheimnisse ins Ohr und streichelten sie. Sie wurde gewogen und gemessen. Es stellte sich heraus, dass die Todesursache eindeutig eine Nabelschnuranomalie war und das Baby dudurch untersorgt wurde. 
 
Die weltbeste Hebamme begleitete uns auf diesem besonderen Weg. Ein Weg der Freude, ein Baby zu bekommen, aber auch die Gewissheit zu haben, dass wir wieder alleine nach Hause gehen würden. Ich verbrachte noch eine Nacht in der Klinik und wurde dann entlassen. Zu Hause verkrochen wir uns und weinten. Es war so unwirklich, ich war so unendlich traurig, mein Herz war leer. Aber ich musste auch stark sein für meine anderen Kinder und versuchte, trotzdem für sie da zu sein.Sie haben mir gezeigt, dass das Leben trotzdem schön ist und wie kindlich der Tod wahrgenommen werden kann.
 
Mein Mann und ich hat diese Zeit zusammen geschweißt. Wir fühlen uns vom anderen noch mehr geliebt und halten fest zusammen. Wir schätzen einander und wissen, dass wir jeden Berg gemeinsam besteigen können. Unsere Kinder haben nun eine Schwester im Himmel, einen besonderen Stern, der über sie wacht. Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich mit meinen tollen Kindern und meinem wunderbaren Mann erleben kann. 
 
Wie geht es mir heute? Ich arbeite wieder, manchmal sitze ich einfach da und weine und lass zu, dass ich unendlich traurig bin, dass dieses Kind nicht bei uns nicht. Manchmal schaue ich verstohlen andere Babys an und beneide schwangere Frauen um ihre gesunden Kind im Bauch. Die Frage nach dem Warum ist geblieben. Manchmal denke ich, dass uns unser Sternenmädchen auserwählt hat, weil wir die Kraft hatten, ein Kind zu Grabe zu tragen. 
 
Vielleicht hat irgendwann noch ein viertes Kind Platz in unseren Herzen und hier auf Erden und macht sich auf den Weg zu uns. Noch bin ich noch nicht bereit für diesen Schritt, aber wer weiß, was das Leben noch so bringt…
 
Foto: unsplash
 
 

2 comments

  1. ☆Mein Beileid ☆
    Es ist so traurig was ich grade in den 2 Minuten lesen habe ich habe nach ne Antwort gesucht jetzt weiß ich es was ich fragen wollte danke das ihr euch bereit erklärt habt diesen Schicksal zur teilen ich wünsche euch viel Kraft und alles liebe haltet als Familie zursammen aber das tut ihr ja bereits und bei Gott ist jedes Kind gut aufgehoben und noch mal Danke 🙂

  2. Das hast du schön geschrieben
    Das hast du schön geschrieben! Es tut mir sehr leid für euch und ich wünsche euch weiterhin die Stärke mit diesem Schicksal zu leben. Ich habe diese Erfahrung auch machen müssen und war sehr redebedürftig danach, musste aber feststellen, dass niemand bei diesem Thema zuhören mag. Ich habe danach noch zwei gesunde Kinder zur Welt bringen dürfen, aber Schwangerschaft und Geburt waren nach der Erfahrung nicht mehr unbeschwert. Danke für deine berührenden Zeilen. Alles liebe!