Hört auf zu jammern, Ihr Eltern? Nö!

Ihr Lieben, vor einigen Tagen habe ich den Text „Ihr wollt Kinder? Dann bekommt sie doch einfach. Und: Hört auf zu jammern! — Ein Rant.“ auf unserer Facebookseite verlinkt. Und aufgrund Eurer Reaktionen darauf, widme ich dem Ganzen jetzt doch auch noch einen eigenen Blogbeitrag.

Die Autorin ärgert sich in ihrem Text darüber, dass das Jammern unter Eltern scheinbar zu einem Trend in unserer Gesellschaft geworden ist. Sie zählt etliche Werke auf, die sie gelesen hat und schreibt:Die Kurzzusammenfassung nur dieser wenigen Werke lautet: Ihr seid gerade dabei, Euer Leben aufzubauen und denkt vielleicht an Kinder? Lieber nicht, ihr könntet es noch nicht perfekt vorbereitet haben. Ihr habt einen Alltag, der aus spannender, erfüllender Arbeit, Weinabenden mit Freunden, der Vorbereitung für den Halbmarathon und dann und wann einem Kurztrip zur Entspannung besteht? Mit Kindern ist das alles vorbei! Ihr habt gar eine Karriere und verwirklicht Euch beruflich? Das ist für Menschen, die Ihr Leben nicht der Firma schenken möchten, leider nicht möglich. Denn weder Politik noch Unternehmen unterstützen Familien. Jedenfalls zu wenig. So oder so geht am Ende die Beziehung kaputt. Denn entweder zerbricht sie unter dem Druck, dass jeder alles will oder sie zerbricht daran, dass eine Person seine Persönlichkeit zur Unterstützung des anderen über Jahre zurückstellt. DAS IST DOCH KEIN WUNDER, DASS DIE LEUTE KEINE KINDER MEHR BEKOMMEN, WENN SIE DAS LESEN!“

Diese Schlussfolgerung teile ich nicht. Die Leute bekommen meines Erachtens nicht keine Kinder, weil sie irgendwo gelesen haben, dass es womöglich anstrengend werden könnte. Absolut nicht, es gibt so viele äußere Faktoren, die bedacht werden könnten, aber das doch nicht. Und ich habe auch sowas von überhaupt gar nicht das Gefühl, dass einem das Kinderkriegen in Deutschland medial madig gemacht wird. Auch wir jammern hier im Blog gern öffentlich. Und trotzdem wird jeder, der genau hinsieht, feststellen, welches Glück trotzdem zwischen den Zeilen durchwabert. Wir jammern, um Druck abzulassen, so wie wir uns manchmal über den Chef aufregen oder über die Schwägerin der Nachbarin, die immer grün-karierten Nagellack trägt. Nur, weil der Chef aber ab und zu mal doof ist, stelle ich doch nicht meinen gesamten Job in Frage! Und nur weil meine Nachbarin nicht meine Nagellackfarben-Vorliebe teilt, ziehe ich doch nicht um oder bereue, in diese Gegend gezogen zu sein! Das ist doch Schwachsinn. Was ich sagen will: Wir lieben es, Kinder zu haben! Aber wir sind doch auch nur Menschen und manchmal haben wir gute und manchmal eben weniger gute Phasen. Da gibt es natürlich auch Tage, an denen ich mich beschwere. Über die Unordnung, über die Streitereien, über die Lautstärke der Kinder. Aber das heißt doch nicht, dass ich meine Grundentscheidung für Kinder in Frage stelle! Und vor allem bedeutet das auch nicht, dass wir damit schuld daran sind, dass in Deutschland nur noch so wenige Menschen Kinder bekommen wollen. So ein Quatsch! 

Des Weiteren beschwert sich die Autorin darüber, dass wir in Deutschland zu undankbar sind, weil doch hier schon alles super läuft. Trotzdem finde sie kein einziges Buch, das „100 Gründe ein Baby zu bekommen heißt“. Wie bitte? Warum jammern wir denn plötzlich öffentlich? Als Gegenmaßnahme nämlich! Als Gegenmaßnahme zu all den perfekten Rama-Familien, der gefotohoppten Nicht-Realität von Eltern, die uns durch Plakate, TV und Zeitschriften suggeriert wird! Endlich dürfen wir auch mal öffentlich sagen, dass eine Windel verdammt nochmal stinkt! Und dass nicht-durchgeschlafene Nächte zum Kotzen sind. Früher war das schlicht nicht möglich. Was müssen die alles runtergeschluckt haben, damals, die Familien! Wir sind realistische Eltern mit Höhen und Tiefen. Und das Beste: Wir dürfen öffentlich dazu stehen. Das empfinde ich als Errungenschaft. Gerade dadurch, dass wir zeigen, dass auch Mütter und Väter mal Schwäche zeigen dürfen, machen wir das Elternsein doch zu etwas, das durchaus machbar ist. Viel Kinderlust-hemmender müssen doch die Heile-Welt-Darstellungen wirken, denn die bauen doch einen sehr unerstrebenswerten Druck auf, oder nicht? You must be perfect. Von wegen! Da machen wir nicht mit. Wir haben ein Recht auf Unperfektsein und genau das fordern wir – nun eben auch öffentlich – einfach ein. Endlich!

Und die Autorin stänkert weiter und fragt uns: „Ganz ehrlich, liebe Redakteure(Innen) in Eurer Mittelschichts-Wohlfühl-Welt, was genau habt ihr Euch denn gedacht, bevor ihr Kinder bekommen habt? Dass ihr Euer Leben aus 45–50 Stunden Wochen, einem Partner der genauso viel arbeitet, Euren Hobbies, den Kochabenden mit den Freunden, dem Sport, dem zweimal im Monat ins Theater oder ins Kino gehen genauso weiterleben könnt, nur mit dem kleinen Unterschied, dass nun ein Kind in der Familie lebt? Ja offensichtlich.“

Was wir gedacht haben, bevor wir Kinder bekamen? Dass wir uns da auf ein Wahnsinns-Abenteuer einlassen, das uns Sinn gibt und uns mit Glück fluten wird. DAS haben wir gedacht. Und – Überraschung! – genauso ist es gekommen! Ja! Und trotzdem ärgert es mich manchmal, dass ich einen teuren Babysitter bezahlen muss, wenn ich mal ins Kino will. Ja. Das fließt beides ineinander. Das Glück und die Umstände. Im Text heißt es weiter:

„Es geht überhaupt nicht um die Unmöglichkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht um die Unmöglichkeit der Verwirklichung von komplett unrealistischen Vorstellungen. Natürlich ist nicht alles möglich. Ich kann nun mal nicht aussehen wie Heidi Klum, einen Vorstandsposten bekleiden, an drei Nachmittagen in der Woche mit den Kindern zum Malen/Turnen/Singen gehen, selbst für den nächsten Triathlon (olympische Distanz natürlich!) trainieren und noch zwei Abende die Woche geschminkt, gut gelaunt und vor Esprit sprühend mit dem Ehepartner essen gehen. Natürlich nicht! Das hat aber nichts mit einer mangelnden Vereinbarkeit zu tun. Sondern damit, dass nun mal nicht alles zeitgleich im Leben geht. Das Leben ist kein Ponyhof. Punkt. Ende. Aus.“

Hm. Also wer genau wollte jetzt aussehen wie Heidi Klum? Also ich nicht. Und die Autorinnen all der Bücher, die die Autorin zitiert ganz bestimmt auch nicht. Nein, wir sind einfach ganz normal und halbwegs realistisch in das Abenteuer Kind gestolpert und manches haben wir uns ähnlich vorgestellt und manches anders, manches leichter und manches schwerer und manches konnten wir uns eben überhaupt nicht vorher vorstellen. Und wollten es auch nicht. Denn schon mit der Vorstellung geht ja eine Erwartung einher und zu hohe Erwartungen können eben auch zu Enttäuschungen führen und die wollten wir ja verhindern. Das hat überhaupt nichts mit Naivität zu tun, sondern mit einer Lebensneugier, die eben auch Überraschungen zulässt, weil nunmal nicht alles planbar ist. Ganz besonders nicht im Leben mit Kindern.   

Nun, der Text geht wirklich noch lange so weiter und er läuft darauf hinaus, dass eben doch alles vereinbar ist und wir uns nur nicht so anstellen sollten. Und am Ende lässt sich die Autorin noch zu einem Satz hinreißen, der auch fast wie Jammern klingen könnte: „Über das unbändige Glück ein Kind zu haben, spricht kaum einer.“ Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, aber ich finde, dass über das Glück von Kindern an schier unendlich vielen Stellen geredet, geschrieben und gesendet wird. Oder nicht?  Wo ich mit der Autorin aber übereinstimme ist, dass wir das Grundglück über Kinder nicht in Frage stellen sollten. Dass schon irgendwie alles geht, wenn man nur will, und eben trotzdem noch viel für uns Familien verbessert werden könnte. Nur das Recht auf temporäre Jammerei, das möchte ich mir nicht nehmen lassen…

Zu guter Letzt freue ich mich noch über die tollen Reaktionen unserer Leser auf den Text und möchte hier einige zitieren:

Leserin: „Dieses "Jammern" kann ich persönlich auch nicht nachvollziehen! Entweder man entscheidet sich für oder gegen etwas, ob Karriere, Kind, Marathon-Laufen oder sonstige Dinger. Man muss sich entscheiden! Aber es geht alles, dies erlebe ich auch, als Frau, Mutter, Berufstätige und ja nicht vergessen, Studium. Es geht, man braucht einfach Disziplin und einen Traum, an dem man/frau festhält und sich nicht beirren lässt, durch wen auch immer, z.B. von der perfekten Mutter von neben an, die behauptet, dass man ein Kind nur gut erziehen kann, wenn frau volle 3 Jahre zu Hause bleibt! Was für ein Quatsch und eine Schande für all die Frauen, die dafür gekämpft haben, dass Frauen einen Platz in der Gesellschaft, in der Männer-Gesellschaft, erhalten und als vollwertige Mitlgieder geachtet werden!“

Meine Antwort: „Liebe Anastasia, im Grunde sehe ich es ähnlich wie Du und mache ja auch vieles gleichzeitig, eben weil ich es mir so wünsche. Trotzdem brauche ich Momente der Schwäche, Momente, in denen ich denken und sagen darf: Puh, grad ists mir irgendwie zu viel. Das heisst nicht, dass ich in dem Moment grundsätzlich an meinem Weg zweifle. Es bedeutet eigentlich eher, dass auch ich nur ein Mensch bin. Vielleicht sollte ich auf den Artikel mal in einem eigenen Blogbeitrag antworten…“

Leserin: „Dass es mal viel ist und anstrengend, ist klar, das darf man auch bejammern. Im Artikel wird aber das "oh, wir haben ein Kind, jetzt ist alles anders als vorher – das ist blöd"-Jammern bemängelt. Und das kann ich – wie Anastasia und die Autorin – auch nicht verstehen…“

Leserin: „Man soll und darf jammern, so habe ich es nicht gemeint. Es ist schön zu jammern und eine Schulter haben an der man sich dabei anlehnen kann. Egal ob bei dem eigenem Mann oder eben einer Freundin. Es ist o.k. und gehört dazu! Mache ich ja auch aber diese allgemein in der Gesellschaft verbreitete Meinung, dass man nur das eine oder andere haben kann, das finde ich nicht gut!“

Leserin: „Also ich vermisse weder die Kochabende mit Freunden noch die regelmäßigen Kinobesuche und ich habe niemals vorgehabt, einen Halbmarathon zu laufen. Trotzdem, also trotz vieler Abstriche, war mein Leben nie anstrengender als zur Zeit. Natürlich lässt sich vieles vereinbaren, wir praktizieren das seit einigen Jahren und es läuft irgendwie. Aber es hat seinen Preis: Man steht ständig unter Strom, die Uhr im Nacken, das schlechte Gewissen als lästigen Begleiter, weil man wieder dieses und jenes nicht geschafft hat oder diesem und jenem nicht so gerecht werden konnte, wie man es eigentlich gerne gewollt hätte. Damit zu leben, muss man lernen. Und wenn dann einfach mal der Akku leer ist, tut es wirklich gut, wenn jemand sagt "Geht alles gar nicht". Weil es mir dann viel leichter fällt, auch mal fünf gerade sein zu lassen und mich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt.“

Leserin: „Diese "Befindlichkeitsbetrachtungen" sind die Verzweiflung vieler vieler Eltern, für die dieser Artikel ein Schlag ins Gesicht ist!
Wer sagt, dass ich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen muss, obwohl ich Kinder habe?! Na ich, verdammt nochmal!
Wer sagt, dass Karriere nur mit der 50-60-Stunden Woche geht?! Na die Wirtschaft, verdammt nochmal!“

Leserin: „Und warum so viele kinderlose Paare das Kinderkriegen nach hinten raus schieben (was das eigentliche demographische Dilemma ist)? Na doch nicht weil sie auf Facebook lesen wie schlimm Kinderkriegen ist!!! Sondern weil sie in ihrem eigenen Bekanntenkreis sehen, wie das ganze Leben flöten geht! Da muss man niemandem wirklich die Schuld für in die Schuhe schieben. Aber dass der Wegfall der Großfamilie einherging mit der Emanzipation der Frau und der Kapitalisierung unserer Leben, das ist gelinde gesagt unglücklich gelaufen. Und "das wird man ja wohl noch sagen dürfen." Und nein, ich hasse mein Leben mit meinem Kind natürlich nicht. Ich will aber noch andere Aspekte in meinem Leben erhalten! Das ist mein gutes Recht!“

Leserin: „Ich LIEBE es zu jammern. Es ist das Beste überhaupt. Aber sie hat auch recht, finde ich. Vor allem mit dem Begriff" Karriere". Denn der definiert sich ja tatsächlich für jede ganz anders. Und: wenn man mit Mitte 40 die Kinder aus dem Gröbsten raus hat, bleiben einem ja immer noch mind.20!! Jahre zum sich-rein-knien.“

Leserin: „Es ist einfach mal Fakt, dass einige Arbeits- und Verdienmodelle mit Familie nicht mehr gehen (Pendeln, alle paar Jahre umziehen o.ä.) und dadurch ganze Branchen potentieller Beschäftigung flöten gehen. Es ist auch Fakt, dass die Frage Kita oder nicht oft durch die finanziellen Verhältnisse der Familie beantwortet wird und nicht vom Bauchgefühl der Eltern. Es gibt halt nur max. 14 Mon. Elterngeld. Es ist auch Fakt, dass Frauen weniger verdienen, weniger für ihre Rente tun können (Stichworte Teilzeitfalle und Equal Pay Gap). Und das man Kinder unter diesen Bedingungen trotzdem bekommt. Und Vereinbarkeit in einem ganz individuellen Modell praktiziert. Aber eben TROTZDEM.“

Leserin: „Tatsache ist: Nicht nur beim Thema Vereinbarkeit sind Familien häufig in der Jammerfalle. Vielleicht wäre das Image von Familien, Elterndasein, Kinder bekommen etc. in unserer deutschen Gesellschaft wesentlich höher, würden Familien mehr von ihren Freuden, ihrem Lachen mit den Kindern, ihrer Bereicherung durch das Familienleben berichten…als von Sorgen, finanziellen Einbußen uvam. Das gelingt nämlich in den Kulturen, in denen Kindern selbstverständlich zum Lebensglück dazu gehören viel besser: Dass für alle ersichtlich ist, dass Kinder neben allen Sorgen vor allem Glück bedeuten!“

Leserin: „JEDER darf Jammern, Piloten, Lokführer, Erzieher, Postboten, Manager….. Nur MÜTTER, die müssen leise sein und alles toll finden…. Kann ich nicht nachvollziehen!“

Leserin erneut: „Ich habe noch eine Anmerkung zu dem Text (ihr merkt, das beschäftigt mich nachhaltig). Wenn ich die Vereinbarkeitsfrage anhand der von der Autorin zitierten Texte betrachte, kommen mir ganz ähnliche Abwehrreflexe. Aber wenn man sich das wahre Leben anschaut, sieht es schon ganz anders aus. Da geht es nicht um 'Jammern-auf-hohem-Niveau' und 'Frag-doch-mal-die-Schotten', sondern da arbeitet die Friseurin 60 Stunden in der Woche und kann sich davon noch lange keine Randzeitbetreuung für ihre Kinder leisten. Wer vorher nicht das entsprechende Verdienst hatte, kann sich den 'paid-maternity-leave' an den Hut stecken, von 300,- EUR Elterngeld kann keiner eine Familie ernähren. Wer selbst als Hochqualifizierte/r immer wieder nur befristete Stellen bekommt (an der Uni die Regel) und dazwischen immer wieder Zeiten von Arbeitslosigkeit abfedern muss, gerät ebenfalls schnell unter finanziellen Druck, wenn da noch eine Familie dranhängt…“

Leserin: „Es geht eben nicht darum, seine Luxus-Mittelstandswelt zu hinterfragen und vielleicht an den Nagel zu hängen. Viel öfter geht es um basale Fragen der sozialen Teilhabe, des Über-die-Runden-Kommens, der psychischen Hygiene. Das kommt nur im allerletzten Absatz kurz zur Sprache. Und hier liegt eigentlich der Hase im Pfeffer.“

Leserin: „Alle sagen, es geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hats einfach gemacht“


9 comments

  1. Es ist befremdlich, dass
    Es ist befremdlich, dass sogar viele Mütter pikiert reagieren, wenn man mal etwas „jammeriges“ äußert. Das habe ich noch nie verstanden. Wenn man nicht mal unter „Kolleginnen“ Tacheles reden kann und Solidarität erleben, wo denn dann? Unerheblich ist dabei auch die Anzahl der Kinder. Es gibt viel schönes mit Kindern zu erleben und es gibt ebenso viele Entbehrungen. Damit musste ich erstmal fertig werden. Und das dauert an. Dazu stehe ich. Es ist megaanstrengend, bringt einen total an die eigenen Grenzen und mir fehlen Elemente meines alten Lebens. Manchmal sehr sehr!

  2. Lebensmodelle gestalten
    Liebe alle, ich habe jetzt gerade beide Artikel gelesen und kann die emotionale Welle nicht ganz nachfühlen (das mit dem hört auf zu Jammern lese ich nicht ganz so raus). Was mir am Artikel von Nina D. nicht gefällt, ist die Absolutheit von Entscheidungen (bei Kinder ja:nein ist es klar). Meine Erfahrung (28, 1 Kind 5 Jahre), dass sehr viel möglich ist, wenn man sein Lebensmodell flexibel an die jeweiligen Bedürfnisse aller Familienmitglieder anpasst und sich gegenseitig die Dinge möglich macht. Es stehen einem so viele Hebel zur Veränderung zur Verfügung (Arbeitspensum, Selbstständkeit, Studium, Kinderbetreung, Wohnort, etc.). Und ja, als Schweizerin schauen wir manchmal mit einem gewissen Neid auf die deutsche Elternzeit (bei uns dauert diese 14 Wochen und ist nur für Mütter, Väter bekommen einen Tag frei…). Jammern finde ich insofern gut, dass es Bedürfnisse aufzeigt, die eine Quelle für Veränderung des Lebensmodells im grossen oder kleinen sein können.

    1. ja
      „Lebensmodelle gestalten“, das finde ich einen schönen Ausdruck. Der Knackpunkt unserer Marktwirtschaft ist halt, dass dies nicht jedem möglich ist.

      Für meinen Teil bin ich oft dankbar, dass ich einen Beruf habe, der mir eine recht flexible Selbständigkeit ermöglicht. Der Mann hat auch so einen. Das ist ein großes Privileg, auch wenn wir so sicherlich nicht reich werden.

      Aber auch und gerade unter den „Privilegierten“ sollte man sich öfter mal die Frage stellen: „Wie wollen wir eigentlich leben?“ Und worauf verzichtet man gern, worauf gar nicht, was wünscht man sich, wo kann man Kompromisse eingehen. Gestalten eben, im besten Sinne.

  3. Hmmm.
    Ich fand den Text von Frau Diercks gut. Mich nervt die Jammerei auch. Und zwar nicht, weil es Leute mit Kindern gibt, die arm oder alleinerziehend sind, sondern weil der größere Teil der bejammerten Anstrengungen zumindest in meiner Umgebung auf absolut selbstgewählten Faktoren beruht. Ich denke da an die Mutter, die nach sechs Monaten wieder anfängt zu arbeiten, aber weiter voll stillen will, ständig Termine unterbricht, ihr ganzes Zeitmanagement nicht mehr bewältigt bekommt und dann lamentiert, ihr Leben sei so anstrengend. Glaube ich ihr. Aber das muss man nicht so machen. Oder die Eltern, die Betreuung immer mit so einem Löffel schlechten Gewissens in Anspruch nehmen, und dann auch nie mehr, als nötig. Klar, die rennen nur noch hin und her. Was spricht denn eigentlich dagegen, die Betreuungszeiten auszureizen? Oder die Mutter, die sich für Teilzeit entscheidet, weil sie „was von ihrem Kind haben will“ – als sei das in Vollzeit nicht der Fall – und sich dann die Bequemlichkeiten des Lebens wie Lieferdienste für Lebensmittel, Putzfrauen und Babysitter, um auch mal auszugehen, nicht mehr leisten kann. Dann würde ich auch jammern. Oder die Mutter, die sich erst für eine Superkita entschieden hat, jetzt aber jeden Morgen total abgekämpft ins Büro kommt, weil die halt nicht um die Ecke liegt.

    Alles in allem: Man kann sich das Leben auch schwer machen. Und ich glaube schon, dass es auf junge Paare wenig einladend wirkt, wenn man immer nur das Schwere betont, nie aber, dass das alles auch einfacher geht. Wenn man sich mal locker macht. Die nächste Kita nimmt, egal, ob die englische Muttersprachler beschäftigt oder vegetarisch kocht. Abstillt, wenn es anfängt, zu nerven. Einen Abend die Woche fest einen Babysitter bucht, um auch mal wegzugehen oder die Patentante einzuspannen. Was dann immer noch bleibt an Stress: Darüber lässt sich trefflich jammern.

    1. kita
      …was die Betreuungsfrage angeht, noch eine Anmerkung: Ob man die Betreuungszeit ausreizen kann/will oder nicht, hängt ja auch stark vom Kind ab. Wenn ich ein introvertiertes kleines Kind habe, was sich noch nicht gut lösen kann, parke ich das ja nicht mit gutem Gewissen für 9 Stunden in der nächsten Kita. Da steht und fällt auch viel mit dem Wesen des Kindes, würde ich schätzen.

      Wir haben das gemacht – die nächste, einigermaßen solide scheinende Kita genommen. Und dann nach zwei Wochen Eingewöhnung abgebrochen, weil wir ein dermaßen schlechtes Bauchgefühl hatten.

      Aber das ist nicht der Kern der Diskussion, ich will nicht zu weit abschweifen.

  4. Nö?! – Doch! 🙂
    Liebe Stadtlandmama,

    wie auf Twitter gerade beschrieben, glaube ich, dass wir gar nicht so weit auseinander sind. Es geht nicht darum grundsätzlich nicht „jammern“ zu dürfen. Natürlich ist das alles anstrengend. Das sage ich ebenso im Text, wie ich sage, dass man nicht immer verzweifelt der Perfektion hinterherlaufen soll. Aber mir scheint, das ist vor lauter Ärger überlesen worden. Es geht hier um das Jammern darüber, dass… ach, lest es doch noch mal selbst, den ganzen Text mit vielleicht weniger Ärger im Auge. 🙂

    Und zu der kritischen Leserin, die meine Privilegierung angreift: Ja, jetzt bin ich es. Keine Frage. Ebenso wie die Redakteurinnen und Journalisten, die nebenbei die Zeit hatten (diese sie ja, oh ach, nicht haben), lange Bücher über ihren privilegierten Zustand zu schreiben. Als ich meine erste Tochter bekam war ich im Referendariat und bekam etwa 750 EUR netto „Unterhaltsbeihilfe“. Das Elterngeld mag sich nun ein jeder selber ausrechnen. Mein Mann begann gerade sein Unternehmen neu aufzubauen. Beim zweiten Kind hielt ich den SS-TEST am 10. Tag der Selbstständigkeit in der Hand.(Das alles habe ich auch an anderen Stellen schon beschrieben, wäre also leicht gewesen, das herauszufinden). Deswegen bitte ich davon abzusehen, mir implizit Arroganz u vorzuwerfen. Ich weiß, wie es ist Familie und keinen goldenen Löffel im Mund zu haben.

    Die rege Diskussion freut mich aber so oder so.

    Beste Grüße,
    der Stein des Anstoßes. 🙂

    1. Diese Diskussion ist wichtig!

      Liebe Nina,

      vielen Dank für Deinen Kommentar! Und offenbar hast Du mit Deinem Text einen Nerv getroffen! Und er hat uns so beschäftigt, dass wir ihm einen eigenen Beitrag gewidmet haben. Das spricht ja erst einmal für Deinen Artikel 😉 Und ich finde es wie Du wichtig, dass wir diese Diskussion führen! Ganz liebe Grüße,

      Lisa

  5. Sehe ich genauso.
    Danke! Was mich an dem Artikel sehr gestört hat ist, dass sie sich einerseits beschwert, die kritisierten (mittelschichts-)Eltern seien sich gar nicht darüber im Klaren, wie gut sie es hätten (verglichen mit anderen Ländern und schlechter verdienenden) und gleichzeitig selber eher priveligiert zu sein scheint: Anwältin mit gut verdienendem Ehemann, gesund, nicht alleinerziehend etc. Sobald der berufliche Status so ist, dass sie sich auch mal Nanny, private Kita mit erweiterten Öffnungszeiten,Lebensmittellieferung, Putzfrau etc. leisten kann wird es natürlich wieder einfacher mit der Vereinbarkeit. Bei Vollzeitbeschäftigten mit 1300€ netto ist das nicht drin. Anderen Eltern aus ihrer Position heraus vorzuhalten, sie sollten weniger jammern und mehr die Arme hochkrempeln finde ich daneben.