„Hört auf, künstliche Befruchtung zu verurteilen!“ – Gastbeitrag von Maria

Ich gehe offen mit dem Thema um: Ich heiße Maria und bin unfruchtbar. Ja gut, so stelle ich mich natürlich nicht vor – und wie viele Details eine bekannte Person erfährt, kommt ganz auf das Vertrauensverhältnis an.

Aber warum? Ist Unfruchtbarkeit kein Tabuthema? Sollte ich das nicht lieber alleine nur mit meinem Mann ausmachen?

Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich Vorurteile bekämpfen will – weil ich mein künstlich gezeugtes Kind nicht, schon gar nicht öffentlich, als „widerwärtig“ oder als „Halbwesen“ beschimpfen lasse, um einmal den Höhepunkt der Beleidigungen zu erwähnen.

Versteht mich nicht falsch. Jeder darf und soll seine Meinung haben – und diese Meinung kann er auch kundtun, aber bitte respektvoll. Wenn ich mich beispielsweise im Zukunftsdialog 2012 öffentlich vielfach beschimpfen lassen muss, dann macht mich das traurig und wütend. Wenn einfach kein Punkt gesetzt wird bei der Diskussion, ob ich in Gottes Willen eingreife (Greife ich bei einer Krebsbehandlung nicht auch in seinen Willen ein? Mit dieser Frage soll es auch gut sein – diese Diskussion ist endlos und soll hier auch nicht Gegenstand sein).

Jeder darf über die Assistierte Befruchtung (oder von mir aus auch Künstliche Befruchtung) denken, was er mag. Ihr müsst es ja nicht durchführen – und  wisst Ihr was? Ihr könnt sehr froh darüber sein.

Jeder hat sein Päckchen im Leben zu tragen. Eines meiner großen Päckchen heißt Unfruchtbarkeit. Unfruchtbar: Der Körper nicht in der Lage, Leben zu schenken. Und nein, ich bin nicht Ende 30 und habe die beste Zeit einfach verpasst (und auch wenn es so wäre – wer erlaubt sich bitte darüber ein Urteil?).

Hilfe! Wie oft habe ich das gehört bzw. gelesen: Selbst schuld, wenn man erst Karriere macht und dann mit 40 merkt, dass man Kinder haben möchte. Nach dem Motto: "Hättest Du halt mal früher darüber nachgedacht, du karrieregeile 40Jährige!"

Ich wusste es bereits mit 20. Wir wollten Kinder. Tja, die Krankenkasse übernimmt keinen Zuschuss, wenn man unter 25 ist (Vollständigerweise muss ich schreiben, dass es zum Thema 2013 eine Gesetzesänderung gab. Wer jedoch im Thema drin steckt, weiß, dass das immer noch alles Andere als einfach ist). Jedenfalls übernahm damals die Krankenkasse in meinem Fall nichts, null, zero. Ok, man weiß, dass man unfruchtbar ist. Mit gerade 20 … aber ok, warten wir einmal ab. Vielleicht ändert sich die Diagnose ja noch (bei mir im Übrigen zwei Diagnosen, wo bereits eine ausreicht, um als unfruchtbar zu gelten) und ich werde ja doch fruchtbar? Absurd, oder?

Wir haben geheiratet und gespart. Was Anderes blieb uns ja nicht. Dann starteten wir als Vollzahler den ersten Versuch. Abbruch nach Eizellentnahme. Ich möchte jetzt gar nicht davon anfangen, was es bedeutet, diese Behandlung zu machen. Wir haben uns dafür entschieden und es gehört dazu. Punkt, Schluss, Aus. Ohne Gejammere. Nur so viel, damit man die Behandlung versteht: Man spritzt Hormone und die Eizellreifung wird kontrolliert. Dann werden die Eizellen entnommen (Punktion) und im Labor kommt es zur Befruchtung mit den vom Mann abgegebenen Spermien (bei einer IVF quasi ohne Nachhilfe, bei einer ICSI wird ein Spermium in die Eizelle injiziert). Später bekommt man, hoffentlich, ein bis drei Eizellen zurück (dies entscheidet das Paar in Absprache mit dem Arzt). Dann wartet man – und wartet – und wartet. Ist die Warteschleife nach etwa 14 Tagen beendet, weiß man, ob man schwanger ist.

Mein Körper wollte nicht. Er konnte nicht. Wie auch immer. Es folgten mehrere Behandlungen, mehrere Abbrüche. Vier negative Schwangerschaftstests, eine Fehlgeburt. Ich war am Ende. Ich hasste meinen Körper, dass er unseren Kindern keine Chance gab. Ich hörte aufmunternde, lieb gemeinte, Worte und wollte eigentlich nur schreien. Wir sammelten Kraft, flogen und knallten wieder auf den Boden. Und wir machten weiter. Nach fünf Jahren klappte es und unsere Tochter wurde geboren. Kerngesund. Es hat sich gelohnt, alles. Aber diese fünf Jahre – die taten so weh, dass man es nicht in Worte fassen kann.

Vielleicht konnte ich einen kleinen Einblick geben: In die Gefühlswelt während der Behandlungen, aber auch in die Gefühlswelt, welche entsteht, wenn Außenstehende sich ein Urteil erlauben, ohne sich mit dem Thema auseinander zu setzen.

Unsere Kinder sind alle ein Wunder! Egal, wo die Befruchtung stattfand. Bei uns sind die Ei- und Samenzellen (sicher auch dem Alter entsprechend) 1A. Sie würden nur nie zueinander finden. Dafür brauchen wir eine Entnahme und ein Reagenzglas, wo sie eine Party feiern können.

Bezeichnet sie als Halbwesen, das ändert nichts. Für mich sind es meine Kinder, die eine Chance verdient haben. Eine Chance, die ihnen mein Körper ohne Hilfe nicht geben kann.

An dieser Stelle einen so so lieben Dank an meinen Ehemann, meine Familie und meine Freunde. Meine Kinderwunsch-Mädels, euch ist dieser Text mit gewidmet. Ich weiß nicht, ob ich ohne euch durchgehalten hätte. Uns hat das Schicksal vor Jahren zusammen geführt und bis zum heutigen Tag nicht getrennt. Ich freue mich auf unsere Kreuzfahrt in 40 Jahren. Dort auf hoher See werden wir uns dann die Bilder unserer Enkelkinder ansehen! 

 


7 comments

  1. Wunderbar
    Liebe Maria, Danke für den tollen Text. Ich freue mich sehr, dass der schweren Zeit für Euch ein so tolles Ergebnis gefolgt ist! Alles Gute für Eure Familie!
    Ich selbst hatte diese Glück nicht, 7 Jahre KiWu-Behandlungen, 4 ICSI, (gefühlt) unzählige Kryo-Transfers haben uns kein Baby beschert. Ich bin bis heute sehr dankbar, dass mir solche Vorurteile nie offen begegnet sind. Unser Umfeld hat bei jeder Behandlung mitgefiebert, da wir sehr offen mit dem Thema KiWu umgegangen sind. Das war einerseits sehr hilfreich, doch andererseits musste man nach jedem gescheitertem Versuch wieder allen sagen, dass es wieder nichts war. Und je länger das alles dauerte, desto weniger hatte ich Vertrauen in meinen Körper. Ich bin doch eine Frau, mein Körper ist von der Natur zum Kinderkriegen erschaffen worden?! Warum nur klappt es nicht? Nach Blasenpunktion, einem Myom und anderen Schwierigkeiten haben wir als Paar beschlossen, dass wir aufgeben. Das war die schrecklichste Entscheidung unseres Lebens. Aus der Traum vom eigenen Kind, nach 10 Jahren Versuchen.
    Wir haben uns dann für eine Adoption entschieden, obwohl wir wenig Hoffnung hatten, mein Mann ging zu dem Zeitpunkt auf die 45 zu. Und was soll ich sagen: seit Juni 2016 sind wir stolze Eltern!
    Nach insgesamt 12 Jahren wurde unser größter Wunsch erfüllt. Die KiWu-Zeit hat uns als Paar, zum Glück, gestärkt und wir genießen unser Familienleben jetzt in vollen Zügen.
    Alles Liebe für alle KiWu-Mädels da draußen! Es gibt mehr als einen Weg zum Familienglück!

    1. Beitrag zum Thema Adoption
      Hallo Katrin,
      es ist schön zu lesen, dass ihr euch für eine Adoption entschieden habt nach einer erfolglosen KiWu-Behandlung.

      Kannst du dir vorstellen hier in einem Beitrag von der Adoption zu berichten? Das ist sicherlich ein Thema, das auch andere interessieren würde und über das man allgemein so wenig Erfahrungsberichte liest, wie ich finde.

      Mich interessiert dieses Thema, da wir selber nur dank KiWu-Klinik Eltern geworden sind (wir hatten Glück und es klappte allein schon durch die Gabe von Hormonspritzen). Wir haben stets gesagt, dass wir keinen Marathon an künstlichen Befruchtungen wollen und stattdessen gleich den Weg der Adoption gehen würden. Nun sind wir zwar Eltern einer leiblichen Tochter, aber der Gedanke einer Adoption beschäftigt uns immer noch. Vielleicht werden wir auf diesem Wege ein Geschwisterchen für unsere Tochter bekommen (wenn es denn dann klappt).

      Ich würde mich jedenfalls über einen Bericht zum Thema Adoption sehr freuen. 🙂

      Lieben Gruß

  2. persönliches
    Danke für Deinen Text und den Einblick in das, was dahintersteckt. Ich kann diese Erfahrung – und dafür bin ich so unendlich dankbar – nicht teilen, aber ich habe Freundinnen, die den Prozess durchgegangen sind. Eine erfolgreich, die andere nicht. Und mit der Adoption hat es auch nicht geklappt.

    Ich habe sozusagen das genaue Gegenteil erlebt, wenn man das so sagen kann. Ab dem Zeitpunkt, zu dem ich sagte „ja, ich will schwanger werden“ war ich es auch gleich. Und dann war das auch noch eine Hausgeburt. Warum ich das hier schreibe? Weil es auch hier Leute gibt, die urteilen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der (Gottseidank) mehr und mehr diese Themen besprochen werden. Was früher hinter verschlossener Türe passiert ist (das ganze Kinder kriegen und großziehen) ist heute mehr und mehr offensichtlicher Bestandteil der Gesellschaft. Kinder sind DA! Sichtbar. Der „Nachteil“: JEDER hat eine Meinung zu diesen Themen und VIELE tun diese Meinung ungefragt kund. Die flüchtige Wahrnehmung (u.a. social media sei Dank) bedeutet, dass sich auch nicht wirklich mit einem Thema auseinander gesetzt wird, sondern man sich meist bereits beim Lesen einer Schlagzeile als Experte eines Gebietes versteht.

    Was ich mir anhören konnte von Leuten, die erfahren haben, wie ich vorhabe zu gebären. Das Gleiche betrifft die Themen Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen, etc.

    Die Gefühle, die eine Frau durchlebt, die sich gesund fühlt, aber kein Kind bekommen kann, kann ich mir nicht annähernd vorstellen. Es muss schrecklich sein! Und die ganze Prozedur… für den Körper und die Emotionen ein Wahnsinn. Danke nochmals für Deine Offenheit. Es gehört einfach darüber geredet!

    Ich war in der Situation, dass sich mein Kind sehr sehr lang nicht gedreht hat; erst in der 37. SSW, was für das erste Kind sehr spät ist. Einen Monat haben wir gemoxt, indische Brücke, das volle Programm. Ich wollte nicht für die Geburt ins Krankenhaus, musste mich aber mit dem Gedanken anfreunden. Und an mir arbeiten, und wie! Denn das Gefühl, als Frau eventuell nicht „normal“ gebären zu können hat ein Teil von mir mit SCHEITERN gleichgesetzt. Mein Körper soll das können! Die Natur hat das so vorgesehen! Wenn das nicht geht, dann ist mein Körper nicht „gut“.
    Ein riesengroßer Gedankenstuss, aber er war da! Mit vielen Emotionen dazu. Und das war auch nicht schön – aber wahrscheinlich mit nichts gleichzusetzen, was Du und was Frauen während der künstlichen Befruchtung durchleben.
    Jeder und jede, die nicht in der Situation ist, soll einfach den Mund halten! Einfach zuhören und Empathie zeigen. Aber das ist in unserer Gesellschaft mittlerweile ein doppeltes Fremdwort…

    Wie schön, dass es bei Dir am Ende geklappt hat, und dass Euch dieses Geschenk zu Teil werden konnte. Viel viel Freude weiterhin im Familienleben und mit dem Wunder Leben!

    Alles Liebe,
    Margit

  3. Kritik an unterstützter Befruchtung
    Ich kann mir schon vorstellen, dass die Autorin die Art von Kritik an künstlicher Befruchtung erfahren hat – oder wie sie es nennt, was ich sehr schön finde: unterstützter Befruchtung.
    Gerade in christlich-konservativen oder fundamentalen Kreisen wird diese Art des Kinderzeugens verurteilt. Ich selbst mit katholische Theologin und beschäftige mich aufgrund meines Berufes oft mit der Kritik. Die Befruchtung, die außerhalb des Körpers geschieht, wird als un-natürlich und damit – wie die Autorin auch schreibt – gegen den Willen Gottes angesehen.
    Es geht da aber um die Befruchtung! Kind ist Kind und jedes Kind sollte auch – gerade von Gott-gläubigen Menschen – als ein Geschenk (Gottes) angesehen werden. Egal wie es entstanden ist.
    Es gibt auch viele Theologen und Theologinnen, die diese Kritik NICHT teilen und dazu aufrufen, von dem sog. Naturgesetz oder Naturrecht weg zu kommen.
    Letztlich muss jede/r diese Entscheidung mit seinem/ihren Gewissen entscheiden und sollte nicht verurteilt, sondern begleitet werden.

    Es gibt allerdings auch die andere Seite: Freunde von mir haben sich entschieden, sich um ein Pflege-/Adoptivkind zu bewerben, nachdem sie wussten, dass sie auf natürlichem Wege kein gemeinsames Kind bekommen konnten. Die unterstützte Befruchtung haben sie von vornherein ausgeschlossen, weil sie genau die Zeit nicht durchmachen wollten, die die Autorin in ihrem Text beschreibt: Hormone, Eientnahme, Samenaufbereitung, Hoffen, Bangen, Traurigkeit, wenn es nicht geklappt hat.
    Sie wurden teilweise dafür verurteilt, dass sie es „nicht wenigstens versucht haben“. Schließlich ist es ja heutzutage möglich. Da muss man doch „keine fremdes Kind“ aufnehmen.
    Sie sind bei ihrem Entschluss geblieben und sind mittlerweile (Pflege-)Eltern einer wunderbaren Tochter.

  4. Auch ich verstehe nicht…..
    …..wer und wie so etwas verurteilt!? Das ist mir noch nie im Bekanntenkreis in derart krasser Form untergekommen und klingt im Artikel auch ganz schön pauschalisiert muss ich sagen.
    Liebe Freunde von uns machen das selber gerade alles durch und wir fiebern und bangen alle mit.

    LG Evi

  5. Liebe Maria, wer um Himmels
    Liebe Maria, wer um Himmels Willen verurteilt künstliche Befruchtungen? Wir sind selbst Eltern von zwei wunderbaren Kindern. Und wir haben sie nicht auf natürlichem Weg bekommen. Drei lange Jahre haben wir immer wieder versucht schwanger zu werden – nichts ist passiert. Der Befund des Arztes, nachdem wir beide untersucht wurden, ließ vorallem mich in tiefes Loch fallen. Auf natürlichem Weg werden wir niemals Kinder bekommen. Also landeten wir im KiWu Zentrum. Viele Gespräche und die Hormontherapie starteten danach. Wir hatten Glück – denn der erste Versuch war ein Volltreffer. Nach drei Jahren versuchten wir unser Glück ein weiteres Mal mit den noch eingefrorenen Eizellen. Der erste Versuch klappte nicht. Eine der drei Eizellen war unbrauchbar – also blieb noch eine letzte übrig. Mit dieser starteten wir noch einen letzten Versuch. Wenn es klappt – wunderbar, wenn nicht – dann wollten wir es nicht noch ein weiteres Mal von Anfang an durchziehen. Und wir hatten Glück! riesiges Glück, wenn man hört wieviel andere Paare durchmachen müssen. Wir sehr es schmerzt einen negativen Bescheid zu erhalten, immer und immer wieder… Leute die dies verurteilen wissen nicht wieviel Leid Menschen durchmachen müssen. Ich habe Paare immer beneidet, bzw. beneide sie noch immer – einfach mal so schnell schwanger zu werden. Wie sehr habe ich mir das jahrelang gewünscht. Und ja, ich war neidisch auf andere Paare, die stolz und locker verkündeten, dass sie Eltern werden. Ich hätte am liebsten weggehört. Und ich muß gestehen – die Gratulation war immer mit sehr viel Neid verbunden. Ich glaube das kann nicht jeder verstehen. Danke dir für deinen Bericht. Es sollte mehr davon geben, vielleicht wäre das Verständnis dann größer.
    Ganz liebe Grüße