Gastbeitrag von Nina: Ich steckte 12 Jahre lang in einer Ehe voller Gewalt fest

"Mein Name ist Nina, ich bin 36 Jahre alt. Ich habe drei Kinder – meinen Sohn (14), meine Tochter (10) und die achtjährige Shirin, die mehrfach behindert ist und außerdem traumatisiert. 

Durch was sie traumarisiert ist? Durch ihren Vater, mit dem ich zwölf Jahre verheiratet war. Er war gewalttätig gegen mich, auch in der Schwangerschaft und auch gegen die Kinder. 

Ich möchte Euch heute meine Geschichte erzählen.

Mein Mann und ich lernten uns in einer Disco kennen, er war Kellner. Zunächst war er mir nicht besonders sympathisch. 

Mein Traum war es, Sängerin zu werden, ich studierte in Berlin Gesang. Das bekam mein Ex mit und sagte, er würde bald eine Vernissage organisieren und ob ich nicht Lust hätte, dort zu singen. 

Klar hatte ich Lust, es war auch ein toller Abend. Nach meinem Aufritt zog ich mit einem Freund noch weiter. Ich verpasste den letzten Bus und mein Mann bot mir eine Schlafgelegenheit an – ich nahm an. 

Zu dieser Zeit ging es ging es psychisch nicht so gut. Ich war so orientierungslos, wusste, dass ich mein Gesangs-Studium bald abbrechen muss, weil mir das Geld dafür fehlte. Die Beziehung zu meinen Eltern war schlecht, Freunde hatten sich abgewandt. Kurz: Ich war manipulierbar, formbar und mein Mann holte mich genau an dieser Stelle ab. 

Ich war nicht in ihn verliebt, ich war nur froh, dass jemand für mich Verantwortung übernehmen wollte und dass ich meine Eltern nicht um Hilfe bitten muss. Also blieb ich bei ihm, zog bei ihm ein. Er hatte bereits eine Tochter, um die ich mich kümmerte, ich hatte fast ein Gefühl von Familie. Doch insgeheim wusste ich: Das ist nicht gut für mich. 

Ich wurde schnell schwanger. Mein Mann wollte heiraten, sein erstes Kind war nämlich unehelich und das war für ihn, einen Perser, ein großes Problem. Er hatte mir immer wieder gesagt, wie traurig er sei, dass er sein erstes Kind nicht seiner persischen Familie vorstellen könne – das wollte kein zweites Mal erleben. Ich willigte ein, obwohl es damals schon Anzeichen gab, dass er sich nicht wirklich darum kümmerte, wie es mir geht?

Wie ich das meine? Er hat meine körperlichen Grenzen nicht respektiert, wollte auch Sex, wenn ich krank war oder eine Blasenentzündung hatte. Er nahm einfach keine Rücksicht und ich war zu schwach, um für mich einzustehen. 

Wir heirateten im Dezember 2001, im Mai 2002 wurde unser Sohn per Notkaiserschnitt geboren, was traumatisch für mich war. 

Mein Mann veränderte sich zusehends. Wir schliefen getrennt, er war gereizt mit mir und dem Kind. Er redete schlecht über mich, sagte ich sei faul und unfähig. Er wollte nicht, dass ich mich mit Freunden treffe – er selbst war aber nur noch arbeiten oder mit Kumpels feiern. 

Als unser Sohn 10 Monate alt war, flogen wir in den Iran zu seiner Familie. Und dort ereignete sich der erste Ausbruch: 

Ich badete gerade meinen Sohn in einer Plastik-Wanne, ich saß in der Hocke davor und mein Tshirt war wohl etwas hochgerutscht. Das sah mein Mann und warf mir ohne jede Warnung einen Schuh an den Kopf. Dann zerrte er mich aus dem Bad und schrie, dass ich mich zur Schau stellen würde. Unser Sohn brüllte die ganze Zeit im Hintergrund und ich war zu Tode erschrocken. 

Wäre ich damals in Deutschland gewesen, hätte ich mein Kind gepackt und wäre gegangen. Aber ich saß im Iran – und das für weitere vier Wochen. Ich hatte ständig Angst, er könnte wieder ausflippen, doch zum Glück passierte das während der Reise nicht mehr – und so verdrängte ich den Vorfall. 

Einige Wochen, nachdem wir wieder in Deutschland waren, wurde ich wieder schwanger. Meine Freude hielt sich in Grenzen. 

Und dann kam es zu dem zweiten Übergriff: Der 50. Geburtstag meiner Stiefmutter stand bevor, ich hatte mir ein rotes Neckholder-Top für die Feier gekauft. Ich fand mich so hübsch darin und zeigte es meinem Mann. Der rastete völlig aus und ging sofort auf mich los. Unser Sohn stand neben mir, ich schob ihn zum Schutz hinter mich. Während mein Mann mich würgte, dachte ich nur an meinen Sohn, der schrie und schrie und schrie. 

Irgendwann ließ mein Mann von mir ab und rannte aus der Wohnung. Einige Stunden später kam er mit Blumen zurück und entschuldigte sich. Ich nahm nichts mehr wahr, fühlte mich wie im Nebel. Ich band mir einen Schal um den Hals, damit man die Würgemale nicht sieht. 

Zwei Wochen später, beim nächsten Frauenarzt-Termin, stellte sich heraus, dass das Baby in meinem Bauch nicht mehr lebte.

Weil unser Vermieter Eigenbedarf anmeldete, mussten wir in eine andere Wohnung umziehen. Die war kleiner, es war beengt, was zu Streit führte. Was Schläge für mich bedeutete. Manchmal wehrte ich mich, manchmal auch nicht. Oft brachte er später Blumen und sagte, dass es ihm leid täte. Meistens sagte er aber, dass ich daran schuld sei, dass er mich schlagen würde.  

Ich habe ihn nie angezeigt, weil ich mich so geschämt habe. Ja, ich habe mal meine Sachen gepackt und bin gegangen. Dann flehte er mich an, ich solle zurück kommen. Und ich dachte: „Ich muss zurück, ich bin alleine nichts wert. Ich bin zu schwach, zu klein.“ Also verzieh ich ihm jedes Mal. 

Ich wurde wieder schwanger, unsere Tochter Shila geboren, zwei Jahre später kam unser drittes Kind, Shirin, zur Welt. Shirin war eine Frühgeburt, was wohl darauf zurück zu führen ist, dass ich mich nicht so schonen konnte, wie ich sollte. Außerdem hatte er mich in der Frühschwangerschaft geschlagen. Shirin hatte noch nicht die nötige Lungenreife und kam auch völlig blau zur Welt. Sauerstoffmangel während der Geburt, was nicht ohne Folgen blieb: Shirin ist ein besonders Kind, entwicklungsverzögert, Verdacht auf Autismus. Ich liebe sie über alles – wie alle meine Kinder. 

Die Schläge blieben fester Bestandteil unseres Lebens. Und trotzdem ging ich nicht. Ich war gebrochen. 

Eines Abends, ich hatte mit meiner Cousine ihren Geburtstag gefeiert, eskalierte es. Als ich nämlich nach Hause kam, brach die Hölle über mich herein. Er schlug mich, beschimpfte mich als fickende Hure und Drecksau, trat die Zimmertüre ein – alles vor meinen Kindern. 

Unsere mittlere Tochter saß zusammen gekauert auf der Treppe, die anderen beiden Kinder weinten. Er spuckte mich an und schlug mir ins Gesicht, dass ich Sternchen sah. 

Es war schlimmer als je zuvor und plötzlich spürte ich: Jetzt geht es ums Überleben. 

Ich stand auf, zog ihm meinen Schlüsselbund über den Kopf und rannte mit den Kindern aus der Wohnung. Ich alarmierte die Polizei und zeigte ihn endlich an. Mein Mann stritt natürlich alles ab.

Es wurde mir zwar die Wohnung zugesprochen, aber der Terror hörte nicht auf. Mein Ex verfolgte mich, lauerte mir auf, drohte mir. Ich bekam Angstzustände, Depressionen und Panikattacken, dann starb auch noch meine Mutter unerwartet – ich war vollends am Boden. 

Die Gerichtsverfahren liefen ganz anders, als ich es erhofft hatte. Fast alles verlief irgendwie im Sand. Mein Ex darf die Kinder sehen, wenn ich ihm den Umgang verweigere, drohen mir hohe Geldstrafen. Mehrere Gutachter haben bescheinigt, dass die Kinder unter dem Kontakt zum Vater leiden – das Gericht hat jedoch anders entschieden. 

Meine Psyche leidet. Ich habe zwar gute Menschen um mich, die mir helfen. Aber ich fühle mich verloren, missachtet und denke, dass all die schlechten Sachen, die mir jetzt passieren, Strafe dafür sind, dass ich ihn verlassen habe…

Vor einiger Zeit habe ich in einem TV-Beitrag über meine Ehe gesprochen, kurz davor hatte er mich nochmals stark bedroht – seit der Ausstrahlung ist aber etwas Ruhe eingekehrt. 

Immer wieder werde ich gefragt: Warum bist Du nicht früher gegangen? 

Darauf kann ich keine Antwort geben – ausser: „Ich konnte es nicht früher.“ 

Ich weiß aber, dass das schwer zu verstehen ist. 

Ich lebe jetzt einfach mein Leben mit meinen Kindern und hoffe auf eine bessere Zukunft. Ich bin froh, dass ich diese Ehe und diese Erfahrungen überlebt habe und möchte allen Frauen, die Ähnliches erleben, Mut machen: Traut Euch zu gehen. Ihr schafft das."

—– Ein Interview mit dem Weißen Ring zum Thema Häusliche Gewalt könnt Ihr HIER lesen.

—– Einen Beitrag zur Ratifizierung der Istanbulkonvention könnt ihr bei den Phönixfrauen lesen.


11 comments

  1. Nina s Geschichte
    Nina kenne ich seit vielen Jahren genauso ihre Kinder und ihre Geschichte. Ich finde es ungeheuerlich das du hier auftrittst und nochmals “ Öl in offene Wunden“ kippst. Niemand erfindet so eine Geschichte und niemand vertritt so vehement ihre Kinder wie Nina es macht. Wer dies als Lüge abtut ist Mitstraftäter. Deine Ansicht scheint mir verklärt zu sein.

  2. Nicht einschüchtern lassen von Idioten.
    Liebe Nina,
    bleib stark! Ich bin sicher, Dein Schritt in die Öffentlichkeit ist wohl überlegt und richtig.
    Du bist nicht alleine. Es gibt viele Frauen die durch Ähnliches müssen, sich aber nicht trauen das so offen zu tun. Ich feiere jede die den Mut hat. Es ist so wichtig.
    Ganz liebe Grüße

  3. Nur lügen.
    Schrecklich, was ich hier lesen muss.
    Wie kann man nur so viel lügen? Was willst du damit erreichen? Aufmerksamkeit? Mitleid?
    Das ist wirklich armselig und das wissen wir beide.
    Über eine Person so etwas zu sagen, mit der man so lange verheiratet war.
    Das schlimmste ist immer noch, dass du die Kinder in deinem Psychoterror mit rein ziehst und es ist dir völlig egal, was du damit anrichtest. Ich bin wirklich außer mir vor Wut. Ich könnte so viele gegenargumente bzw die Wahrheit hier bringen, will aber nicht das du weißt wer ich bin.
    Ich möchte dir nur sagen, dass du dir immer weiter ein loch gräbst, aus dem du nicht mehr raus kommst. Du bist selbst Schuld.
    Diese ganze Fassade, von wegen arme Frau, mein Mann war immer der böse. Wiederlich. Niemand von euch, die hier kommentieren kennen die Wahrheit. Seine Seite der Geschichte. Das du es bist, die nie ruhe gibt, ihm auf der Arbeit mit deiner freundin auflauerst rein “zufällig“ einfach auf der Bank dort sitzt. Ihn ständig anzeigst und zum Jugendamt rennst, wegen nichts. Selbst die lehnen dich schon alle ab, weil sie die Schnauze voll haben und wissen das du lügst.
    Ich weiß so viele Dinge über dich, wie du mit deinen Kindern umgegangen bist und vieles mehr. Gerade deswegen, macht mich das hier geschriebene so extrem wütend. Aber sowas hab ich schon immer von dir erwartet. So warst du immer.
    Statt das du einfach die Wahrheit endlich annimst und ruhe gibst, wirst du womöglich wieder weiter machen.
    Den Leuten immer die lügen erzählen, um dich als Opfer da zu stellen. Die lüge, die für dich zur Wahrheit wurde und dich nachts womöglich auffrisst. Das ist ao traurig, aber ich werde niemals Mitglied mit dir haben.
    Merk dir eins: Es wird immer Leute da draußen geben, die die Wahrheit kennen. Diese wirst du niemals auslöschen können.

    1. Was soll das?
      Wenn Du es alles so genau oder sogar besser weißt, dann steh gefälligst auch mit Deinem Namen dazu, anstatt auf eine Frau einzutreten die eh schon am Boden liegt. Das nimmt Dir die Glaubwürdigkeit.

    2. Falsche Freunde!
      Es ist nicht wirklich wichtig wer du bist, es ist nur entscheidend, dass ich Menschen in meinem Umfeld habe die mich nicht so hintergangen haben, wie du!
      Wo warst du um einzugreifen? Wenn du mir anscheinend so nah standest? Wenn ich die Kinder so schlecht behandelt haben sollte wie du hier behauptest, hätte ich nicht eine Erziehungsprüfung bestanden, die vom Jugendamt und von den Kliniken in denen meine Kinder und ich behandelt wurden, durchgeführt! Auch im weiteren Verlauf bekam ich eine Sorgerechtsvollmacht vom Jugendamt erteilt, weil mein Ex Mann, alles blockierte und versuchte mich immer schlecht darzustellen!
      Es geht hier auch nicht um Mitleid, es geht darum, das aufgedeckt wird was mit Opfern von häuslicher Gewalt gemacht wird, da bist du das beste Beispiel!
      Wir werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, beschuldigt selbst Schuld zu sein und von der Justiz alleingelassen, jedoch wenn es wiedermal zu einem sogenannten „Familien Drama“ gekommen ist, hatte natürlich niemand davon gewusst bzw. wurden die Warnungen und Anzeigen und Versuche eine Wegweisung zu erreichen als nicht ausreichend abgetan!
      Ich wünsche dir alles Gute und das dir und deinen Lieben niemals so oder ähnliches widerfahren wird.
      Ich bin dankbar dafür das ich von solchen Menschen in meinem Umfeld niemanden mehr habe, die meinen auf Anonymität wäre Verlass, die das meinen sind so oder so verlassen und alles kommt ans Licht!

  4. Ein sehr ergreifender Beitrag
    Ein sehr ergreifender Beitrag, der mich traurig und wütend macht. Wie vernichtend es sein muss, wenn einem jemanden aus dem engsten Umfeld Gewalt antut, kann ich nur erahnen.
    Wütend macht mich aber auch die (leider verbreitete) Trennung der Menschen, denen Gewalt angetan wurde, in „stark“ und „schwach“. Beziehungen sind komplex und genauso komplex ist es, sich daraus zu lösen. Das hat nichts mit „stark“, „mutig“ oder eben „schwach“ zu tun. Ausserdem herrscht in unserer Gesellschaft noch immer die, ich nenne es mal „Heiligkeit der Ehe und Familie“, über die man nun mal nicht schlecht spricht. Und wer von uns gibt schon gerne öffentlich zu, dass in seiner Ehe oder Familie nicht alles glatt läuft? Wir posten doch alle lieber Fotos unserer glücklichen Familien auf Facebook! Bei häuslicher Gewalt heisst „gehen“ oder gar anzeigen aber immer auch veröffentlichen. Es hat Konsequenzen, mit denen man klar kommen muss – und zwar alleine.
    Sollten wir nicht lieber die Finger von abwertenden Kategorisierungen lassen und endlich mal einige Tabus abschaffen? Und sollten wir nicht lieber für ein Rechtssystem kämpfen, das Menschen, die Gewalt erlebt haben, besser schützt, anstatt sie in einen perfiden Rechtfertigungsdruck hinein zu drängen? Jeder kann Opfer von häuslicher Gewalt werden, auch wenn er oder sie Superwoman ist.
    Nina, Superwoman, dir wünsche ich alles Gute und danke dir für deine Offenheit.

  5. Viel Kraft
    Wirklich schlimm, was dir passiert ist! Ich wünsche dir ganz viel Kraft, damit du das Geschehene verarbeiten kannst. Ich verstehe allerdings nicht, wieso deine Therapie nicht bezahlt wird. Hat dein Therapeut keine Kassenzulassung? Ich weiß, dass man auf einen Therapieplatz teilweise lange warten muss, aber es lohnt sich. Deine Krankenkasse muss dir bis zu 5 Ersttermine bei einem (zugelassen) Psychologe oder Psychiater bezahlen. Alles Gute für dich und deine Kinder!

  6. Mehr Solidarität
    Es ist immer leicht der Frau in solchen Situationen doppelte Schuld zu geben und sie zu gängeln, weil sie nicht rechtzeitig gegangen ist.

    Aus den Worten der Autorin lese ich eine Rechtfertigung, die mich traurig macht, denn der Vorwurf der Duldung an die Opfer ist häufig genauso stark wie die Verachtung des Täters für seine Taten.
    Ja, wirklich traurig, dass sie nicht gegangen bist. Viel schlimmer jedoch, dass er ihr das antat.

    Als Gesellschaft sollten wir Frauen, die solche Dinge erleben mussten mit offenen Armen wieder in der Normalität empfangen und sie stärken anstatt mit Vorwürfen zu konfrontieren.

  7. Endlich
    und doch so spät, hast du den Schritt gewagt und bist gegangen, für deine Kinder und hoffentlich auch für dich. Ein Satz ist mir besonders aufgefallen:
    „Aber ich fühle mich verloren, missachtet und denke, dass all die schlechten Sachen, die mir jetzt passieren, Strafe dafür sind, dass ich ihn verlassen habe…“
    Nein, die Dinge die jetzt passieren sind die Konsequenz daraus, dass dir nicht die Kraft und das Selbstbewusstsein mitgegeben wurden, rechtzeitig für sich selbst zu sorgen und einzustehen.
    Das tut mir unendlich leid, dass erst eine absolute Notsituation dir deinen Schritt möglich gemacht hat. Ich hoffe, dass du auch weiterhin alle Unterstützung erhälst, die du brauchst und dass du nun die Stärke entwickelst, die du so sehr brauchst.
    In Gedanken drücke ich dich.