Gastbeitrag: Ich bin eine Regenbogen-Mama

stephanie

Ihr Lieben, heute wieder ein toller Gastbeitrag von einer liebevollen Mama, die über ihre Regenbogen-Familie schreibt. Wir finden: Wie schön, dass es so viele unterschiedliche, bunte Familien-Konstellationen gibt! Danke für den Einblick in Dein Leben, liebe Stephanie. 

 

Wir sind eine Regenbogenfamilie: Ein Einblick in 8 Kapiteln

 

Früher war unser Familienmodell etwas sehr Exotisches, heute hat es der Begriff „Regenbogenfamilie“ sogar schon in den Duden geschafft. Wir, dass sind Mama, Mami und T., unsere 12-jährige Tochter – wir sind ein lesbisches Paar mit Kind, eine Regenbogenfamilie. Wie das geht?

Kapitel 1: Als unsere Beziehung schon recht weit fortgeschritten war und wir bereits ziemlich lang über unseren Kinderwunsch gesprochen hatten, trat ein Mann namens Paul in unser Leben, der nach längerem gegenseitigen Kennenlernen uns bei unserer Familiengründung behilflich wurde.

Viele Eventualitäten mussten besprochen werden, eine Konstellation wie diese birgt für alle Beteiligten jede Menge Unwägbarkeiten.

Irgendwann waren wir tatsächlich schwanger – das große Abenteuer begann, die Hormone sorgten für beste Stimmung und wunderbare Gelassenheit. Im Krankenhaus waren wir die erste Regenbogenfamilie, und der nette Krankenpfleger freute sich mit uns über das „heiß ersehnte“ Kind T., denn er hatte durchaus schon mit Babys zu tun, die keineswegs erwünscht waren.

 

Kapitel 2: T. wuchs heran und wir kämpften wie alle Eltern um eine gelungene Balance zwischen den Erfordernissen und den Freuden des Alltags.

Als 2005 die Stiefkindadoption möglich wurde, leiteten wir sofort alles in die Wege, damit unser gemeinsam geplantes und erwünschtes Kind auch rechtlich unser gemeinsames Kind wurde. Ein Grund zum Feiern!

Im Kindergarten waren wir die erste Regenbogenfamilie.

In der Grundschule waren wir die erste Regenbogenfamilie. Natürlich waren wir am ersten Schultag genauso aufgeregt wie alle anderen Familien, denn die Einschulung ist ja ein großer Meilenstein in puncto Loslassen.

In der weiterführenden Schule waren wir übrigens zu T.’s Enttäuschung auch die erste Regenbogenfamilie – zumindest die erste, die sich offensiv zeigte.

 

Kapitel 3: Wir selbst haben bisher nie offene Diskriminierung erlebt. Aber Totschweigen ist natürlich auch eine Form der Diskriminierung. Das Problem liegt darin, dass die meisten Leute Angst haben, etwas Falsches zu sagen oder zu fragen. Deshalb trauen sie sich erst, uns nach unserer Familie zu fragen, wenn wir sie sozusagen dazu auffordern. Denn viele sind positiv interessiert. Umso schockierter sind wir über die derzeitige Entwicklung. Der Backlash in Bezug auf Geschlechter- und Familienbilder ist offenkundig. Manche Medien bieten immer mehr Menschen, die ein Problem mit gleichgeschlechtlichen Lebensweisen haben, ein Forum in der Öffentlichkeit. Plötzlich werden Lesben und Schwule wieder zu einer Bedrohung gemacht. In unsicheren Zeiten lässt sich dies leicht bewerkstelligen. Die große Mehrheit der Menschen denkt in heterosexuellen und damit klassischen Mann-Frau-Kategorien und alles, was davon abweicht, kann schnell in eine negativ etikettierte Schublade gesteckt werden. Kein Wunder, schließlich war Homosexualität bei uns jahrhundertelang lebensgefährlich und ist es in vielen Ländern bis heute.

 

Kapitel 4: Ein großes Thema für Regenbogenfamilien ist das Dauer-Coming-out. Wir sind zu einem andauernden Coming-out gezwungen, denn es gibt uns einfach noch nicht selbstverständlich in der öffentlichen Wahrnehmung. Familie bedeutet heterosexuelle Familie. Unsere Familie immer wieder zu erklären, macht zwar Spaß, ist aber auch anstrengend. Ist doch die Frage nach dem Vater und dem männlichen Element omnipräsent. Dann muss man alles immer wieder erklären, dass die Kinder sich gut entwickeln (ist wissenschaftlich erwiesen), dass ein gutes Familienklima und eine harmonische Elternbeziehung das Wichtigste für ein gutes Aufwachsen sind und  nicht das Geschlecht der Eltern, dass lesbische Mütter sehr darauf achten, ihren Kindern auch männliche Bezugspersonen an die Seite zu stellen etc. Bei uns ist übrigens Paul bis heute ein freundschaftlicher Außensatellit der Familie.

 

Kapitel 5: Und was sagen T. und viele andere Kinder aus Regenbogenfamilien dazu? Sie würden sich wünschen, in den Unterrichtsmaterialien mal selbstverständlich benannt zu werden. Stattdessen kommen sie meist nicht vor. In der Schule wird die heutige Lebensformen- und Familienvielfalt nur unzureichend thematisiert. Und dies betrifft ja nicht nur Kinder aus Regenbogenfamilien. Nachdem statistisch gesehen in jeder Klasse mindestens ein bis zwei Kinder sitzen, die sich lesbisch bzw. schwul entwickeln, wird es höchste Zeit, das Thema umfassend auf die Agenda zu setzen.

Zum Thema Schule: Regenbogeneltern sind oft besonders engagiert. Manchmal übernehmen sie in der Klasse den Posten der Elternsprecher_innen. Dann hat man schon mal einen guten Draht zur Klassenleitung, kann mögliche Berührungsängste bereits zu Beginn abbauen und vielleicht das Thema Vielfalt einbringen.

 

Kapitel 6: Uns als Familie geht es gut. Wir sind überall geoutet und sprechen über unsere Familie. „Das Private ist politisch“ – dieser Satz ist für uns lebendiger denn je, nur durch das Gespräch verwandelt sich Unsichtbarkeit in Selbstverständlichkeit. Und oft fungieren wir als Türöffner: Beim Elternabend erzählen nach unserem Coming out oft andere Eltern, wie ihre Familienmodelle aussehen. Und T. hat durch ihr Coming out als Kind mit zwei Mamas erlebt, dass ihr Klassenkamerad von seiner lesbischen Tante erzählt hat. Solidarität und die Möglichkeit, sich zu vernetzen, sind wichtige Themen für Regenbogenfamilien. So kennt T. viele Kinder mit zwei Müttern, zwei Vätern oder auch vier Eltern, weil es in den großen Städten Netzwerke für Regenbogenfamilien gibt.  Und einmal im Jahr gehen auch viele Regenbogenfamilien als Gruppe mit Kind und Kegel zum Christopher Street Day – das ist der Feiertag der Community,  der Politik und Party so gut miteinander zu verbinden weiß.

 

Kapitel 7: Wir haben von Anfang an mit T. über unsere wunderbare Familie gesprochen. Und auch darüber, dass es Menschen gibt, die unsere Familie nicht wunderbar finden. Doch T. war und ist immer stolz auf ihre Familie, auch wenn sich Frau Merkel nach wie vor schwer tut, uns sämtliche Rechte zuzugestehen, die heterosexuelle Ehepaare ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen. T. versteht das nicht – wir auch nicht, diese Situation gibt uns das Gefühl, Menschen 2. Klasse zu sein. Sind wir aber nicht. Und unsere Kinder sind allesamt Wunschkinder – „Unfälle“ passieren äußerst selten!

 

Kapitel 8: T. ist mittlerweile in der Pubertät. Die Stimmung wechselt stündlich, manchmal minütlich. Das Regenbogenfamilienthema ist eines unter vielen. Die Freundinnen, das Handy und die neuesten Songs sind weitaus wichtiger. Und natürlich findet T. ihre Eltern manchmal peinlich. So wie jedes Kind. Regenbogenfamilien sind eben einfach ganz normal anders.

 

Über Stephanie: 

Stephanie Gerlach betreibt den Blog www.rainbowfamilynews.de ,  kurz RFN. Sie ist Autorin von „Und was sagen die Kinder dazu? Gespräche mit Töchtern und Söhnen von lesbischen und schwulen Eltern“ (gemeinsam mit Uli Streib-Brzic) sowie „Regenbogenfamilien – ein Handbuch“. Sie arbeitet als freiberufliche Referentin und lebt mit ihrer Familie in München.

 

 

 

 


1 comment

  1. Befremdlich
    Das liest sich alles so bemüht und so rechtfertigend, dass man euch beinahe den Rat geben möchte, das alles ein wenig selbstverständlicher anzugehen….
    Warum muss denn beim Elternabend thematisiert werden, dass T.s Eltern lesbisch sind? Das liest sich unglaublich anstrengend.