Gastartikel von Vreni zur Trotzphase: Die liebe Trotz…äh Autonomiephase

Ihr Tollen, für eine gute Freundin hatten wir bei Facebook einmal nach Tipps und Erfahrungen zur kindlichen „Trotzphase“ gefragt und die liebe Vreni, unsere Leserin, die auch schon diesen tollen und viel kommentierten Beitrag geschrieben hat, hat sich für uns hingesetzt und mal ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Ich finde, das ist einen Applaus wert! Danke, liebe Vreni:

Ich hab da so einen Test gemacht. Voll dämlich, eigentlich. Aber ich konnte es nicht lassen. „Bin ich eine gute Mutter?“ heißt er und zu finden ist er im GEOWissen-Sonderheft „Mütter“. Alles in allem übrigens ein sehr lesenswertes Heft. Aber der Test war halt blöd. Allein schon, weil mein Mann besser abgeschnitten hat als ich. Geht ja mal gar nicht!

Jedenfalls: Es kam raus, dass ich mit der Gesamtwertung zwar noch in der besten Kategorie gelandet bin, aber die Wertung in einem der abgefragten Problembereiche war mies:
„Weitschweifigkeit“.

Ich hab mir die betreffenden Fragen dann natürlich noch mal angeschaut. Um’s kurz zu machen: Ich rede zu viel.

Aber ist das wirklich so was Schlechtes? Ich argumentiere eben, erkläre, warum mein Kind jetzt gerade das tun muss, wozu es absolut keine Lust hat. Ist zwar manchmal anstrengend, aber dafür fühlt sich mein Kind respektiert und nicht übergangen. Und richtig krasse Trotzanfälle sind dadurch höchstselten. Ist doch richtig so. Der Test ist Stuss!

Na schön, den kurzen Text zur Auswertung habe ich mir dann doch mal durchgelesen. Und da stand dann doch etwas drin, das mir zu denken gegeben hat:
Die behaupten, ich bringe meinem Kind bei, mit Fehlern durchzukommen statt sie zu vermeiden. Tu ich das? Irgendwie schon, oder? Er redet sich wirklich schon sehr gut raus, mit seinen drei Jahren! Das zeugt natürlich davon, dass er nicht auf den Kopf gefallen ist. Aber ist das eine gute Grundeinstellung? Ich mach was ich will und erklär dann, warum ich’s getan hab, behaupte, aus meinem Fehler gelernt zu haben und hüpfe fröhlich weiter?

Ich hab’s die letzten Tage mal ausprobiert. Wenige, klare Worte, nicht auf Ablenkungsmanöver einlassen und aalglatt mein Ding durchziehen. Und was soll ich sagen? Es klappt erstaunlich gut. Ins Bett bringen dauert jetzt nur noch halb so lang, ins Auto steigen geht jetzt fast so schnell wie in kinderlosen Zeiten und die Mahlzeiten laufen auch viel ruhiger ab. Nicht mehr die Salve an „Warum?-Fragen“:
„Kind, würdest du bitte sitzen bleiben? …. Ja, ich weiß du bist jetzt wütend, aber sieh mal, Mama und Papa hätten gern Ruhe beim Essen. … Weil uns sonst die Ohre weh tun … Weil … äh ja ….“ und so weiter.

Sondern nur noch: „Kind, sei still und setz dich. Essen.“

Und alles Weitere wird ignoriert. Das führt natürlich zu Frust und das wiederum zu Trotz. Und wenn der zu heftig wird (Metallgabeln durch die Gegend werfen, die Eltern hauen oder der kleinen Schwester ins Ohr brüllen), dann kommt das Kind vor die Zimmertür. Dort beruhigt er sich dann erstaunlich schnell und hat sich nach wenigen Minuten schon ein Spielzeug gesucht, mit dem er friedlich beschäftigt ist. Dann kommt er von selber wieder rein und isst weiter als sei nichts gewesen.

Gemessen am Resultat: Grandios. Der Haken? Mein Bauch.

Ich find es unfair, meine Macht so auszuspielen. Das überschreitet eine Grenze. Damit nehm ich meinem Kind ein Stück seiner Würde. Und das Gesamterziehungskonzept passt dann auch nicht mehr. Ich will doch keinen Untertanen großziehen! Ich will, dass mein Sohn sich traut, für seine Überzeugungen einzustehen. Mit der ganzen Nummer bring ich ihm doch nur bei, sich brav an die Regeln zu halten, weil er nur ein kleiner Pimpf ist, der eh keine Wahl hat. Nein, das will ich nicht.

Ich hab mich jetzt mit meinem Bauch, meinem Gewissen und meinen eigenen Bedürfnissen auf folgenden Kompromiss geeinigt:
Generell wird weiter diskutiert und erklärt und auf Augenhöhe behandelt.

ABER wenn ich merke, heut ist ein Tag an dem meine Nerven schlecht sind und das Programm straff, dann muss er eben auch einfach mal funktionieren, der Kleine. Das kann ich ihm zumuten. Und das muss ich ihm auch manchmal zumuten.

Dafür gibt es dann halt abends noch ein bisschen Kuschelzeit extra und zwischendrin die eine oder andere Süßigkeiten-Bestechung. Wie der Mütter-Bewertungs-Test das wohl fände? Mir egal! Vom Kind krieg ich dafür 100 Punkte.

 

 


8 comments

  1. Naja
    Und was soll ich aus dem Artikel mitnehmen? Woher weißt denn Dein Sohn, wann er funktionieren muss und wann Du mit ihm diskutieren möchtest. Ich denke, das verwirrt ihn, wenn er nicht weiß, welche Mama denn grad heute da ist. Und wenn er morgens „Tu das, macht das usw. hört“, weißt er nicht, dass er abends dafür extra Kuschelzeit bekommt oder eine Süßigkeitenbestechung. Sei authentisch, aber auch wenn es stressig ist, solltest Du es vielleicht Deinem Kind erklären. Beziehung nennt sich das.

  2. tipp
    Ein Lesetipp für alle die sich über dieses Thema Gedanken machen: ‚Nein aus Liebe: klare Eltern, starke Kinder‘ von Jesper Juul. Es ist grossartig geschrieben und sehr wahr. Unter anderem steht darin auch etwas über Juuls Erfahrung mit deutschen Müttern und ihrem Hang zum diskutieren 🙂

  3. Super Thema!
    Tja, das ist echt ne große Schei*e. Geht mir nämlich auch so und ich überleg schon seit Anfang an (4 Jahre) wie es nun am besten ist. Immer wieder!
    Mir gehts haargenauso wie Vreni beschreibt auch mit meinem kleinen Sportsfreund.
    Da er mein erstes Kind ist, kann ich noch nicht sagen, wohin das häufig partnerschaftliche Erklären und Verhandeln später führen wird. Aber auch mir liegen diese diktatorischen Ansagen und das Abverlangen von unbedingtem Gehorsam persönlich gar nicht. Schon gar nicht von jemand so geliebten.

    Soll man nun mit seinem Kind umgehen, wie es zu mir als Mensch mit meiner individuellen Umgehensweise und meinem Menschbild passt, also meiner Persönlichkeit entspricht? Oder ist das egoistisch, weil ich dabei mehr mich als das Kind im Blick habe? Lieber einem von sich aus folgsamen Kind anders begegnen als einem hitzigen Dickkopf? Also variable Behandlung nach Ansehen der Person? Gehört es zur elterlichen Verantwortung, seinem Kind dieser Erfahrung „du musst tun, was dir gesagt wird!“ auszusetzen? Was erzeugt das im Kind? Ab wann oder bis wann ist es ratsam seinem Kind so zu begegnen? Darf nur ich das als ganz enge Bezugsperson, dürfen das alle Älteren? Darf das die Erzieherin? Braucht ein Kind diese Umgangsweise, weil es so auch allzu oft im Erwachsenenleben läuft?
    Ich weiß es nicht.

    Am besten ist es wohl, sich bewusst so oder so zu verhalten. Aus dem Bauch heraus zu handeln ist zwar auch oft gut, noch besser ist es wohl aber sich seiner Ziele in der Erziehung bewusst zu machen.
    Wie will ich das Kind groß kriegen? Was soll das mal für ein Mensch werden? Wohin will ich langfristig mit seinem Seelenheil, seinem Selbstwertgefühl, den kindlichen Selbstbewusstsein, dem Verständnis von Gemeinschaft, von Aufgaben, Pflichten, Zugehörigkeit, Frustrationstoleranz, Gefühlt-werden, Empathie und und und.

    Ich persönlich löse oft Konfrontationen mit simpler Ablenkung, kleiner Bestechung, partnerschaftlichem Handeln, Locken / Anreizen, Androhen, umsetzten angekündigter Konsequenzen und Humor. Das letzte ist das angenehmste für uns alle. Das beobachte ich aber kaum bei anderen Eltern. Fällt ja auch schwer aus seiner Enttäuscht-/ Genervt- / seins-Schiene oder der Meckerfalle rauszukommen.

    Es stimmt schon, Kinder brauchen Verlässlichkeit und Klarheit von ihren Eltern. Ab und zu eine Ausnahme ist aber auch ne wichtige Sache.

    Und: Dem Kind sagen und zeigen dass es geliebt wird, auch wenn es bockig oder anstrengend ist 🙂

  4. hm..
    Ich verstehe, ich glaube ich habe bei meinen 4 Kindern alles ausprobiert, mit viel, wenig und ohne reden. Jetzt, bei der ältesten Tochter (Vorpubertät), weiß ich, ich hätte das viele Drumherum erklären und begründen einfach lassen sollen. „Nein“ heißt „Nein“, weil Mama es gesagt hat…puh. Eigentlich suchen Kinder einfach nach Klarheit und Sicherheit. Deshalb überlege ich zwei Mal, ob ich hinter einem Ja oder Nein stehen kann. Wenn ich mir unsicher bin was ich will, schaue ich einfach weg…

  5. Schwierig
    Auch (oder gerade deswegen) wenn ich nur „Wochenend-Stief-Mama“ bin, kenne ich das gut. Ich versuche meistens auch zu erklären, warum, wieso, weshalb irgendwas gemacht werden soll. Allerdings nur bis meine Schmerzgrenze erreicht ist, dann gibts eine klare Ansage. Aber da hab ich dann auch wieder kein gutes Gefühl.
    Ich denke, manchmal muß es einfach klare Ansagen geben, vor allem bei Sachen, die regelmäßig vorkommen, und bei anderen Sachen kann man dann erklären, warum man was macht oder eben nicht. Die Mischung machts halt…

    LG Stephi

  6. Gratwanderung
    Gerade diese Gratwanderung finde ich sehr sehr schwer. Mein Mann meint auch immer, ich erklaere zu viel. Einfach mal nichts sagen ( oder nur kurz ) und machen. Das klappt in der Tat besser, aber mein Bauch sagt mir dann auch: Du musst doch jetzt erklaeren, warum das jetzt so ist.
    Ist an einer Situation nichts zu aendern, verhandele ich nicht. Ansonste lasse ich mich schon dazu hinreissen…

    LG,
    Katrin

  7. Finde ich gut
    Liebe Vreni,
    deinen Kompromiss finde ich sehr gut. Auch wenn die Tendenz immer mehr dahin zu gehen scheint, dass alles ständig ausdiskutiert werden muss, so muss man doch feststellen, dass es auch frustriert. Nicht nur Kinder, sondern auch werdende Erwachsene und dann vollständig Erwachsene. Es gibt Situationen, die durch Diskussion und die Frage nach dem Warum und Wieso nicht verändert werden können. Je früher mal also als Mensch auch mal mit unveränderbaren Tatsachen und dem Schlucken einer unangenehmen Konsequenz konfrontiert wird, desto leichter fällt es einem im späteren Leben, denke ich. Ich habe als Pädagogin leider schon zu viele Kinder erlebt, die immer zu mit einem über alles diskutieren wollen, aber eben auch die passenden Mütter dazu erlebt. Wunderbar sind Kinder im Kita- Alter, die mit dir über das Mittagessen diskutieren wollen, aber manches kann man nicht diskutieren, auch wenn es zunächst unfair aussieht. Ich denke, dass man sich im Leben leichter tut, wenn man früh lernt nicht bei jeder Wand mit dem Kopf durch zu müssen. Damit wird man noch lange nicht zum JA-Sager, die Pubertät tut mit Sicherheit ihren Teil auch noch dazu beitragen!

    Liebe Grüße
    Sandra