Ein Winter in Kapstadt – wie Lina mit zwei Kindern in Südafrika eine Auszeit nahm

Liebe Lina, Du warst gerade mit der ganzen Familie 3 Monate in Kapstadt und hast dort `überwintert". Kannst Du Dich noch erinnern, wann Du das erste Mal die Idee dazu hattest?

Der Wunsch den grauen gruseligen Winter in Berlin zu überspringen war natürlich schon lange da. Vor allem mit kleinen Kindern, mit denen man sich dann jeden Nachmittag aufs Neue etwas ausdenken muss, weil es für Spielplatz oder Garten zu nass/zu kalt ist. Bisher aber war so eine Auszeit nicht möglich, weil mein Mann festangestellt war und meine große Tochter ja schulpflichtig ist. 

Aber Deine Große war doch nun dabei?!

Genau. Unsere Kleine geht noch in die Kita, die Große ist jetzt in der 10. Klasse – da kann man auch im Ausland zur Schule gehen, das ist kein Problem. Erst hatten wir überlegt, uns für die Kleine in Kapstadt eine Kita oder eine Nanny zu suchen, haben das aber dann doch nicht gemacht. Schließlich waren wir ja zu zweit und haben dann doch weniger gearbeitet als gedacht. 

Und was habt Ihr mit Eurer Berliner Wohnung gemacht?

Da haben Freunde gewohnt, die ihre Patchwork-Familie mal in einer gemeinsamen Wohnung testen wollten. Hat gut geklappt – sie suchen jetzt übrigens eine gemeinsame Wohnung.

Wie lief das mit den Jobs von Dir und Deinem Mann?

Mein Mann hat kaum gearbeitet, ich ein bisschen. Für einen Job bin ich zwischendurch eine Woche nach Frankfurt geflogen, die anderen Shootings fanden vor Ort sttat.  Es war insgesamt weniger als erwartet, aber wir hatten uns darauf vorbereitet, so dass es finanziell kein Problem wurde. 

Wir konntet Ihr Euch das finanziell leisten, wenn Ihr wenig gearbeitet habt?

Wir sind ja beide Freiberufler, sind finanzielle Schwankungen also gewohnt. Wir hatten ein kleines Polster gespart, meine Einnahmen durch die Jobs vor Ort haben für die Fixkosten während der Auszeit gereicht. Der Flug war auch nicht teuer und Kapstadt ist zum Leben relativ günstig – Kalifornien oder Australien hätten wir uns nicht leisten können. 

Warum fiel die Wahl auf Kapstadt und stellte sich das als die richtige Wahl heraus?

Die Ansprüche waren Palmen. Urbanität, Kultur, Natur. Wo Palmen sind, ist man schon mal nicht ganz falsch. Aber ausserdem wollten wir wissen, wie es ist, woanders zu leben – und nicht nur Urlaub zu machen. Dabei hilft es, wenn man die Sprache spricht und man die Kultur versteht. Bangkok oder Sansibar sind wunderbar, aber man bleibt fremd dort. 
Kapstadt ist, wie ein UBER Fahrer zu mir sagte „a piece of Europe lost in Africa“. 

Wo habt Ihr dort gewohnt und wie habt Ihr die Unterkünfte gefunden?

Über Air BnB, wir haben in Hout Bay und Noordhoek gewohnt, weil wir gerne mehr Natur um uns rum haben wollten. Kapstadt ist aber nur 20 Minuten entfernt. Dort gab es Pferde und Wanderwege, wunderschöne Strände und Bergpanoramen. Also eigentlich ein bisschen Ferien auf dem Bauernhof gepaart mit Strandurlaub.

Was war die schönste Erfahrung in diesen Wochen?

Die Klein Karoo – eine halbe Wüste. Dort gibt es wunderbare, von der Zeit verlassenen, Orte. In der Wüste zu sein, berührt einen. Es ist quasi eine spirituelle Erfahrung. Wir haben dort in einem uralten Schulhaus gewohnt, das praktisch konserviert war, denn in der Wüste verrottet nichts. 

In Kapstadt waren meine Favoriten:
Fischhoek und Boulder Beach zum Schwimmen.
Kalkbay zum Essen (Cafe Olympia) und auch Baden in St. James.
Beau Constantia zum Essengehen.
Silvermine Lake zum schwimmen und spazieren.
Constantia Nek, Wandern und Joggen.
Wenn du meine Kleine Tochter fragst: Riding Center Hout Bay. Pony reiten!

Gab es etwas, was ganz anders war/lief als erwartet?
Die Garden Route hat mich enttäuschrt. Landschaftlich ist sie natürlich wunderschön, das hatte man aber mehr oder weniger in Kapstadt auch vor der Tür. Ansonsten Rentner und hässliche Städte. Ich würde davon abraten. Ich finde, es lohnt sich nicht.

Wie fanden die Kinder den Aufenthalt? Haben sie Deutschland vermisst?

Nein! Gar nicht. Bei Freunden war es anders. Der Sohn hat seine Freunde vermisst. Unsere Kleine vermisst eher Südafrika. Neulich am Flughafen wollte sie gleich los.

Wie war es, nach der langen Zeit wieder nach Berlin zu kommen?

Ich habe mich gefreut. Irgendwann ist man auch innerlich schon abgereist. ich habe mich auf unsere Wohnung gefreut und den Kinderladen! Es war schön wieder in Europa zu sein. Das Leben hier ist soviel gemütlicher und sicherer, freier. Es ist schön zurück zu kommen und alle Freunde wieder zu sehen.

 Habt Ihr Pläne, so eine Auszeit zu wiederholen?

Ja. Unser Auto steht noch dort. Allerdings würde ich gerne noch mehr Alltag installieren. Das heißt, für die Kleine in eine Kita/Kinderladen finden, nur in einer Unterkunft bleiben, mehr arbeiten. Und persönliche Projekte in Angriff nehmen, z.B. Reiten auffrischen oder Bergsteigen lernen. 

Ich habe aber tatsächlich ein ambivalentes Verhältnis zu Kapstadt. Die extreme Ungleichheit zwischen Arm und Reich/Weiß und Schwarz, sind nicht einfach zu ertragen. Und auch die Sicherheit ist ein großes Thema. Ich dachte erst, das sei übertrieben – ist es aber nciht. Man muss sich an gewisse Regeln halten, sonst bekommt man ein Problem. Und das wiederum fördert ein Mindset der Verdächtigung und Angst. Ich könnte da nicht für immer leben, ich finde das sehr anstrengend. Man lebt in einer weissen privilegierten Blase und es ist schwer die Grenzen zu überschreiten, schwerer als ich dachte.

—— Wie man aufgrund der tollen Bilder schon ahnen kann, ist Lina Fotografin. Mehr zu ihr findet Ihr hier. Lina und ihre Familie waren zusammen mit Isabel von Little Years in Kapstadt. HIER findet Ihr ganz viele Tipps von Isabel

 

1 comment

  1. Das war ein interessanntes
    Das war ein interessanntes Interview. Da bekommt man direkt Lust, die Koffer zu packen.
    Beim Lesen bin ich über Sansibar gestolpert, da diese Insel für etliche Jahre unsere Heimat war. Mit Englisch kommt man dort nur sehr bedingt durch – somit ist es wohl wahr, dass man nicht so schnell Fuß fassen kann.