Ein Kind ist kein Kind? Von wegen!!!!

Liebe Katharina, ich habe Deinen gestrigen Beitrag wirklich gern gelesen und freue mich auch, dass Du einen schönen Nachmittag in der U-Bahn hattest – mit nur EINEM Kind. Ich kenne diese Ruhe, herrlich. ABER.

Ich muss Dir mit entschiedener Überzeugungskraft sagen, dass ich bei diesem Ein-Kind-ist-kein-Kind-Satz an die Decke gehen könnte! Meine Erfahrungen mit dem ersten Kind waren so einschneidend, vermutlich ist das der Grund für meine immer wieder drohende Explosion bei diesem Satz. Denn wenn wir ehrlich sind: Nichts verändert unseren Alltag so sehr wie das erste Kind. Zumindest bei mir war das so…

Da das erste Kind in den meisten Fällen als Einzelkind auf die Welt kommt (mal abgesehen von Patchworkfamilien und Mehlingseltern) hat dieses EINE Kind einen beträchtlichen Anteil an dieser Lebensverwandlung. Und auch wenn Du sagst, dass Dein erstes Kind ein sehr pflegeleichtes war: Die Verantwortung, die Du plötzlich spürst! Die Veränderung an Deinem Körper! Die Sorge! Dieses Gefühl: Au weia, das bleibt jetzt für immer! Die Jobpause! Die Moltontücher in der ganzen Wohnung! Dieser Stolz! Dieses Freude!

Ein Kind ist kein Kind? PAH! Nichts hat mein Leben je so verändert, wie dieses eine erste Kind! Weil dieses eine erste Kind mich zur MUTTER gemacht hat. Als die nächsten Kinder zur Welt kamen, war ich ja längst Mutter! Und wusste, wie man stillt. Und dass man sie durchkriegt, diese kleinen Racker. Das wusste ich beim ersten Kind noch nicht!

Ein Kind ist kein Kind? Kann ich echt nicht unterschreiben. Mein Kind hat viel geschrien. Mein Kind kam, als ich 24 war und meine Freunde noch Party machen gingen, während ich die Nächte mit diesem tollsten-schönsten-wunderbarsten schreienden Wesen auf dem Arm durch unsere Wohnung tigerte und es vor sämtlichen Gefahren dieser Welt beschützen wollte. Dieses Kind war der anstrengendste und schönste Einschnitt in meinem Leben. Und es hat meinen Alltag und meine Gefühlswelt auf den Kopf gestellt.

Wenn ich heute Freunde nach der Geburt des ersten Kindes besuche oder Bekannte mit schon älteren Einzelkindern und sie mir sagen: „Ach, Dir brauch ich ja keinen vorzuheulen, Dir mit Deinen Dreien, ich hab ja nur eins!“ Ehrlich, dann fühle ich mich schlecht. Denn jeder, JEDER, hat das Recht mich vollzuheulen. Das tut nämlich gut! Ab und zu mal.

Und ich brauch mir nicht die müden Fotos aus dem ersten Babyalbum anzuschauen, um mich daran zu erinnern, dass auch ich mich oft überfordert fühlte mit „nur“ einem Kind. Das ist doch nur normal! Ich möchte jeden und jede drücken, der oder die auch schon mit einem Kind an seine Grenzen kommt, denn: Ja, ich kam auch an meine Grenzen. Mit einem Kind. Und hab dann trotzdem noch mehr Kinder gekriegt!

Und jetzt, da ich drei habe, ist es selbstverständlich WUNDERVOLL, wenn man mal nur eines hat – oder nur zwei. Hach. Dann ist es ruhig. Dann ist es schön und intensiv und gut. Aber das liegt nicht daran, dass ein Kind kein Kind ist. Sondern daran, dass der Alltag sonst so laut und wild ist, dass sowohl das eine Kind sich freut, mal ohne Unterbrechung zu spielen, als auch ich.

Wäre dieses eine Kind aber immer nur ein Kind, dann würde auch ich das wahrscheinlich nicht als ruhig wahrnehmen, mit nur einem Kind zu sein. Erstens, weil mir der Vergleich fehlte und zweitens, weil das Kind dann ganz anders spielen würde. Nur weil es WEIß, dass die Geschwister gleich wieder eintrudeln, spielt es so ruhig und gewissenhaft mit dem Lieblingsspielzeug, dass ihm mal keiner sofort wegnimmt oder kaputt macht, denke ich. Wäre da nicht die Gewissheit, dass es gleich wieder laut wird, ich glaube, das hätte eine andere Dynamik. Eine Ein-Kind-Dynamik. Keine Kein-Kind-Dynamik 😉


3 comments

  1. Liegt im Auge des Betrachters
    In meinem ehemaligen Status als Erstlingsmama (jede Mama hat mal klein begonnen), war es für mich auch eine unglaubliche Umstellung und ich hasste diesen Satz auch, weil ich das Gefühl hatte vollkommen überfordert zu sein. Jetzt mit drei Kindern wünsche ich mir manchmal die Zeit mit nur einem Kind zurück und ja… Ich würde den Satz jetzt auch zeitweise unterschreiben: „Ein Kind ist doch nix…“
    Allerdings halt auch nur zeitweise, wenn man sein Kind mal für ein paar Stunden abgeben kann und dann ist Ruhe… Ein Kind irgendwo zu „verstellen“ war zumindest für mich einfacher als mit dreien. Während ich mit einem mal zwischendurch meine Ruheoasen hatte, ist das jetzt vorbei…
    Allerdings hat es mit mehreren Kindern den unglaublichen Vorteil, dass man als Eltern nicht mehr die Hauptattraktion ist, sondern die Geschwister zum spielen und toben da sind und man trotz Kindern mal aufs Sofa sitzen kann um einen Kaffee zu trinken…
    Jede Lebensphase hat seine Vor- und Nachteile 🙂

  2. Sehr gut geschrieben!
    Ich sehe es ganz genauso und ich mag diesen Satz „Ein Kind ist kein Kind“ überhaubt nicht. Wie kommt man denn auf so einen Gedanken? Ist mir unbegreiflich.
    Liebe grüße, Nicole.

  3. DANKE!

    DANKE!

    Genauso denke ich auch. Mich nerven so dermaßen die Kommentare von Eltern, die bereits mehrere Kinder haben und mir das Gefühl geben, klein, unerfahren und damit unbedeutend in der „großen“ Welt der Eltern zu sein!

    So wie ich es jetzt genieße, wenn mein Kind in der Kita ist und ich arbeiten gehen kann, so war früher die Arbeit für mich stressig und anstrengend (heute ist es die pure Erholung!). Wenn dann – so die Natur will- unsere Familie größer geworden ist, dann sehne ich mich nach der Zeit mit diesem einen Kind, als Oase der Ruhe zurück.

    Aber niemand muss sich dafür verstecken oder rechtfertigen, wenn ihm etwas anstrengend oder Zuviel ist! Jeder hat da ein anderes empfingen von Stress, dass einfach mit Erfahrung wächst.