Hallo Ihr Lieben, hallo Lisa,
gestern bin ich mal dazu gekommen, den Artikel zu lesen, der seit Tagen durch die Blogs und Newsforen geht und den Lisa auch auf unserer Facebookseite verlinkt hatte. Keine Ahnung, wer ihn ausgegraben hat, er ist nämlich von 2009, aber plötzlich doch wieder heiß diskutiert. In dem Text von Tanja Stelzer auf ZEIT ONLINE geht es um so vieles, was heutzutage wichtig ist, Förderung von Kindern, Überforderung, Überbehütung, Verwöhnen, nicht Verwöhnen, Themen, die was meine Kinder angeht, auch jeden Tag meinen Alltag streifen. Und deshalb ein paar meiner Gedanken zu diesen Dingen und Fragen, an denen ich selbst oft hängen bleibe.
+ In dem Artikel steht, dass keine Generation von Kindern je so behütet wurde, rumkutschiert wurde, dass nicht mehr auf der Straße gespielt wird, die Kinder nicht mehr alleine rausgehen… Nun, ich gebe der Autorin recht, andererseits würde ich meinen bald Dreijährigen sagen wir mal mit unseren zwei sechs Jahre alten Nachbarszwillingsjungs rausschicken zum Spielen, stände wohl nach einer halben Stunde die Polizei bei mir vor der Tür. Was ich damit sagen will, Gewohnheiten und soziale Strukturen ändern sich nun mal, es sei denn man lebt in Nordschweden oder gleich in Bullerbü, da wird das in hundert Jahren wohl noch so sein. Apropos: Ich bin in den Achtzigern in Bonn aufgewachsen und bin auch erst sehr viel später (sagen wir mit 11 Jahren) alleine in die Stadt gefahren…
+ Förderung von Kleinkindern ist der nächste Punkt. Wann überfordert und wann unterfordert man aber auch ein Kind, das eigentlich ja auch gerne wie jeder Mensch lernt? Wann denn nun mit einem Instrument anfangen, ohne dass von Überforderung die Rede sein kann? Ich bin zum Beispiel zweisprachig aufgewachsen, sprich ich habe Französisch gelernt, ohne einen Funke Mühe investiert zu haben, es ging ja quasi wie von selbst. Mit anderen Sprachen habe ich mich später gequält und tue es noch heute. Was spricht also dagegen, früh anzufangen, ohne eben, dass wieder von Überforderung die Rede ist? ch habe dazu ehrlich gesagt eine feste Meinung, einfach aus eigener Erfahrung… Und das heißt nicht, dass eines meiner Kinder heute schon ein Instrument lernt. Nein, tun sie nicht… :-)!
+ Und dann ist da die Sache mit dem Einsatz von Logopäden oder Psychologen, wenn ein Kind in der Schule hinterher hinkt. Nun, wenn ich an meine eigene Grundschulzeit denke, war ich, was das Schreiben lernen anging ein echter Pflegefall, von Mathe (bis heute!) ganz zu schweigen. Deshalb musste ich zum Förderunterricht mit ein paar anderen aus meiner Klasse. Das war keine Option, das war ein Muss. Alle Kinder, bei denen es die Lehrerin für nötig hielt, mussten donnerstags und freitags zur ersten Stunde antanzen, während die anderen erst zur zweiten kamen. Sicher, war es demütigend schon dazusitzen, während alle anderen erst um Viertel vor neun eingetrudelt kamen, aber ich glaube, schullaufbahnmäßig hat der Förderunterricht mir auf gut Deutsch den A**** gerettet. Und würde ich deshalb heute Eltern verurteilen, die mit ihren Kindern einmal mehr als zuwenig zu Logopäden gehen? Mitnichten!
+ Und zuletzt ist da die Sache mit dem Sandkasten. Ich erlaube mir folgenden Ausschnitt aus dem Artikel zu zitieren:
Eine erhellende Sozialstudie ist es, auf einem Spielplatz in Prenzlauer Berg die Eltern zu beobachten, die im Halbrund um den Sandkasten sitzen und einschreiten, sobald sich zwei Kinder um eine Schaufel oder einen Eimer zanken. Keines der Kinder muss lernen, eine Lösung für das Eimer- und Schaufelproblem zu finden. Das übernehmen die Eltern, die sich in den Kampf stürzen, um das erste Eigentum ihrer Kinder zu verteidigen gegen die Besitzansprüche der Konkurrenten.
Ja, hmm. Also, ich würde nicht abstreiten, dass ich einem größeren Kind, dass meinem kleinen Kind, seine Schaufel weggenommen hat, sie nicht wieder abgenommen habe, weil es unfair ist, aber im Grunde bin ich Verfechterin des Sandkasten-Leitsatzes: Die Erwachsenen sitzen auf der Bank und spielen nicht IM Sand. Seitdem ich ein Baby habe, ist das für mich sogar Gesetz, weil ich stillen muss oder das Baby auf dem Schoß sitzen habe und mein Sohn auch echt gut ohne mich zurechtkommt auf der Rutsche :-)!- Aber hierzu ganz generell ein Einwand. Ich stimme zu, dass man es sehr schnell übertreiben kann, wenn man sich für sein Kind um jedes Sandförmchen prügelt. Aber auf der anderen Seite denke ich auch wieder hier an meine eigene Schulzeit zurück. Ich glaube rückblickend, dass ich bis zur 7. Klasse immer wieder Hänseleien ausgesetzt war. Das rührte (vermutlich) daher, dass ich ein Verständigungsproblem hatte. Ich war halt Französin und sprach zwar Deutsch, aber eben nicht so, dass ich mich selbstsicher artikulieren konnte, also schwieg ich die meiste Zeit und die Schweigsamen sind ja immer ein gefundenes Fressen. Tja und so kam es, dass ich jede Pause gehänselt wurde. Ich wurde eingekreist, mir wurde mein Pausenbrot wegnommen, mein Ranzen ausgekippt oder ich wurde einfach mit Fragen belästigt und mit dem Drängen meiner Kameraden: „Aaaantworte doch mal.“ Die Lehrer haben vielleicht nicht zugeguckt, aber sicherlich auch nicht eingegriffen. Und ganz ehrlich: Dieser BULLSHIT hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Es hat mich nicht weitergebracht und die anderen auch nicht. Lustigerweise sind sogar die, die mich damals am meisten geärgert haben heute in allen Bereichen völlige Versager… Und ich glaube auch, dass das kein Zufall ist. Dass es nicht gut für ein Kind ist, wenn es früh lernt, dass er mit assozialem Verhalten durchkommt. Und deshalb will ich das nicht für meine Kinder: Ich will nicht, dass sie andere ärgern, ich will allerdings auch auf keinen Fall, dass sie sich ihre Bücher aus dem Gebüsch zurückholen müssen.
Also wie schlimm ist denn nun die zurückgeholte Schaufel aus Mamas Hand? Sicher, wir sollten nicht so streng mit anderen Kindern sein, aber eben auch nicht mit anderen Eltern. Denn ganz sicher haben wir alle eines gemeinsam: Wir lieben unsere Kinder und wollen das Beste für sie. Jeder auf seine Art.
Eure Caro
6 comments
Nido
Schlag ich heut die neue nido auf und über was les ich da? Helikopter -Eltern und Tigermamas! Und über das Thema freiraum in Großstädten!
Toler Text!
Danke Mieze….bin d’accord!
Danke Mieze….bin d’accord!
Naja
… Ich glaube, dass der Zeit-Artikel doch auf etwas anderes abzielt als auf die Art von Frühförderung, die du, liebe Caro, bekommen hast. Ich denke, man kann die 80er Jahre nicht mehr mit heute vergleichen.
Kinder werden heute oft wie kleine Erwachsene behandelt. Sie müssen einen 8-Stunden-Tag in der Kita wuppen, werden danach oft noch in irgendwelche Kurse geschleppt und wenn sie mal zufrieden im Sandkasten sitzen und einfach nur spielen wollen, werden sie von ihren Eltern zugetextet, dass sie doch bitte alles teilen müssen oder sich wieder holen müssen oder am besten gar nicht im Sand spielen sollen, weil „Mami gar keine Lust hat, den kleinen Dreckspatz wieder unzuziehen“ (O-töne).
Puh. ADHS, Sprachstörung, Schlafstörung, Essstörung, ach, was hab ich vergessen, Kiss-Syndrom, – und das alles bevor sie überhaupt in die Schule gehen? Sind wir gestört oder unsere Kinder?
Ich finde, wir müssen unseren Kindern mehr Freiraum geben. Da hat die Zeit-Autorin vollkommen Recht! Dass das in Bullerbü einfacher geht als in Berlin, ist klar. Aber auch da sollte es Möglichkeiten geben, Kind unter Kindern zu sein! Und wenn die Eltern sich nicht rausziehen können (Straßen, gefahren etc.), dann sollten sie sich wenigstens zurückhalten.
Mal im Park laufen lassen, Regenwürmer sammeln statt Event-Wochenende ( unter dem Deckmantel „ich will meinen Kindern was bieten“- Synonym für „ich halte diese langweiligen Wochenenden zuhause nicht aus“), Pfützen hüpfen statt indoor-Spielplatz, Steine anmalen statt kreativ-Workshop, rumlärmen statt leise im Kinderkonzert sitzen. Kind statt Projekt. Basta!
Ich kann das gut nachvollziehen,
was Du schreibst, liebe Caro. Ich bin auch bilingual bzw. erst mit 7 nach Dtland gekommen und da war mir auch einiges fremd, wie Du beschreibst, dieses Sich-Ärgern nur aus Spaß…und mein Sohn ist ein sehr sensibles Kerlchen, der gern mal in Tränen ausbricht, wenn ihn ein anderes Kind nur schief „anguckt“ oder er denkt, dass man ihm seinen Ball wegnehmen möchte. Ich glaube nicht, dass die Methode „Abhärten“ bzw. die Einstellung „der muss das fürs Leben lernen, wie man sich wehrt“ die Richtige sein muss…daher greife ich auch mal ein, auch, weil er sich sprachlich noch nicht so ganz mitteilen kann. Das ist natürlich immer ein Abwägen und auch eine Altersfrage. Ich glaube, wenige Kinder unter 3 können Konflikte unter sich ausmachen (natürlich sind die Entwicklungen unterschiedlich), aber die „Meins!“-Phase ist besonders in diesem Alter recht ausgeprägt, soweit ich das sehe auch im Umfeld. Und bevor da Schaufelhiebe ausgetauscht werden, vermittelt man doch natürlich. Dadurch ist man doch keine Helikopter-Mutter, find ich! Und Förderung ja, nach Interessen und Vorlieben…Wenn ich zB mitkriege, dass mein Kind gern mit Puzzles spielt oder mit Memory, dann kauf ich ihm halt wahrscheinlich irgendwann eins. Wenn es ihn noch null interessiert, dann zwinge ich es nicht, damit zu spielen…so ist das doch mit Hobbys auch später, oder?
LG, Julia
Die Geschichte mit der
Die Geschichte mit der Schaufel auf dem Spielplatz geht mir jetzt doch nicht aus dem Kopf. Natürlich sieht niemand gern, wenn seinem Kind was weggenommen wird, aber ich kann meinem Kind doch wohl beibringen, dass es sich seine Schaufel selber zurück holen soll?! Mit einer einfachen Frage/Aufforderung ‚bitte gib mir meine Schaufel wieder‘.
Und wenn das Kind dann erfolglos bleibt, kann ich als Eltern immer noch eingreifen.
Und wenn mein Kind auf dem Spielplatz lernt, sich zu wehren bzw sich nicht alles gefallen zu lassen, dann kann es das auch auf dem Schulhof 🙂
Nur weil mein Kind lernt, selber zu handeln, heißt das doch nicht, dass er mit asozialem Verhalten durchkommt?!
super
Suuuuuper geschrieben,genau so sehe ich das auch 🙂