Liebe Petra, wir erzählen hier viel von unserem turbulenten Familienalltag und wenn uns jemand sagt: „GENIEß ES, sie werden so schnell groooß!“, dann denken wir manchmal „Ja, ja…“. Hat dir auch jemand diesen Satz gesagt und wie stehst du heute zu ihm?
Den Satz habe ich sehr, sehr oft gehört! Ich hatte ja in nicht mal eineinhalb Jahren drei Kinder bekommen – erst 2002 die Große, dann 2003 Zwillinge – und wenn ich mit meinem Drillingswagen in dem Dorf einkaufen ging, in dem wir damals lebten, fielen wir natürlich auf. Wir waren auch neu in der Gegend, sodass die Ortsansässigen doppelt neugierig guckten. Tatsächlich war ich super dankbar dafür, drei gesunde Kinder zu haben und genoss das durchaus. Dennoch war ich manchmal einfach nur todmüde. Der Spruch „Sie werden so schnell groß“ löste manchmal Gedanken aus wie: „Was passiert wohl zuerst, dass die Kids groß sind oder dass ich zusammenklappe?“
Würdest du ihn vielleicht sogar selbst aussprechen?
Wie man sieht, haben wir alle überlebt 🙂 Ich spreche den Satz also auch manchmal aus, wenn eine junge Mama laut jammert. Allerdings nie belehrend, sondern immer verständnisvoll und mit einem Zusatz. Ich sage zum Beispiel: „Ich weiß, es ist kaum vorstellbar, wenn man mittendrin steckt. Und damit Sie es genießen können, brauchen Sie auch mal eine Pause oder Auszeit.“
Wenn die Frauen dann wissen wollen, wie das gehen soll, empfehle ich ihnen Dinge wie „schlafen, wann immer die Kinder schlafen“ (ja, auch tagsüber) und „das Chaos ignorieren, ,Schöner Wohnen‘ kann noch kommen, wenn die Kids groß sind“. Auch zu einer Mutter-Kind-Kur ermutige ich Mamas.
Es gab aber noch einen anderen Spruch, den ich oft hörte, den ich damals schon doof fand und auch niemals weitergebe: „Es wird nicht leichter, nur anders.“ Quatsch! Natürlich wird es leichter! Je besser Eltern und Kinder einander kennen, je mehr harte Nächte und Tage man gemeinsam überstanden hat, desto schöner wird doch das Familienleben. Das Leben mit Teenagern reden meines Erachtens auch viele schlecht, dabei kann es ganz großartig sein: all die guten Gespräche, die spannenden Unternehmungen, die man teilen kann.
Jahrelang hast du dich um deine Kinder gekümmert, du warst ihr Sprungbrett in die Welt. Nun zieht das erste aus, springt ab und du stehst da und schaust hinterher. Wie fühlt sich das an?
Der Kopf sagt: „Super! Eine hast du soweit, sie macht ihren Weg und DU kannst dir auf die Schulter klopfen!“ Dann jammert der Bauch: „Aber ach. Mein Baby! Sie so weit weg. Ich vermisse sie sooo!“ Dann schaltet der Kopf sich wieder ein: „Willst du sie mit 40 noch daheim haben? Wäre das nicht dein Horror, ein Kind, das den Absprung nie schafft?“ Dann wieder der Bauch: „Natüüürlich, aber schon mit 18 … sie wird sich so verändern jetzt!“ Dann meint der Kopf: „Und das ist auch gut so. Denk an dich! Du warst auch gleich nach dem Abi in einer neuen Stadt, allein. Und wie gut hat es dir getan! Wie sehr konntest du mit einem Mal wertschätzen, was deine Mama für deine Geschwister, dich und deinen Papa geleistet hatte! Wie schön wurde euer Miteinander unter erwachsenen Frauen!“
Unterm Strich gewinnt also die Hoffnung und Dankbarkeit. Dass ich noch 2 Töchter zuhause habe, hilft natürlich ebenfalls. Und der Beruf. Ich bin in Vollzeit selbstständig, viel Zeit für Trübsinn bleibt schlichtweg nicht.
Manche sagen, das Ausziehen der eigenen Kinder fühlt sich wie Liebeskummer an. Nur schlimmer… kannst du das bestätigen?
Es ist wie Liebeskummer, durchaus. Aber den habe ich jedes Mal überlebt und diesmal weiß ich wenigstens sicher, dass etwas Gutes nachkommt. Was auch hilft: Meine Tochter kommt zumindest die nächste Zeit jedes Wochenende heim, sodass wir uns sehen können. Sie lebt „nur“ 2,5 Stunden entfernt, sodass ich prinzipiell auch für einen Abend hinfahren könnte, wenn es dringend nötig wäre (oder sie hierher). Was mich auch ruhiger macht und tröstet, ist die Corona-Lockdown-Erfahrung. Meine Töchter und ich sind in dieser Zeit ein Stück enger zusammengewachsen, haben viele gute Gespräche geführt, Filme und Serien geteilt, gemeinsam gekocht und gegessen. Ich war total beeindruckt von der Klarheit, Vernunft und Empathie meiner drei Mädels.
Meine Große hat einen kühlen Kopf bewahrt und sich kontinuierlich auf ihr Abi vorbereitet, gleichzeitig wurde sie nie verbissen. Dass sie das so geschafft hat, in dieser Zeit, emotional stabil und fröhlich, macht mir Mut, dass sie klarkommen wird, wo auch immer ihr Weg sie hinführen mag. Außerdem bin ich eine Vagabundinnen-Mama und werde ihr überall hin hinterherreisen … sofern sie mich lässt 😉
Wenn ich meine 14jährige anschaue, wie sie am Wochenende aus dem Haus geht, um mit Freundinnen in die Stadt zu fahren, kommt da auch ganz schön viel Stolz zum Vorschein, wow, so groß ist sie schon. Sie macht jetzt ihr eigenes Ding. Ab und zu bin ich sogar ein bisschen neidisch auf diese Unbeschwertheit, dieses Alles-noch-vor-sich-haben dieses Gackern mit der Freundin im Wissen, dass zu Hause jemand wartet und immer für einen da ist.
Da denkt man doch sicher auch viel an seine eigene Jugend…
Oh ja, ich hatte eine wundervolle Jugend und habe sie absolut ausgekostet. Verglichen damit, tun mir die Jugendlichen und jungen Erwachsenen jetzt eher leid. Wir mussten damals nach dem Abi keinen Abstand halten, durften überall hin reisen und feierten gruppenkuschelnd die Nächte durch. Diese Möglichkeit wurde unseren Kindern erstmal genommen. Ich hoffe, diese Freiheit kommt zurück! Den Sommer über hatten meine Töchter dann wenigstens wieder die Möglichkeit, Freundschaften zu pflegen und draußen oder privat bei uns Eltern nett im kleinen Rahmen zu feiern. Daraus haben sie das Beste gemacht, und da war ich gerne die, die am Morgen danach die frischen Brötchen geholt und den Kaffee gekocht hat.
Nun seid ihr als Eltern getrennt, der Vater hat euer Kind zum Studienort begleitet, während du zurückbliebst. Wie fühlte sich das für dich an?
Das war ihre Entscheidung, vor allem, weil der Papa das größere Auto hat. Sie ist uns beiden nahe und wir haben da auch keine Konkurrenz. Vermutlich war es besser so, weil ich bestimmt vor ihr und womöglich vor anderen geweint hätte, wie peinlich … Jedenfalls hoffe ich natürlich, dass ihre Bindung zu uns Eltern so gut bleibt, wie sie jetzt ist. Wir sind kein Paar mehr, aber Eltern mit Herz und Seele. Und sobald es meiner Tochter und mir zeitlich in den Kram passt, fahre ich hin und schaue mir an, wie sie jetzt lebt. Im Studentenzimmerchen. In ihrem neuen Zuhause.
Welche sorgen hast du in Bezug auf die neue Situation?
Ich möchte natürlich, dass mein Kind, das in einem ausgeglichenen, zufriedenen Zustand ausgezogen ist, so glücklich bleibt. Die Sorgen sind also: „Wird sie ihre Studienwahl weiter bejahen oder irgendwann bereuen?“ – „Wird sie Menschen um sich haben, die ihr gut tun?“ – „Werden ihre Freundschaften von hier halten?“ – „Wenn es ihr schlecht gehen sollte: Wird sie schnell genug Hilfe suchen bzw. mich um Hilfe bitten?“ Wäre sie hier geblieben und würde zur Ausbildung oder zum Studium pendeln, wäre das aber, denke ich, nicht viel anders. Das räumliche Loslassen ist also nicht so sorgenbehaftet – jedenfalls jetzt noch nicht. Dass meine Älteste gut für sich sorgt, mit Geld umgehen kann und souverän und gern Auto fährt, hilft mir zusätzlich, optimistisch zu sein.
Welche Hoffnungen hast du?
Ich hoffe, dass mein Kind ihre Studienzeit genießt und ihren Platz auf der Welt findet. Dass sie dieselbe lebensfrohe, ehrliche, klare, kluge, humorvolle Persönlichkeit bleibt, die sie jetzt schon ist und dass sie sich entfalten kann, in jeder Lebensphase ungebrochen ihren Weg gehen darf. Dass sie beruflich ihre Ziele erreicht, aber die Freizeit, das Private darüber nie vergisst.
Ich wünsche ihr Gesundheit, körperlich wie seelisch. Dazu Glück, Gelassenheit und immer die richtigen Menschen an ihrer Seite. Menschen, die sie lieben und unterstützen, denen sie vertrauen kann, bei denen sie sich wohl fühlt. Und ich hoffe, ich darf mein ganzes Leben lang einer dieser Menschen sein.
Gibt es einen Tipp, den du an uns Eltern hast jetzt, da dein erstes Kind auszieht und du uns da schon etwas voraus hast?
Der wichtigste Tipp ist: Genießt die letzten Wochen miteinander! Schafft schöne Erinnerungen, so gut es geht. Überfrachtet eure großen Kinder nicht mit euren Ratschlägen, sondern fragt sie, was sie wissen möchten. Und tut euch selbst etwas Gutes an Tag X. Feiert diesen Meilenstein mit einem Lieblingsessen und Lieblingsgetränk, einem schönen Buch oder Film, einem guten Freund oder auch ganz allein. Wie es euch gut tut. Ihr habt ein Kind großgezogen, das reif genug ist, ohne euch leben zu können. Das ist wahrlich keine Kleinigkeit.