Unser Kind ist ein Papa-Kind – und Mama oft ganz schön abgeschrieben

Vater-Mutter-Kind = Familienglück zu gleichen Teilen. So zumindest in der Theorie. Als Eltern eines Jungen, der im Februar 2018 geboren wurde, ist unser Familienmittelpunkt natürlich ganz klar: unser Sohn Hugo.

Und wie jedes Paar, das zum ersten Mal Eltern wird, malt sich ein jedes Elternteil selbstverständlich die Zukunft mit Kind ganz genau aus. Stereotypisch wahrscheinlich so, dass die Mama viel mit ihrem Baby kuschelt, während der Papa schon ein paar Jahre weiterdenkt, zusammen beim Kicken auf dem Bolzplatz. Aber was, wenn es ganz anders kommt?

Wenn der Mittelpunkt des Kindes sich nicht gleichermaßen auf Mama und Papa aufteilt? Wenn der kleine Wonneproppen von Geburt an ein Papa-Kind ist und dies auch unmissverständlich kommuniziert? Wie gehe ich damit als Vater um, sehe ich doch, wie schmerzvoll es für meine Frau ist, wenn unser Sohn bei Freude oder Tränen mich als erste Bezugsperson ansieht?

Papa-Kind – von Beginn an

Um vielleicht ein bisschen besser nachvollziehen zu können, wie es zu unserer engen Vater-Sohn Bindung gekommen ist, musst Du zwei Dinge wissen:

  1. Ich wurde zu meiner Geburt zur Adoption freigegeben. Meine Mutter war damals 19 Jahre, hatte einen Freund und eins kam zum anderen. Dieses traumatische Erlebnis und die Tatsache, meine biologischen Eltern, speziell meinen Vater, höchstwahrscheinlich nie kennenzulernen, begleiten mich seitdem ein Leben lang. Viel positives sowie negatives, was die Bindung und Beziehungstauglichkeit eines Menschen beeinflusst, passiert grade von Geburt an. Dementsprechend groß ist meine Wertschätzung, Vater zu sein und dabei eine liebevolle, fürsorgliche und auf Augenhöhe befindliche Beziehung zu meinem Sohn aufzubauen und stetig zu fördern.
  2. Hugo kam per Kaiserschnitt auf die Welt, in dessen Folge ich die Möglichkeit bekam, die ersten Minuten des Bondings erleben zu dürfen. Ich bin überzeugt, dass dieser ganz spezielle Moment, unter diesen Umständen, etwas sehr intensives und bleibendes zwischen uns beiden geschafft hat. Eine Geburt, die nicht durch das Baby initiiert wird, verlangt nach Liebe und Geborgenheit. Dies konnte ich Hugo unmittelbar nach seiner Entbindung geben.

Aber ich bin auch überzeugt, dass meine Rolle als werdender Vater, der sich mit seiner schwangeren Partnerin auseinandersetzt, alle Frauenarzt-Besuche begleitet & an der Entwicklung des Ungeborenen schon im Mutterleib intensiv teilnimmt, eine große Rolle in der weiteren Bindung spielt.

Mir ist es wichtig, Zeit für mein Kind zu haben. Mich für ihn zu interessieren und da zu sein.

Und das ist auch möglich, wenn man Vollzeit arbeitet, so wie ich. Ich habe z.B. von Anfang an die Abendroutine und das zu Bett bringen übernommen. Wir haben Vater-Sohn Kurse zusammen besucht, die auch auf eine intakte, liebevolle Bindung einzahlen. Ich habe aber auch bewusst meine „Freizeit“ in den ersten Jahren reduziert, um seine Entwicklungsphasen so intensiv wie möglich gemeinsam mit ihm erleben zu können.

Dass ein Kind entweder Mama- oder Papa-Kind ist, finde ich ganz normal. Bei allem, was ein Kind beschäftigt, benötigt es auch eine Bezugsperson. Beim Spielen, wenn etwas neues klappt oder ausprobiert wird, muss die freudige Nachricht natürlich gleich Mama oder Papa gezeigt werden. Es kann sich nicht zweiteilen.
Wenn das Kind hinfällt und sich wehtut, möchte es hingegen Fürsorge und Geborgenheit. Auch hier muss es sich immer entscheiden. Gehe ich zu Papa oder gehe ich zu Mama und suche Trost?


Bei Hugo kann man sagen, dass er hier von Anfang an sehr auf mich fokussiert war. Da hilft auch jedes Zureden oder Überzeugen nicht. Bei sehr vielen Dingen im Familienalltag ist Mama abgeschrieben. Gefällt mir das? Natürlich! Was gibt es Schöneres für ein Elternteil? Belastet es mich? Absolut!

Oftmals fühle ich mich in solchen Momenten hin- und hergerissen. Mein Kind fordert meine ganze Aufmerksamkeit und gleichzeitig merke ich, wie verletzt meine Frau ist. Das tut mir gleichermaßen im Herzen weh. Kinder tragen diese uneingeschränkte Ehrlichkeit in sich, die nur zu gut durchaus sehr verletzend sein kann. Dann gehört es zu meinen Aufgaben, mich zweizuteilen und im besten Fall, uns alle drei im Anschluss an einen Papa-Moment wieder zusammenzuführen.

Ich fange allerdings auch langsam an, besser nachvollziehen zu können, wie es ist, nicht ein bestimmtes Bedürfnis in einer bestimmten Situation des eigenen Kindes erfüllen zu können. Wenn immer öfter konsequent nach Mama gefragt wird. Hugo ist inzwischen fast 2 1/2 Jahre und es mehren sich die Momente, in denen es Mama sein muss, die da ist. Abends beim ins Bett gehen ist dies inzwischen der Fall. Lange Zeit mein Territorium, mittlerweile immer häufiger ein Mama-Sohn Ding.

Und das ist auch mein Tipp, wenn Du so willst: ist Dein Kind ein Mama- oder Papa-Kind, dann hab Geduld. Dein Kind durchläuft so viele Phasen in den ersten Lebensjahren, da kommen die Situationen, in denen nur Du zählst, ganz von alleine.
Aber das heißt auch noch lange nicht, dass der Partner/die Partnerin keine Rolle spielt oder weniger wichtig ist. Ganz im Gegenteil! Durch das Verhalten der Eltern in diesen Situationen, lernt ein Kind auch vieles dazu. Wie verhält sich Mama, wenn ich sie abweise. Ist sie traurig? Wütend oder ignorant? Zeigt sie Verständnis und kommuniziert mit mir? Ist sie vielleicht sogar eifersüchtig?

Papa-Kind hin oder her – am Ende des Tages zählt die Familie

Bei einer unverhältnismäßigen Tendenz Deines Kindes zu Dir oder Deinem Partner/Partnerin habe ich die Erfahrung gemacht, dass es das Wichtigste ist, sich als Paar treu zu bleiben. Darüber zu sprechen und sowohl das Wohl und die Entwicklung des Kindes im Auge zu haben, als auch seine eigenen Bedürfnisse. Vielleicht gibt es ja auch die Möglichkeit, selber aktiv Mutter-Kind (oder Vater-Kind) Momente, abseits des Familienalltags, zu kreieren. Ein gemeinsames Hobby, ein Kurs oder regelmäßige Ausflüge, die die Bindung stärken. Nicht zuletzt kommt das auch dem Gegenpart zugute, der dann Zeit hat, seine Hobbys wiederum zu verfolgen. Bei uns ist es so, dass wir offen damit umgehen, uns Freiräume lassen, was sich auch mit der Zeit auf ein ausgeglichenes Papa-Kind bzw. Mama-Kind Verhältnis positiv auswirkt.

—Mehr von Richard könnt Ihr hier lesen: papammunity.de


8 comments

  1. Toller Text und toller Blog! Super mal alles aus der Papa-Perspektive zu sehen. Ich finde es toll, wenn sich Papas so einbringen. Ich würde sagen mein Sohn (2 1/4) ist auch ein bissel Papa-fixiert. Ich denke die beiden hatten auch von Anfang an eine sehr enge Bindung. Erstens hat sich mein Mann immer toll eingebracht, er hatte keine Berührungsängste und war bei allem immer dabei. Zweitens konnte ich nicht Stillen und so durfte der Papa oft die von mit abgepumpte Milch füttern. In der Schwangerschaft mit meiner Tochter und in den Monaten nach der Geburt hat mein Mann sich auch sehr intensiv um unseren Sohn gekümmert (sie ist jetzt 9 Monate). Aber ich muss sagen, ich liebe es, die beiden so zusammen zu sehen und gönne es beiden. So kann ich mich zeitweise ohne schlechtes Gewissen um meint Tochter kümmern. Und ja, es sind auch Phasen und in manchen Momenten muss es schon die Mama sein oder oft auch beide, z.B. müssen wir beide pusten nach dem Hinfallen.Wir Eltern binden den Partner auch gerne mit ein („soll Mama auch pusten?“). Ich denke Hauptsache das Kind ist glücklich und merkt, dass beide Eltern da sind. Bei uns kümmere ich mich mehr um die Kinder, der Papa arbeitet viel und ist dann natürlich auch interessanter als Mama,die öfter da ist. Jedenfalls nicht traurig sein, ich denke diese phasenweise Fixierung heisst definitiv nicht, dass ein Elternteil mehr geliebt wird.

    1. Hallo Ilse,
      ganz ganz herzlichen Dank für Dein tolles Feedback! Das Stillen hat bei uns auch leider nicht geklappt, was natürlich mir als Papa auch nochmal die Chance gegeben hat, über das Füttern die Bindung zu Hugo zu stärken. Ich bin ganz bei Dir, dass auch beide Elternteile mit eingebunden werden können & dass am Ende des Tages zählt, dass ein Kind weiß, sowohl Mama als auch Papa sind immer für mich da.
      LG, Richard & Hugo.

    2. Ich finde es immer toll, wenn hier auch Beiträge aus der männlichen Sicht gepostet werden. Und ich freue mich für dich, dass du so eine enge Bindung zu deinem Sohn hast. Und ganz ehrlich – genieß es und mach dir nicht so viele Gedanken um die Gefühle deiner Frau.

      Wenn sie das nicht so gut ertragen kann, ist es ihr Problem. Und ich finde es sehr schade, wenn es so ist. Mal ganz im Ernst, machen sich die ganzen Frauen, bei denen die Kinder eine engere Beziehung zur Mutter haben (was aus verschiedenen Gründen immer noch viel häufiger ist und anscheinend einfach als „normal“ hingenommen wird), auch so viele Gedanken um die Gefühle der Väter?!? Ich glaube es kaum.
      Überall wird Gleichberechtigung verlangt, aber wenn ein Vater mal die gleichen tollen Erfahrungen mit seinem Kind macht, wie es sonst häufig nur den Müttern vergönnt ist, haben die Frauen damit plötzlich ein Problem… Sehr schade…

  2. Bei uns war es exakt die gleiche Situation (nur, dass es ein Mädchen war): Kaiserschnitt, sogar eine halbe Stunde Papa-Tochter-Zeit danach und ein sehr engagierter Papa (auch ohne Kurse etc). Da unsere Tochter kein ganz leichtes Baby war, war es Mama, die tagsüber den ein oder anderen Kampf mit ihr auszutragen hatte (Flasche verweigert, Schlafen verweigert, etc). Das ging auch bis etwa 2,5 Jahre so. Dann verkehrte es sich ins Gegenteil und jetzt ist es mal so mal so.

    1. Hi Löwenmama,
      vielen lieben Dank für Deinen Kommentar!
      Ich glaube und das ist bei uns auch so, wenn die Mama de facto mehr Zeit mit dem Kind verbringt, es sehr schwer sein kann, wenn dann der Papa da ist & die Aufmerksamkeit bekommt.
      Aber wie ich geschrieben habe, auch das wandelt sich inzwischen bei uns & so wird es auch noch weiter gehen. 🙂

      LG, Richard & Hugo.

  3. Unser Große ist auch ein Papa- Kind und es hat mir regelmäßig das Herz gebrochen.
    Im ersten Jahr war er total auf
    Mich fixiert, beruhigen und zum schlafen bringen ging bei mir immer besser. Dann habe ich mir kurz nach seinem 1. Geburtstag den Arm gebrochen. In dieser Zeit hat sich der Papa gekümmert. Und von da an war Papa die unangefochtene Nr 1! An manchen Tagen war ich wirklich verzweifelt und völlig aufgelöst. Nachdem unser Sohn und ich in einer Kinder Reha waren, ist unser Verhältnis wieder deutlich besser. Er ist immer noch ein Papa- Kind, aber mit Mama-
    Tagen und darüber freue ich mich dann umso mehr…

    1. Hallo Rabea, Dein Worte beschreiben es sehr gut und zeigt die Ehrlichkeit unserer Kinder und wie sie heranwachsen. Je nach Situation oder Phase brauche ich als Kind das eine oder das andere Elternteil mehr. Die größte Herausforderung für uns Eltern ist dann wohl, unseren Kindern das Gefühl zu geben, immer da zu sein, zuzuhören & Vertrauen zu schenken.

      LG, Richard & Hugo.

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