„Ich werde als Alleinerziehende oft kritisch beäugt“

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Liebe Sabrina, seit wann bist du alleinerziehend?

Ich bin alleinerziehend seit dem 4. Schwangerschaftsmonat. Der Vater hat sich also bereits vor der Geburt getrennt.

Ich selbst bin bald 35 Jahre alt und gelernte Speditionskauffrau. Mein Sohn ist achte Jahre alt und geht in die 2. Klasse. Ansonsten leben wir hier ganz normal. Wir wohnen in einer kleinen Stadt in der Nähe von Frankfurt in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Ich gehe arbeiten und der Zwerg geht in die Schule. Meine Mama wohnt im selben Ort und wir sehen uns recht häufig.

Wo siehst du die größten Herausforderungen für dich als Alleinerziehende?

Die größte Herausforderung ist, glaube ich, die ständige Frage, ob man seinem Kind genügend Aufmerksamkeit schenkt. Auch wenn ich nicht Vollzeit arbeiten gehe, habe ich recht häufig das Gefühl, dass ich das nicht schaffe.

Man geht arbeiten, muss kochen, Hausaufgaben kontrollieren dann ist da noch die Wäsche und der Haushalt… und irgendwann fällt man müde auf die Couch und ist froh, wenn das Kind im Bett ist. Ich selbst bin ein Mensch, der hohe Ansprüche an sich selbst stellt bzw. mag ich es gern, wenn etwas nach „Plan“ verläuft (ich weiß das ist schwierig mit Kind 🙂 ) Diese Anforderungen an mich selbst runterzuschrauben ist auch noch eine große Herausforderung.

Hat das Alleinerziehendsein auch Vorteile für dich?

Hmm… Vorteile… schwierig zu sagen… ich habe den Vorteil, dass ich das alleinige Sorgerecht habe und somit alle Entscheidungen alleine treffen kann… das klingt jetzt sehr bürokratisch. Über andere Vorteile habe ich ehrlich gesagt noch nicht nachgedacht…

Nun sagst du, dass dich dein Umfeld ganz schön krass beäugt…

Es sind vor allem die Blicke. Teilweise habe ich das Gefühl, dass ich selbst und auch das Kind von oben bis unten gemustert werden. Welche Klamotten man trägt, wie die Frisur sitzt. Sowas eben. So nach dem Motto: Alleinerziehend, kein Geld, ist die vielleicht „assi“.

Wenn man dann erzählt, dass man 30 Stunden arbeiten geht die Woche, dann werden die Blicke teilweise freundlicher. Vielleicht ist es alles nur Einbildung, aber mich hat das lange traurig gemacht. Mittlerweile gebe ich da nix mehr drauf. Es hat nur leider einen langen Moment gebraucht, bis ich zu dieser Einstellung gekommen bin.

Was hat dir dabei geholfen?

Es ist schwierig zu sagen, was genau da hilft, Es sind mal Freunde und Familie die helfen… dann ist es einfach nur ein guter Film, den man sich anschaut und mal abschalten kann… oder es ist dein Kind selbst, das dich nach einem anstrengenden Tag abends auf der Couch anschaut und sagt: Mama, ich hab dich lieb.

Da es bestimmt nicht nur dir so geht: Hast du Tipps, wie man zu dieser Einstellung hinkommt?

Einen Tipp kann ich nicht wirklich geben… ich denke, bei jedem gibt es irgendwann den Zeitpunkt, an dem es „klick“ macht… hat bei mir auch länger gedauert… Was ich nur sagen kann: Schaut euch euer kleines Wunder an und seid stolz darauf, was ihr erreicht habt. Das, was wirklich zählt ist, dass euch nichts auf der Welt dieses Gefühl der Verbundenheit nehmen kann.

Wie kriegst du denn sonst deinen Alltag mit Job und Kind gewuppt?

Unser Alltag ist eigentlich relativ normal und nichts Besonderes. Arbeit/Schule danach einkaufen und nach Hause. Hin und wieder treffen wir uns mit Freunden, was auch nicht immer einfach ist zu koordinieren (jeder hat ja selbst Termine oder Hobbys der Kinder).

Mit der Arbeit kann ich auch alles super gestalten. Ich habe einen tollen verständnisvollen Chef und eine super Kollegin die mich und meine Situation unterstützen.

Gerade in unserer aktuellen Situation habe ich bislang nur Verständnis entgegengebracht bekommen. Ich kann den Zwerg mit auf Arbeit nehmen oder auch von zu Hause aus arbeiten.

Kommst du finanziell gut über die Runden?

Finanziell geht es uns ok. Wir kommen gut über die Runden. Trotz allem würde ich mich über mehr Geld nicht beschweren 😉 Um das Finanzielle mache ich mir aber schon immer Gedanken. Es gibt immer wieder Dinge die bezahlt werden müssen (Winterreifen, Auto-Inspektion etc.). Urlaub ist – wenn überhaupt – nur einmal in Jahr möglich. Ich denke beim Einkaufen oft darüber nach, ob ich das jetzt wirklich brauche. In vielen Fällen verkneife ich es mir dann. Bei größeren Anschaffungen oder Luxusartikeln überlege ich oft sehr lange.

Alles in allem geht es uns nicht schlecht, aber die finanzielle Sorge ist doch immer auch unterschwellig präsent. Aktuell haben wir die Situation, dass wir nach einer neuen Wohnung Ausschau halten, da das Haus in dem wir wohnen verkauft wurde und der neue Vermieter eine Person ist, mit der man lieber nichts zu tun haben möchte. Wir haben einen sehr günstigen Mietvertrag, der auch dazu beiträgt das es uns finanziell ganz gut geht.

Bei der Suche nach einer neuen Wohnung hat es mir dann die Sprache verschlagen, da die aktuellen Mietpreise einfach nicht zu bezahlen sind. Falls wir also umziehen würden, würde sich unsere finanzielle Situation stark verändern.

Inwiefern kümmert sich dein Ex mit ums Kind?

Mein Ex kümmert sich alle zwei Wochen um den Zwerg. Die Ferien werden auch geteilt. Mein Ex hat einen anderen Lebensstandard und ist z.B. letztes Jahr ist mit unserem Sohn zweimal in den Urlaub geflogen. Ansonsten telefonieren die beiden hin und wieder mal miteinander. Die Kommunikation zwischen mir und meinem Ex hat sich gebessert, jedoch läuft vieles über WhatsApp.

Wer oder was hilft dir im Moment am meisten?

Momentan hilft mir meine Mutter am meisten. Sie passt hin und wieder auf den Zwerg auf. Natürlich gibt es auch noch die restliche Familie und auch Freunde, doch die eigene Mama ist halt einfach die erste Anlaufstelle. 😉


2 comments

  1. Dass Menschen Dich kritisch beäugen, verstehe ich gar nicht, ich würde Dich bewundernd anschauen. Respekt, dass und wie Du alles schaffst!

  2. Hi, ich bin auch schon lange alleinerziehend mit 2 Kindern. Mittlerweile denke ich, dass man sich komische Blicke oft einbildet. Jeder kreist um sich selbst und merkt nicht, dass jede Familie ihr Päckchen zu tragen hat. Man selbst ist alleinerziehend, die andere Mutter verheiratet aber Ausländerin, die Nächste fühlt sich zu dick, die Andere ist „nur“ Hausfrau, noch eine Andere hat zu viele Kinder….
    … je länger ich Mutter bin, desto mehr relativiert es sich. Wir sind alle Menschen mit Fehlern und Problemen. Meistens drehen sich auch die Anderen nur um sich selbst und registrieren unsere „Auffälligkeiten“ gar nicht wirklich.

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