Von streitenden Geschwistern und genervten Eltern – Eine ehrliche Urlaubsgeschichte

Ich glaube, es war der dritte oder vierte Urlaubsabend, die Wärme hing zwischen den alten Häusern, vor uns stand eine Pizza, ich spürte noch das Salzwasser auf meiner Haut, da schlug der Gatte mit der Faust auf den Tisch und rief: „Jetzt ist Schluss. Ich hab die Schnauze voll von Eurem Gestreite.“

Die anderen Gäste guckten irritiert an unseren Tisch, der Kleine fing an zu heulen, die Große schob bockig die Unterlippe hervor. Herr, schick mir ein großes Glas Rotwein, dachte ich. Oder ein Loch, in dem ich verschwinden kann. Aber der liebe Gott ließ mich da sitzen, in Süditalien an dem Tisch mit den rotkarrierten Tischdecken und schüttete schlechte Stimmung über uns aus.

„Kennst Du diese Tage, an denen man sich als Paar anguckt und sich denkt, dass man als Eltern alles falsch gemacht hat?“, schrieb ich Lisa, nachdem ich die Kinder nach einer wortlosen Autofahrt ins Bett gebracht hatte. „Ja, kenne ich. Natürlich. Wird aber wieder besser“, antwortete sie nur wenig später.

Na hoffentlich.

Also, was war los? Warum brüllte der Mann herum und ich schrieb verzweifelte SMS? Sollten wir nicht im Urlaub dauergrinsen? Händchenhaltend durch alte Städte laufen, mit den Kindern Eis essen, am Strand ein Buch lesen?

Ja, so war der Plan für den langersehnten Italienurlaub.  Aber es kommt ja immer anders, als man denkt…

Wir hatten schon Urlaube, in denen es unglaublich harmonisch zuging, zum Beispiel unseren Skiurlaub dieses Jahr.

Aber diesmal war (zumindest am Anfang) der Wurm drin. Dabei hatten wir uns alle so darauf gefreut.

Doch die Kinder zankten sich nur. Es fing an, sobald der eine aufwachte und dem anderen das Kuscheltier wegnahm. Sie schubsten einander, zwickten sich, gönnten sich nicht die Butter auf dem Brot (geschwiege denn das tägliche Eis).

Wir versuchten unser Bestes – kauften zwei Eimer, zwei Schippen, jedem zwei Förmchen. Achteten darauf, dass die Portionen Orangensaft am Morgen exakt gleich groß waren, teilten die Schokolade milimetergenau, aber stets beschwerte sich einer über irgendeine schreckliche Ungerechtigkeit.

Am kilometerlangen Sandstrand wollten sie auf dem gleichen Quadratmeter buddeln und keinen Zentimeter zur Seite rutschen.

Sie nahmen einander die Sachen weg, zerstörten die Sandburgen, kniffen sich, streckten sich die Zungen raus, ärgerten sich so lange, bis einer heulte.

Und wir immer wieder als Vermittler, mal mehr, mal weniger geduldig. 

Dazu kam, dass der Kleine überhaupt nicht mehr hörte. Wann immer ich ihm den Rücken zudrehte, rannte er im Appartement ins Bad und drehte die Wasserhähne auf. Oder rollte das Toilettenpapier komplett ab. 

Oder schmiss die Terrassentür mit so einer Kraft zu, dass das Glas fast zersprang.

Ich erklärte, ich schimpfte, ich bat, ich mahnte – ohne Erfolg.

Und die Große vermisste ihre Freunde. "Ich will heim. Ich will in die Kita!", heulte sie. Ich gestehe, dass mir "so eine Undankbarkeit" durch den Kopf schoss. Da fliegt man nach Italien, an die herrlichsten Strände, die Sonne scheint, die Unterkünfte sind schön, es gibt einen Pool, jeden Tag Pasta (auch ohne Sauce) und das Kind will nach Berlin in die Kita. Mmpf. Und dann dachte ich wieder: "Sie ist ja erst fünf. Und irgendwie ist es ja süß, dass sie ihre Freunde so vermisst." 

"Wer hat noch mal gesagt, dass ein drittes Kind eine gute Idee ist?“, fragte mein Mann mich irgendwann total entnervt. Ich schluckte.

An einem Morgen habe ich heimlich im Bad geheult, weil die Kinder sich wieder nur zankten. Beim Versuch, die auseinander zu halten, riss mein Armband. So viel zur schönsten Zeit des Jahres.

An Tag fünf sagte ich, dass es so nicht weiter geht. Dass der Urlaub so niemandem Spaß macht. Der Gatte und ich beschlossen eine Taktikänderung.

Wir beschlossen, unsere Bedürfnisse noch weiter zurück zu stellen. Irgendwas wollten die Kinder ja mit ihrer Zankerei bewirken. Aufmerksamkeit höchstwahrscheinlich, als Ausgleich für die höchst stressigen Wochen vor dem Urlaub.

Wir beschlossen, dass es wichtiger ist, mit den Kindern am Strand Muscheln zu suchen, als in Ruhe ein Buch zu lesen.

Dass es sinnvoller ist, ihnen eine lange Siesta zu gönnen, als sie durch sehenswerte Altstädte zu schleifen.

Dass es entspannter ist, im Appartement zu kochen und auf der Terrasse zu essen, als in einem Restaurant, das erst um acht Uhr öffnet (und damit viel zu spät für deutsche Kindermägen).

Wir beschlossen, uns voll auf sie einzulassen und zu akzeptieren, dass es kein easy peasy Urlaub wird. Und dass er anders wird als wir ihn uns vorgestellt haben.

Ab dann wurde es besser. Nicht wonne-wattig-rosarot, aber besser. Und die letzten Tage sogar richtig schön. Die Kinder plantschen auch mal ganz alleine, spielten miteinander, wir Eltern konnten gedankenverloren aufs Meer starren. Es wurde alles ruhiger. Wir beruhigten uns. Wir hatten uns eingegroovt. 

Vielleicht war das mal wieder eine Lektion für uns. Dass Kinder nicht dazu da sind, in Schemata gepresst zu werden. Dass sie oft nicht unsere Erwartungen erfüllen, was schmerzlich ist, aber wiederum auch heilsam.

Seit Samstag Nacht sind wir zurück. Wir sind braun gebrannt, sehen erholt aus, sagen die Nachbarn. Alles in allem wars doch echt super schön, sagte mein Mann, als wir im Flieger zurück saßen.

Ich nahm seine Hand und drückte diese. Das ist doch das, was Familie ausmacht. 

Auch, wenn es nicht alles perfekt läuft, hat man sich lieb. Auch, wenn man höchst genervt war, verzeiht man ganz schnell. Auch, wenn es anders läuft als gedacht, schließt man seinen Frieden damit.

Familie heißt Kompromisse eingehen, aufeinander achten, ab und zu seine Bedürfnisse komplett zurück stellen, geduldig sein, sich aufeinander einstellen. 

Das gelingt uns nicht immer. Wenn man es schafft, wird einiges leichter und man darf man sich ruhig mit einem großen Eis belohnen…


15 comments

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  2. Familienstreits
    Hallo, so ist das eben. Wenn man es am Schönsten hat, dann kommt ein Streit dazu. Zum Glück sind Streits unter Kindern harmlos. Als Erwachsene wäre das extrem schlimm. Ein Freund sagt immer, dass Erwachsene ihren Anwalt zu sich nehmen, statt früher ihrer Mutter das zu sagen. Danke für den tollen Blog! https://www.anwalt-oldenburg.com/

  3. Urlaub
    Ein ganz toller Beitrag. Ich lese eure Artikel sehr gerne und mag eure ehrlichen Texte. Diese Streitereien unter Geschwistern kommen mir sehr bekannt vor, auch unsere beiden zanken sich viel, gerade im Urlaub wenn man die ganze zeit zusammen hockt und der Grosse sich nicht in seinem Zimmer zurückziehen kann wenn die kleine Schwester mal wieder mit ihm zickt und immer genau das machen/ haben möchte was er gerade spielt. Liebe katharina würdest du verraten wo ihr dort genau im urlaub ward und ob das Hotel zu empfehlen ist? Wir sind schob für nächstes Jahr auf der Suche und Italien wäre ja mein Traum. Ich verzweifle immer nur an der ganzen Suche und der riesigen Auswahl die es so gibt. Zumal ich es auch immer schöner finde wenn man Erfahrungswerte von anderen Eltern hat. Das wäre toll.
    Ganz liebe Grüsse aus Rosengarten

  4. „Anpassungsstörungen“
    Wir gehören auch zu den unharmonischen Familienurlaubern und wir haben -nichts da mit Harmonie á la Bullerbü – jedes Mal, mittlerweile wundere ich mich nicht mehr – Anpassungsschwierigkeiten im Urlaub. Meistens dauert es ein paar Tage, dann wird es besser. Auch bei uns, immer sehr viel Streit der Kids (8, 5, 3 Jahre). Ich versuche nicht mehr, es zu ändern oder stetig zu schlichten, sondern einfach anzunehmen, was da ist. Dann geht es. Leider habe ich häufiger den Eindruck, dass es mit älteren Kindern auch nicht einfacher wird, wegzufahren. Unsere Große vermisst auch ihre Freundinnen, ihr Zimmer, ihre Katze….Aber dann freut man sich ja um so mehr aufs Nachhausekommen. So, heute muss ich Koffer packen, morgen geht es los, auch nach Bella Italia. Bin schon mal auf Anpassungsstörungen eingestellt…..

  5. Genau so
    Die eigenen Bedürfnisse weiter zurückstellen und plötzlich ergeben sich Momente der Harmonie und Erholung. Ob auf dem Bauernhof oder am Strand, wir haben mittlerweile für uns gelernt – die entspanntesten Urlaube sind die, bei denen wir auf andete Kindrr treffen. Und dann kann man auch mal ganz entspannt lesen…
    LG
    Rosa

  6. Genau!
    Auch wenn man von kinderlosen Menschen dafür stets viel Unverständnis erntet („Ihr richtet Euch ja NUR nach den Kindern!“) ist es einfach für alle am erholsamsten, deren Bedürfnisse oben an zu stellen. Die Städte- und Rucksackreisen können die auch später alleine machen (bin schon mit 17 auf Interrail gegangen, mit 13 Sprachferien in London, war kein Problem). Auch wenns etwas schade ist manchmal. Ich weiss wovon ich spreche, wir fahren jedes Jahr nach Ibiza für einen Monat, aber ich war schon seit 2011 in keinem einzigen Club mehr- so ist das eben.

  7. Naja, wann „hockt“ man sonst mehr als 2 Tage 24 Std aufeinander
    Bei uns war es die letzten 2 Wochen fast ganz genauso, die Mädels sind eben in diesem Alter wo sie sich grad mal nix gegenseitig gönnen – egal wie gleichverteilt alles ist. Und ich denke das ist im Nachhinein auch vollkommen logisch.
    1. Plötzlich sind wir 24 Std am Tag zusammen – im Alltag gehen wir Großen arbeiten, die Kleinen in getrennte Kita-Gruppen. Da ist die Zeit für solche Streitigkeiten überschaubar.
    2. die Wohlfühlzone innerhalb der kleinen Familie – jeder darf so sein wie er ist, niemand will sich anpassen müssen, und ja, wenn es der einen nicht passt, dass die andere nicht „ordentlich“ mitspielt, dann gibts halt Gemecker, was uns Großen echt total auf den Keks geht – weil wir vergessen/verlernt haben, uns eben nicht immer anzupassen oder Konter zu geben – hier sind wir Großen einfach zu unentspannt manchmal.
    3. der Unterschied zwischen Urlaubsanspruch der Eltern und -realität mit den Kindern 🙂 Wir haben uns zum Glück rechtzeitig verabschiedet von dem Gedanken, wirklich suuuuper erholt und total relaxt mit ausgelesenen Büchern/gesehenen Filmchen und vorallem ausgeschlafen aus dem Urlaub zu kommen. Die Kinder sind dafür noch zu klein. Wir haben gelernt geduldig zu sein und zu warten bis sie groß genug dafür sind zusammen mit uns eine Stadt zu erkunden oder gechillt am Strand zu liegen.
    Und bis dahin richten wir unseren Familienurlaub ebenfalls nach unseren Kindern aus. Fahren im kommenden Jahr das dritte Mal auf denselben Bauernhof. Da wissen die Kinder was es gibt und wir genießen die jährlich hinzuwachsende Selbstständigkeit der Kinder. Ja, wir sind noch immer in einer Ferienwohnung, weil weg von All inclusive – aber damit eben auch super flexibel. Und ich bleib dabei – mit Kleinkindern gibt’s nicht viel Schöneres als Urlaub auf dem Bauernhof. Bei gutem Wetter geht’s an nen See und abends den Tierchen Gute Nacht wünschen, bei schlechtem Wetter geht’s frühs und nachmittags zur Fütterung der Tiere in den Stall und den Rest der Zeit auf die Terasse mit uns Großen und auf den Spielplatz mit den Kleinen.

  8. Genau so…
    …ist es: warum sollte der Urlaub anders sein als das normale Alltagsleben. Wir fahren deshalb immer in ein Ferienhaus und richten unseren Tagesablauf komplett nach den Kindern. Wenn wir merken, jetzt können wir einen Ausflug machen, dann machen wir das. Und wenn es eben nicht passt, dann nicht. Ich finde es toll, dass Ihr auf die Bedürfnisse Eurer Kinder gehört habt und dann doch noch einen schönen Urlaub hattet. Meine Große war im vergangenen Urlaub auch anfangs meckerig und nölig – ich glaube, dass Kinder ebenso erstmal runterkommen müssen – sich aus dem stressigen und lauten Alltag verabschieden und im Urlaub „ankommen“ müssen. Denn auch wenn wir es oft abtun, der Kita-Alltag ist für die Mäuse ja auch anstrengend.
    Liebe Grüße, Anna

  9. kenne ich und bin froh, dass es anderswo auch so ist ;O)
    Egal ob es der lang ersehnte Urlaub ist, oder einfach nur ein Wochenendausflug, wo der Papa endlich mal wieder frei hat und sich jeder darauf freut.
    Und dann… der tollste Ausflug oder der schönste Urlaub wird zunichte gemacht, weil sich unsere drei Kinder auch nur streiten, sich gegenseitig nix gönnen, einer immer der Erste oder Beste sein möchte uvm. ARGH…. das ist wirklich manchmal nur zum Weinen und mir entgleiten dann leider auch manchmal so Sätze zu den Kindern wie: Ihr könnt´ nur streiten und seid so undankbar, wir machen das doch nur für Euch, wenn jetzt nicht sofort Schluss ist, fahren wir wieder heim, ich mag nicht mehr, mir reichts…..! Aber ich denke, auch uns Eltern darf mal der Geduldsfaden reißen und sagt auch mal Sachen, die jetzt nicht gerade pädagogisch wertvoll sind und die einem später Leid tun, wenn dann alle Kinder auf der Heimfahrt im Auto friedlich schlafen. Ich kenne das nur zu gut und bin wirklich froh, diesen Beitrag gerade gelesen zu haben, denn auch ich frage mich dann manchmal… was haben wir nur falsch gemacht, wieso krachts immer dann am meisten, worauf man sich soo sehr gefreut hat?

  10. http://www.wundersachen.blogspot.de
    „Das ist doch das, was Familie ausmacht. “ – ein wirklich toller Bericht, wenn auch ein bisschen traurig und eine gute Lektion für alle, die Kinder haben oder haben wollen. Es ist wichtig, dass man die wahren Geschichten erzählt und kein Bild von etwas Perfektem vermittelt, das wohl niemals so hundert Prozent richtig ist. Ich hoffe die Entspannung der letzten Tage hat gereicht, um ein bisschen erholt wieder im Alltag anzukommen. 🙂 Beste Grüße aus Braunschweig sendet Clara

  11. Urlaub mit Kindern anders planen
    wir machen das auch meist so das wir anderes bzw garnicht planen im Urlaub, wir fahren 2 mal im Jahr einmal Italien und einmal eine Städtereise seit unsre kinder auf der welt sind die große acht also seit 8 Jahren der mittlere seit 5 und der kleine bricht im august in seinem ersten Urlaub auf. In Italien ist unser Motto nichts ist mehr:) wir machen Fahrradttouren zum strand dort spielen die Kids, essen holen wir oder kochen gemeinsam einmal gehen wir essen aber dann mit Malbuch und Nintendo für die große:) Städtereisen plane ich immer wochen im Vorraus(macht mir aber sehr viel spaß) um das richtge mittelmaß an aktivitäten für die Kids und interessantes für uns zu finden das hat bis jetzt immer gut geklappt:) und andere Kids streiten auch denke man muss sich einfach von dem Gedanken Perfektes Kind im Urlaub verabschieden dann wirds super:)

  12. Urlaub mit Kids ist anders
    Früher sind wir mit dem Rucksack frei Nase durch die Welt gedüst und jetzt mit unseren Kindern fahren wir im Sommer auf die gleichen Campingplätze jedes Jahr im Sommer Usedom! Und im Winter immer in den gleichen Ort. War für uns unvorstellbar- und jetzt? Wir freuen uns drauf, Erholung pur! Oft kommen wir im Sommer gar nicht vom Campingplatz runter, essen das Gleiche, wie zu Hause aber kommen herrlich erholt zurück! Im Frühjahr und im Herbst machen wir dafür ein klein wenig mit Ihnen so Urlaub wie früher mit Sightseeing und wandern und so… Klappt gut! Und wir freuen uns auf die Zeit, wenn sie ihre Rucksäcke selber tragen und mit uns durch die Welt fliegen ;-)! Bis dahin chillen wir an immer den gleichen Orten…

  13. Danke
    Das tut so gut, so ein ehrlicher Bericht! Mich nerven all die super Hochglanz Fotos auf den Blogs und Instagram! So ist Familien leben nicht. Sondern mit Höhen und tiefen. Danke