Warum das ein Schaf ist und ich einfach kein Bastel-Gen habe…

Liebe Lisa, als ich etwa acht Jahre alt war, bestellte die Lehrerin meine Mutter ein und klagte, ich könne nicht richtig ausschneiden. Überall wäre noch Papier dran, wo keins mehr sein sollte, die Linien würde ich auch nicht einhalten und Genauigkeit wäre nicht meine Stärke. Ich könnte jetzt sagen: „Diese überspannten Pädagogen, wo bleibt denn da die Kreativität.“ Aber…

Sie hatte leider recht. Schon damals zeigte sich, dass ich über null komma null Basteltalent verfüge. Was mich nicht daran hinderte, eine Schneiderlehre zu machen. Super Logik. Während die anderen Gesellen vertieft vor sich hinarbeiteten, war ich am dauerfluchen. Der Scheiss-Faden ging nicht durchs Nadelöhr, huch, jetzt habe ich aus Versehen etwas abgeschnitten, verdammt, ich muss schon wieder was auftrennen, häääää, wie soll das denn bitte zusammenpassen? Mit Mühe und Not, der tollen Unterstützung meiner Meisterin und viel Tränen habe ich die Gesellenprüfung trotzdem bestanden – und seitdem nie wieder eine Nähmaschine angerührt.

Lange Jahre lebte ich nun den Traum von einer bastelfreien Welt. Ich arbeitete mit Worten – wie einfach mir das Schreiben von der Hand ging, im Gegensatz zum Zeichnen, Zuschneiden und Nähen. Traumhaft. Seit ich Mutter bin, hat mich der Bastel-Teufel wieder eingeholt. So auch diese Woche in der Kita. Adventsbasteln in der Gruppe meines Sohnes. Die Erzieherinnen sind so entzückend, allein die Einladung zum Adventsbasteln sah so hübsch aus – das hätte ich in 100 Jahren nicht so hinbekommen. Deshalb wollte ich mich auch auf keinen Fall drücken, sondern ihnen durch meine Teilnahme meine Wertschätzung ausdrücken. Die Aufgabe: Schafe basteln aus Klopapierrollen. Die Utensilien: Klebeaugen, kleine Bälle, Glitzerstifte, Wolle, und irgendwas, was die Beine darstellen sollte. Da saß ich nun auf meinem kleinen Hocker und während alle Eltern um mich herum loslegten, starrte ich nur auf das Material. Ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich anfangen sollte. Einmal kurz nach rechts und links geschielt, Ideen geklaut und losgelegt. Doch so sehr ich die Heißklebepistole auch anflehte – die verdammte Wolle wollte nicht halten. Die Beine sahen aus wie von einer Spinne, die Wackelaugen fielen ständig ab. Den Mund, den ich mit rotem Glitzerstift aufgemalt hatte, verwischte ich schließlich, als plötzlich der Ball (der den Kopf darstellen soll) abfiel. Flashback in meine Gesellenzeit, nur dass ich nicht so laut fluchen konnte.

Plötzlich blinkte mein Hand. Du schriebst: „Huhu, wie geht’s Dir?“ Ich tippte verstohlen: „Bin beim Adventsbasteln“ und schickte Dir obiges Foto. Du hast nur: „Aaaaaaaaaahhhhh“ geschrieben. Und ich antwortete: „Das ist ein Schaf, falls Du fragen solltest.“ Ich bin mir sicher, Du bist zu Hause vor Lachen vom Stuhl gefallen. Und auch die Oberlippe der Erzieherin zuckte verdächtig, als ich ihr mein Ergebnis präsentierte. Wie auch immer – mein Schaf steht jetzt inmitten der anderen Schafe, die die Eltern gebastelt haben. Und ich finde, in einer Herde müssen ja wirklich nicht alle gleich aussehen… Deshalb: Mission erfüllt…


2 comments

  1. Das ist die beste Entscheidung, die du treffen konntest….
    meinte mein Kunstlehrer, als ich ihm in der 11.Klasse mitteilte, dass ich ab dem kommenden Schuljahr Musik anstelle von Kunst nehmen würde. Alles Künstlerische (Zeichnen, Malen, Basteln) war so gar nicht mein Ding… Der Haken an der Sache: Ich wurde Grundschullehrerin, ein Job, bei dem man um solche Dinge nicht herum kommt 🙂 Inzwischen bastle ich aber sehr gerne, die Ideen klaue ich mir zwar von anderen, aber die Heißklebepistole beherrsche ich nun ganz gut! Also nicht aufgeben, es werden sicherlich noch ein paar Nachmittage zum Üben kommen *g* (Oder halt einfach: Augen zu und durch)

  2. talentfreies Basteln….
    Kopf hoch! Habe auch kein BastelGen. Völlig Talentfrei bzgl.der Bastelei. Wird mir auch immer an solchen Nachmittagen/Projekten vorgeführt. Es muss auch solche Mütter geben. Das schlechte Gewissen treibt mich stets zu diesen Veranstaltungen und werden geprägt durch:sie war stets bemüht. Oder was soll das sein? Man kann eben nicht in allem gut sein. 😉 Du bist nicht alleine……